im flaschengrünen, tiefen See

Heute war ich im Aquarium von Kagoshima und das hat natürlich gleich einmal was problematisches. Ich bin ja ein großer Verteidiger von Zoos, weil abgesehen davon, dass dort heutzutage ja viel Forschung passiert,die in der Natur schwierig bis unmöglich wäre, find ich auch, dass es wichtig ist, heutzutage einmal ein Nilpferd in echt gesehen zu haben, bevor man in die Pubertät kommt. Oder einen Pinguin oder vor allem einen Tapir. Auf der anderen Seite geben Menschenaffen hinter Gittern mitunter ein trauriges Bild ab und da zieh ich ein bisschen meine Linie, die andere wo anders ziehen mögen. Und so bin ich heute in einer Delfinshow gesessen und das war schon interessant, aber gleichzeitig auch etwas deprimierend. Spätestens seit Free Willy schaut man ja einer Walverwandten auf die Rückenflosse um zu sehen, wie deprimiert sie vom Leben in Gefangenschaft ist und von den fünf, die da in dem Becken ihre Runden gedreht haben, waren alle ein bisschen geknickt. Immerhin muss ich sagen, war auch viel Information dabei (glaub ich, ich hab s ja nicht verstanden), das rechtfertigt s für mich durchaus ein bisschen. Es ist nicht nur Zirkus. Aber der Moderator hat viel geredet und soweit ich verstanden hab, ging s um die Fähigkeiten von Delfinen, verschiedene Formen und Größen zu unterscheiden. Und auch, dass sie fünf Meter aus dem Wasser springen können um ein Dingserl anzustoßen, das von der Decke hängt, dass sie synchrone Saltos machen können und dass sie quaken, wenn die Trainerin das richtige Handzeichen gibt. Und dass sie entweder so ins Wasser eintauchen können, dass es kaum spritzt oder so, dass ich nachher vollkommen nass war.

Kann man etwas gegen die Haltung von Quallen haben? Sehr aufregend und nur mittelmäßig auf dem Foto feststellbar, dass sie mit ihren fadendünnen Tentakel tatsächlich die Urzeitkrebse, die sie als Futter bekommen, gefangen und zur Unterseite von ihrem Körperdingsda geführt haben.

Noch deprimierender war allerdings, dass sie einen Walhai in einem Becken haben. Damit wird das Aquarium stark beworben und ich hab s mir kaum vorstellen können, dass das wirklich so ist. Ich hab mir gedacht, ok, das ist vielleicht ein Fenster ins Meer irgendwie, wo ein Zaun ist… Nein. Ich mein, ein kleiner, der war nicht länger als vier Meter. Aber er war in einem Becken, noch dazu im ersten Stock, aber dafür gibt s mehr logistische Anerkennung. Es war halt kaum Platz, dass er was anderes hat tun können, als ständig im Kreis zu schwimmen. Sein Blick ist vom Vorüberziehen der Stäbe… Dann ist eine Kindergruppe reingekommen und die waren alle wahnsinnig begeistert und dann frag ich mich, ob ich da für den armen Walhai nicht auch den Punkt machen soll, den ich für Meerkatzen, Pinguine und Gnus mache: Dass die Begeisterung von dreißig Kindern nicht irgendwo mehr wiegt. Und dass die BegleiterInnen vielleicht den Text vorgelesen haben, wo steht, dass man das Meer nicht verschmutzen soll, weil sonst die Fische alle sterben. Die Weißspitzenhaie, neben denen ich vor zwei Wochen noch geschwommen bin, sind in ihrem Becken überhaupt nur am Boden gelegen.

Keine einfachen Antworten

Ich bin ja schon allein deshalb ein bisschen auf der Seite, die die Kinder (und Erwachsenen) ihre Erfahrungen auf Kosten des großen Fischs machen lässt, damit mein Tauchhobby nicht nur elitär rüberkommt. Logistisch schwierig und ökologisch schlimmer, wenn wir unsere Haifische alle in ihrem Habitat sehen wollen würden. Hauptsache ich hab mir jetzt noch ein bisschen Tauchurlaub geplant, formulierte er einen holprigen Übergang mit moralisch zweifelhaftem Nachgeschmack. Und weil sich die Gelegenheit geboten hat, hab ich mir dafür auch gleich in einem der hiesigen riesigen Elektronikfachmärkten die Schutzschale für meine Kamera gekauft. Fünfzehn Tauchgänge hab ich gemacht, insgesamt ziemlich genau zwölf Stunden unter Wasser. Und kaum das lousy T-shirt vorzuweisen.

Aber damit ich s nicht vergesse und weil wir hier im Internet sind: Hier sind meine fünf besten Taucherinnerungen.

(5) Zuerst einmal eine Taucherinnerung, die gar nicht unter Wasser stattgefunden hat. Tahiti hab ich ziemlich gut erwischt, was die Walsaison betrifft. Man würde eigentlich bereits mit mehr Walaction rechnen, hat es immer wieder geheißen, aber so richtig wollten sie sich nicht zeigen. Vielleicht, hat s einmal geheißen, sei das Wasser zu warm, weil es wäre wohl ein Grad wärmer als üblich und deshalb würden die Wale noch ein wenig in ihren antarktischen Gewässern abwarten. Wale sind ja auch eher individualistische Tiere und jetzt nicht Gänse, die im Schwarm migrieren, deshalb war schon ab und zu mal einer zu sehen. Einmal sind wir auf dem Weg zu Tauchstelle sogar einem begegnet, von dem wir ein bisschen Schwanzflosse zu sehen bekommen haben. Die Möglichkeit sei gegeben gewesen, dass uns der beim Tauchen überrasche, hieß es, weil die Tauchstelle läge auf dem Weg. War aber nicht. Aber immerhin einen Wal gesehen ohne dass ich zwei Stunden Seekrankheit erleiden musste. Und die Hoffnung, beim Tauchen vielleicht von einem Wal besucht zu werden, die hat den ganzen Tauchgang ziemlich aufregend gemacht.

(4) Meinen ersten Hai hab ich leider gar nicht gesehen. Das war auf meinem ersten Ausflug, meinem ersten explorativen, meinem ersten Freizeittauchgang. Da war ich schon ein bisschen enttäuscht, als ich an der Oberfläche gehört hab, dass ich in die falsche Richtung geschaut hab, als da ein Grauer Riffhai (Carcharhinus amblyrhynchos) auf einen Sprung aus dem Blau des Meeres bei uns vorbeigeschaut hat. Auf Mo’orea bin ich dann immer wieder Haien begegnet, immerhin hat sich mein Tauchverein auch als Haispezialisten identifiziert und das Haienbegegnen war so ein bisschen das Ziel. Also, alles Riffhaie, da muss man sich nicht besonders fürchten. Ich mein, nicht, dass man überhaupt muss. Alles in allem, war der eine Barracuda, der uns da mal verfolgt hat, wesentlich unheimlicher als alle meine Haibegegnungen. Zu sehen gibt s insbesondere Weißspitzenhai (Triaenodon obesus) und Schwarzspitzenhai (Carcharhinus melanopterus), aber besonders sind eine Handvoll Zitronenhaie (Negaprion acutidens) die in einem Katalog durchnummeriert sind, mit ihren Erkennungszeichen und ihren Charaktereigenschaften. Und dann war da noch einer, bei dem man ein bisschen aufpassen sollte, weil die eigentlich aus tieferen Gewässern sind und ihre Unsicherheit so knapp unter der Oberfläche gerne einmal mit ein bisschen Fremdaggression kompensieren. Hat man uns erklärt. Während so ein Schwarzspitzenhai gerade einmal zwei Meter lang wird und der Weißspitzenhai noch etwas kleiner bleibt, wird so ein Zitronenhai fast drei Meter lang und das kann einen schon ein bisschen schrecken, wenn einem so einer plötzlich ins Blickfeld gerät. Wie man für seinen Open Water Diver lernt, wirken Objekte unter Wasser wegen der Lichtbrechung auch noch etwa ein Drittel größer und Viertel näher. Da hab ich mich schon ein bisschen so gedreht, dass ich ihm nicht den Rücken zuwende. Mehr erschreckt hab ich mich tatsächlich, als mich ein Schwarzspitzenhai rechts überholt hat und tatsächlich einfach einmal so in mein Blickfeld hineingeschwommen ist. Und dann noch ein zweiter. Und wieder zurück auf Tahiti war ich dann nochmal im Vallée Blanche, da wo wir im Boot vom Wal überrascht wurden. Das weiße Tal ist so ein bisschen ironisch für ein Stückchen Sandstrand unter Wasser zwischen der Lagune und dem bisschen Meer zwischen Tahiti und Mo’orea. Und warum das so attraktiv für die Riffhaie ist, das weiß ich auch nicht. Ein Grund ist sicherlich, weil dort ab und zu mal ein Tauchverein eine Kiste mit Fischstückchen deponiert und die zum Naschen vorbeischauen. Aber ob die Haie nur für einen free lunch vorbeikommen oder ob die nicht auch vorher schon lieber über weißen Sand geschwommen sind als graues Riff, kann ich nicht beantworten. Ähnliches Hairepertoire wie auf Mo’orea, aber durch die Anfütterung halt wirklich dicht. Fast ein bisschen weniger beeindruckend, wenn sie einem links und rechts so um die Ohren sausen. Aber schön sind sie schon. Lemonshark dudududu-dudu…

(3) Haie sind mit ihrer glatten Eleganz mehr so die Dobermänner des Meeres. Wobei die Ähnlichkeit wahrscheinlich eher andersherum zu erklären ist. Kalt und stromlinienförmig sind sie. Man sieht sich irgendwie satt an ihnen, wenn man nicht ein Zehnjähriger mit Gewaltsublimationsbedarf ist. Auf der anderen Seite haben mich die Schildkröten immer mehr durch ihr Verhalten beeindruckt. Und das wiederum hat wohl mehr damit zu tun, dass sie einen Hals haben und sowas wie Arme und sowas wie Beine und wenn man an Land nicht unbedingt eine Schildkröte als seinen nächsten Verwandten identifizieren würde, so gibt s unter Wasser weniger Auswahl. Und dann sieht man einmal eine Schildkröte, die sich mit ihrer Flosse am Riff abstößt, während sie nach irgendwas schnappt, das dort wächst. Eine andere hat sich vielleicht für auf ein Nickerchen in eine kleine Riffeinbuchtung hineingekuschelt. Und sie haben einen sympathischen, wenngleich extrem gleichgültig wirkenden Blick. Und eine himmlische Leichtigkeit, mit der sie sich durch s Wasser bewegen. Ich mein, „Eleganz“ ist vielleicht ein Begriff, den ich etwas überstrapaziere, wenn ich mich an meine Taucherlebnisse erinnere. Aber es gibt einfach nicht genügend Varianz in der Begrifflichkeit! Unter Wasser wirken alle Bewegungen ein bisschen präziser, ein bisschen bedachter. Ohne die Haftung an einem Boden merkt man schnell einmal die physikalische Wahrheit, dass jeder Impuls einen Gegenimpuls auslöst, am eigenen Körper. Um so mehr Bewunderung hab ich deshalb übrig für jene Lebewesen, die ihre Energie so einzusetzen wissen, dass es sie nicht bei jeder Drehung fire– und daunehaut.

(2) Als TaucherIn ist man zu Gast unter Wasser. Nicht nur, dass man das wegen der oben angemerkten Plumpheit schnell einmal am eigenen Körper merkt, aber die Oberste Direktive ist: wir sind zum Schauen da. Wir schauen drauf, dass wir nicht auf die Korallen treten, wir schauen drauf, dass wir keine Muscheln mitnehmen, wir schauen drauf, dass wir nichts berühren, dass wir nichts füttern, dass wir keinen Mist hinterlassen. Jetzt ist das wie bei allen Regeln, dass man auch einmal eine Ausnahme macht, ohne, dass man die ganze Regel sofort kübeln muss. Und während ich das stille Schweben im Wasser als die größte Herausforderung sehe und ich diesem Status der Nichteinmischung meine größte Aufmerksamkeit widme, muss ich zugeben, dass die eine oder andere haptische Erfahrung zu den besten Erinnerungen gehört, die ich unter Wasser gemacht hab. Auf dem einen Tauchgang sind wir besonders vielen Seeanemonen begegnet und ich hab den Tauchlehrer gesehen, wie er immer wieder einmal mit dem Finger durch die Anemone gestrichen hat. Ich hab mir einerseits natürlich gedacht, n-n-n: macht man nicht und auf der anderen Seite aber natürlich die Neugier, weil ich von den Seeanemonen doch nur weiß, dass sie doch irgendeine Verteidigungsgiftigkeit besitzen, weil sie doch den dagegen immunen Clownfisch beschützen, der sich in ihnen versteckt. Also Rätsel über Rätsel und die löst man am besten durch Experimentation. Hab ich bei der nächsten Gelegenheit also vorsichtig meinen Finger in die Seeanemone gesteckt und siehe da: es war ein bisschen wie wenn dutzende kleine Saugnäpfe von meiner Haut naschen. Also, das war nicht „ein bisschen wie“ sondern das war ziemlich genau, was passiert ist, das Gefühl ist so fremd, dass ein Gleichnis nicht viel weiterhilft. Nach einem anderen Tauchgang hat ein Sohn seiner Mutter die Erfahrung als weird but nice beschrieben und besser könnt ich s auch nicht sagen.

Aus dem Aquarium in Kagoshima. Vielleicht ist die Technik der Seeanemone ähnlich wie bei dem Seestern, der sich mit seinen Saugnäpfchen von der Aquariumswand nascht. Die biologische Verwandtschaft hört, wie ich eben nachgeschaut hab, bei den „Gewebetieren“ auf. Die Verwandtschaft zur Seeanemone ist also nicht näher als zu mir…

(1) Und ganz oben auf der Hitliste der Taucherfahrungen die akustische Erfahrung: hab ich einen Wal singen gehört. Es hat niemand besonders damit gerechnet, es wurde zwar immer wieder von Walen geredet, einfach weil Saison ist, aber zwanzig Minuten unter Wasser deutet mir der Tauchanführer, ich solle mal ins Meer hören und nachdem ich seine Gestik entziffert hab, hab ich tatsächlich sanft den Walgesang gehört. Der müsse so ein bis zwei Kilometer entfernt gewesen sein, hat s nachher geheißen. Aber ich war einfach überrascht, dass ich das so hören kann. Ich erinnere mich noch, als ich das erste Mal Walgesang gehört hab (das war auf einer Schallplatte, die einem Micky Maus Heft beigelegt war) und ich mir gedacht hab, dass das doch sicher irgendwie behandelt sein muss, damit man das hören kann. Diesen Gedanken hab ich nie so wirklich relativiert. Bis jetzt. Und jetzt hab ich mir noch gedacht, dass da sicher irgendwo der Ursprung für Sirenengesang drin steckt. Weil irgendeine alte GriechIn wird mal versucht haben, irgendwo einen Krebs hochzutauchen und dabei einen Wal gehört haben. Natürlich ohne ihn zu sehen. Ja, wer singt denn da so schön?, wird man sich gefragt haben. Na, das wird ja wohl eine halbnackte Frau mit einem Fischschwanz sein, war die naheliegende Antwort. Für mich kam der Gedanke vor allem, weil es ja durchaus gefährlich ist, in die Stille des Meeres hineinzuhören: Dafür muss man nämlich die Luft anhalten, weil sonst hat man die Ohren ständig mit dem eigenen Geblubber voll. Und was sie einem sagen, andauernd einbläuen ist, dass man nicht mit dem Atmen aufhören soll unter Wasser. Das hat vor allem damit zu tun, dass es einem die Lunge nicht zerreißt, wenn man sich in der Vertikalen bewegt und sich die Luft dort aufgrund des abfallenden Drucks im Quadrat aufbläht. Und natürlich ersticken, aber da kann man sich vielleicht eher auf den Instinkt verlassen. Jetzt liege ich also im Meer und halte meine Luft, um nochmal diesen Walgesang zu erwischen, weil das wirklich sehr schön ist, in so einer akustisch sonst eher unaufregenden Stunde, jemanden singen zu hören. Ich hab auch nichts mehr gehört.

Die Regeln der Internethitparaden geben mir die Möglichkeit, hier noch ein honorable mention unterzubringen: In der Tauchschule auf Tahiti waren die coolsten Mädels und Jungs und ich bin ja doch viel mit denen abgehangen, also jetzt nicht privat, aber so vorher/nachher ein bisschen auf dem Gelände rumsitzen, wenn grad Zeit ist. Und manche haben ein passables Englisch gesprochen und mit denen hatte ich auch nette Unterhaltungen. Und andere hatten weniger Englisch parat und da war alles ein wenig schwieriger. Die Lisa zum Beispiel, die hat gerade die Ausbildung zur Ausbildnerin gemacht und hat die schwierige Aufgabe bekommen, einen auszubilden, mit dem sie nicht viel gemeinsame Sprache teilt. Abgesehen davon, dass ich die ganze Tauchterminologie eh nicht kannte und von mir aus wäre es wurscht gewesen, ob ich jetzt den französischen oder den englischen Begriff für den Schlauch der von der Flasche zum Mundstück führt lerne. Aber so war da zu Beginn auf jeden Fall einmal wenig optionales Geplauder. Und auch wenn es unter Wasser überhaupt erst einmal etwas einfacher erscheint, weil man da ja eh nicht miteinander reden kann, setzt sich da mitunter die mangelnde Einschätzung des Gegenüber von der Oberfläche fort und dann ist man vielleicht weiterhin ein bisschen komisch. Es ist dann ein bisschen besser geworden, wenn man einander ein wenig einzuschätzen lernt und man sich nicht mehr so viel über die Fehler Sorgen macht, die man beim Reden vielleicht macht. Und dann gab s einen Moment, mein erster explorativer Tauchgang, wo sie mein Buddy gewesen ist und ich weiß nicht mehr was ich gedeutet hab, aber sie hat auf jeden Fall lachen müssen und das war einfach ein guter Moment, und ich hab mir gedacht, wie praktisch, dass ich mir das nonverbale Tauchen als Hobby ausgesucht hab. Abgesehen davon, dass es lustig ist, jemanden unter Wasser lachen zu sehen.

…or telling others to do so

Kokyogaien National Garden is a park for everyone.
To maintain a clean environment that is fun for everyone to use, please bear in mind the following

The following actions are strictly prohibited.
1. Picking or damaging flowers, trees or plants
2. Hunting, fishing and killing or injuring animals
3. Releasing or abandoning animals
4. Damaging or attempting to move buildings and other structures
5. Trespassing prohibited areas
6. Driving or parking vehicles other than in the designated locations
7. Discarding or abandoning trash, waste or other unclean items
8. Urinating or defecating anywhere other than the public toilets, or telling other to do so
9. Lighting bonfires or fireworks or other actions that could cause a fire
10. Bringing onto the premises hazardous materials or other items that may be dangerous to people
11. Swimming or bathing in ponds or moats
12. Playing ball games
13. Posting or installing advertisements or similar items
14. Soliciting donations
15. Other actions likely to annoy or inconvenience other users of the park, or other actions prohibited by park officials as contrary to the orderly management of the park

Actions requiring permission.
1. Sale or distribution of goods
2. Convening of meetings and demonstrations
3. Taking photographs or video in a professional capacity
4. Holding commercial events or running in a group
5. Releasing birds or fish into ponds or moats
6. Boating or sailing on ponds or moats, or telling others to do so

Violators of the prohibitions listed above me be ordered to leave the park.
If any of the above is unclear, please contact the Kokyogaian National Garden Office.

Kokyogaien National Garden Office, Ministry of the Environment

TEL 03-3213-0095

Bergschuhverwendung

Oft einmal packe ich meinen Rucksack und denke mir, die Bergschuhe… Nicht, dass man mich nicht gewarnt hätte. Ich hab die Stimme noch gut im Ohr, die mir geraten hat, vielleicht lieber keine Bergschuhe und wenn ich sie wirklich brauch schicken und sogar wieder zurückschicken. Die meiste Zeit rechtfertigen sie ihre Präsenz damit, dass ich in ihnen kleine bis mittelgroße Gegenstände auf- und vor Quetschungen durch die Verarbeitung im internationalen Flugverkehr -bewahre. Und natürlich sind sie eine gute Fokussierungsunterstützung, wenn ich meinen Gegenstandsfetisch reflektiere: Wie ich oft einmal versucht bin, meine Erfahrungen in Dinge zu projizieren anstatt – was weiß ich – die Erinnerung in mir selbst zu halten. Als ob der Schuh eigentlich das Abenteuer erleben würde, während ich mich selbst nur mitschleppe. Bisschen weniger davon und ich würde mein Leben und meinen Rucksack vielleicht weniger mit Zeug vollstopfen, zwischen dem ich kaum Platz hab.

Außerdem erinnern sie mich daran, dass ich gerade im Konsum öfter einmal einen Mittelweg gehen möge. Also: die zurückhaltendere, die weniger extreme Option zu wählen. Ich hab mich seinerzeit für jenes Modell entschieden, nicht zuletzt weil ich sie pompöser, erdiger, uriger und so für einen Bergschuh wohl archetypischer – quasi: hübscher – empfunden habe. Und in der Wirklichkeit hätte ein Modell „drunter“ für meine Ansprüche in der Regel gereicht, wäre etwas leichter, vielleicht auch in weniger extremen Situationen tragbar und insgesamt etwas flexibler einsetzbar. (Ähnliches gilt für meinen Rucksack, wo ich mich zwar eh bereits für eine Nummer kleiner entschieden hab, aber zurückblickend wäre noch eine Nummer kleiner besser gewesen.)

Alles in allem leisten sie zumindest ihr Gewicht, weil ich bin ja auch zum Nachdenken hier.

Nach den ersten paar Tagen in Tokio, bin ich also einmal raus auf s Land gefahren: Fujiyoshida. Das ist nett, ein bisschen wieder in der Kleinstadt, da sehe ich mal ein bisschen, wie das so ist. Mit den kleinen Häusern und den größeren Vorgärten und den Straßen mit Gegenverkehr.

„Die graphische Umsetzung macht die Schachtabdeckungen als archaische Gestaltungen inmitten hochtechnisierter Urbanisationen sichtbar. In diesem Sinne bedeuten diese Ferrogramme von Christoph Feichtinger ein Kulturzeugnis, das Stammesmustern unserer modernen Zivilisation entspricht.“ [X]

Nachdem ich mit der Hostelangestellten ein bisschen über die Möglichkeiten einer Fujibesteigung gelpaudert hab, schaut s so aus, als würde ich die Be- und Absteigung in einem Aufwischen erledigen. Von meiner Reiseführerinformation her, dauert der Aufstieg um die sechs Stunden, der Abstieg drei und es gibt Unmengen von Übernachtungsmöglichkeiten auf der Route. Also geht man hoch, bleibt über Nacht und sieht noch den Sonnenaufgang vom Fuji aus bevor man sich talwärts aufmacht. Oder eher noch gipfelwärt s eigentlich, weil die Übernachtungen sind ja auf der Route hinauf.

Aber ja, das sind alles Details, die ich kaum wusste. Gelernt hab ich schnell, dass ich zwei konsekutive Nächte gebucht hatte und das Hostel am Freitag dann sowieso ausgebucht sei. Und überhaupt: Wetterberichtsmäßig ist da zwar eine Gewittermöglichkeit für Donnerstag, aber für Freitag schaut s nicht besser aus mit Regen. Und sie ginge auch am Donnerstag, allein deshalb schien sie schon anzunehmen, dass das Wetter am Donnerstag besser sei. Also gut, denk ich mir nach ein bisschen Hätte-ich-echt-auch-mal-im-Vorfeld-besser-auschecken-können, geh ich halt morgen in der Früh, warum nicht. Und komm am gleichen Tag wieder runter, warum nicht. Neun Stunden Berg ist jetzt nicht so das Ding, ich muss nur schauen, dass ich nicht im Dunklen herumstolper. Aber der erste Bus geht um zwanzig nach sechs, das ist kein Aufwand, das gibt mir Zeit.

Weil es ist nämlich so. Der Fujiyama ist in mehrere Stationen unterteilt. Und an den meisten Stationen findet sich eine Übernachtungsmöglichkeit, aber vor allem geht man erst bei Station Nummer Fünf los. Es gibt insgesamt neun oder wahrscheinlich ist der Gipfel dann zehn. Aber der Bus schupft einen auf fünf und dann geht man dort los. Und ja, die Saison endet in der zweiten Septemberwoche, danach werden die Hütten eingestellt und die Sicherheitsvorkehrungen kehren sich ab und überhaupt geht der Fuji in Winterpause. Man kann schon rauf, aber es wird einem halt abgeraten.

Damit ich fit für den Aufstieg bin, der sich wie übereilt beschlossen anfühlt, geh ich eine Runde spazieren und lande in einem Soba Lokal. Und wenn man in den Neunzigern Leute mit der Idee rohen Fischs auf kaltem Reis mit Algen vielleicht verwirrt hat, so klingt die Idee kalter Buchweizennudeln jetzt auf den ersten auch nicht nach einem super Konzept. Aber natürlich ein bisschen hier, ein bisschen da und dreihundert Jahre Tradition, da ist schon was dahinter. Das witzige an dem Lokal war auch, dass es von außen fast schick ausgeschaut hat und ich einmal vorbeigelaufen bin, weil ich mir gedacht hab, nah, das ist zu schick jetzt. Und dann bin ich rein und der Eindruck von innen war gleich ganz ein anderer. Weil es wesentlich privater gewirkt hat, als erwartet. Vielleicht weil der Fernseher in der Ecke gelaufen ist, vielleicht weil neben den fünf „europäischen“ Tischen auch eine Plattform mit traditionellen Tischen gestanden ist, die den Raum ein bisschen gebrochen hat, vielleicht wegen der vertrauten Art, mit der die Gastgeberin (1) mit den drei anwesenden Gästen umgegangen ist. Letztlich war s wahrscheinlich einfach der Stapel Papier, der neben der Theke auf einem kleinen Kasterl gestanden ist, der dem ganzen so sehr eine Arbeitszimmeraura verliehen hat.

Teil meines Jausenpakets: ein Onigiri, Wasabi-Nori Geschmack. Wie vieles hier aufwendig verpackt, aber ich freue mich zumindest, dass ich mit dem Einkauf eine cool choice getroffen hab

Jedenfalls bin ich am nächsten Morgen um fünf aufgestanden. Das ist weniger ein Problem, das ist immer weniger ein Problem. Einerseits bin ich wahrscheinlich einfach ausgeschlafener, aber ich traue mich zu sagen, es funktioniert das mit der Motivation auch besser. Mit der Verantwortungsübernahme. Vielleicht auch der Rhythmus insgesamt, ich glaub, um neun war ich am Vorabend schon abgemeldet. Zum Frühstück gibt s eine doppelte Portion aus meiner Riesenkiste Instantporridge und eine schnelle Tasse Tee. Außerdem füll ich mir Tee in die Thermosflasche, weil… ja, ist ja kalt da oben. Im nächsten Moment hab ich mir gedacht, das ist ein Blödsinn, weil in der Thermoskanne bleibt das ja heiß und das braucht wahrscheinlich meine neun Stunden, bis das so weit ausgekühlt ist, dass ich s trinken kann. Zum Glück finde ich ein paar Pappbecher, von denen ich schnell mal zwei in den Rucksack werfe. Und dann frag ich mich den halben Aufstieg lang immer wieder, ob man einen Berg so schnell hochklettern kann, dass das Wasser in der Thermoskanne zwar auskühlt, aber wegen dem Druckabfall am Gipfel tatsächlich wieder kocht. Ich denk viel mehr über Druck nach, seit ich meinen Open Water Tauchschein gemacht hab.

Der Bus ist gut und der Vorteil an Fujiyoshida im Gegensatz zum etwas größeren und etwas touristischeren Nachbarort, dass wir die erste Station sind und gut Sitzplätze bekommen. Weil als wir in Kawaguchiko ankommen, steht da eine lange Schlange an der Busstation von der tatsächlich zehn, fünfzehn Leute keinen Platz mehr im Bus bekommen. Ja, was ist denn mit denen, frage ich mich, während ich aus meinem Fenster auf sie herunterblicke und in ihren Gesichtern die selbe Frage, etwas dringlicher, geschrieben steht. Witzig ist aber auch, dass wir Fujiyoshidas erst einmal aussteigen müssen, ein Ticket kaufen und dann wieder einsteigen. Und als wir dann alle Sitze in unserem Bus besetzt haben, werden entlang der Gangreihe jeweils noch ein Sitzplatz ausgeklappt und dann gehen sich nochmal zwanzig Leute aus. Aber nicht die, die noch draußen stehen. In einer liebevollen Aufopferung deutet eine Frau, die noch in den Bus dürfen hätte auf ihren Partner, sodass auch ich hinter meinem Fenster verstehe, sie geht nicht ohne ihn. Ich glaub, sie wollte ihn mithaben. Tatsächlich ist sie halt dann dageblieben.

fünfte Station: Die transnationale ästhetische Gleichgültigkeit von Mittelstationsarchitektur

Bis zur fünften Station ist es eine Stunde Fahrt in unserem bis auf den letzten Platz und dann noch ein paar mehr gefüllten Bus. Und dann ein bisschen ein Schock, na sagen wir eine Überraschung, weil die fünfte Station wie ein ganzes alpines Feriendorf daherkommt. Oder zumindest Alpines-Feriendorf-Hauptplatz. Und gleich einmal wieder die Verführungen des Konsumismus und ich ja auch tatsächlich als erstes gleich in den Shop abgebogen. Weil aber nicht von ungefähr: Weil in Kawaguchiko stand ein junger Mann in der Schlange, der hatte einen schicken Wanderstab. Und weil wir quasi im Skandinavien Ostasiens sind, handelt es sich um einen schlichten, geraden, hellholzigen und etwas zu langen Stock. Da hab ich mir schon gedacht, oha, das gefällt. Ich steh ja sowieso auf Wandern am Stock. Und natürlich bieten die Shops am AFH-Platz mir solche Stecken hunderfach an. Mit Fahnen und mit Glocken. Aber ich widerstehe und schüttel den Instinkt zu kaufen ab. Ich find mir schon einen praktikablen Stab am Weg, denk ich mir, übersehend, dass wir halb einen aktiven Vulkan (letzter Ausbruch: 1707) hoch sind und ich nach der ersten Stunde nur noch durch Schutt und Geröll stapfen werde.

Dann zahle ich noch die obligatorische Spende von tausend Yen für die Erhaltung des Gebiets und zack-zack, jetzt muss ich langsam in die Gänge kommen. Noch dazu wo ich die vier deutschen Burschen vermeiden möchte, die bereits seit Fujiyoshida mit mir Schritt halten. Da hätte ich gerne nach vorne oder nach hinten ein bisschen einen Abstand. Bloß so! Ich hab nichts gegen deutsche Burschen, aber für s allein gehen ist es angenehmer, die nicht in Hörweite zu haben. Oder so.

Es gibt insgesamt vier Routen auf den Fuji rauf, für mich, von meiner Seite wären zwei in Frage gekommen und ich hab das kurz überlegt, aber nachdem der Bus zur fünften Station vom Yoshidaweg führt hab ich mich der Einfachheit halber für den, den populärsten entschieden. Und ja, man kann nicht verloren gehen. Zu Beginn steh ich einmal kurz mit Zweifeln vor einem Schild, das die Climbing Route ausweist und ich nicht sicher bin, ob ich zum Klettern hergekommen bin. Aber nachdem mir Leute mit Kindern von dort entgegenkommen, denke ich mir, so schlimm kann s nicht sein. (Die Wahrheit, die mir in der Situation verdeckt bleibt, ist natürlich, dass das der Aufstiegsweg ist und wenn jemand den Aufstiegsweg runterkommt, dann haben sie umgedreht, weil s zu schlimm geworden ist.) Also rauf.

Ich mein, das ist literally da, wo die Route anfängt. Nicht nur bereits oberhalb aller umliegender Gipfel, auch über der Hälfte der Wolken

Die Aussicht ist schon beeindruckend. Nachdem wir ja schon ein gutes Stück auf den Berg hinauf sind, stehen wir bereits höher als die umliegenden Berge. Die hohen Berge hat Japan alle in einem Eck, das die Japanischen Alpen heißt und wieso heißen die immer noch so, das gibt s doch nicht, dass das Gebirge nur diesen Kolonialnamen bekommen hat. Aber nachdem der Fujiyama ja ein Vulkan ist, steht er so allein zwischen gar nicht so hohen Bergen. Und nachdem wir auch schnell einmal aus dem Wald raus sind, ist die Aussicht mehr oder weniger alles, was man hat. Weil es ist keine schöne Wanderroute in dem Sinn. Es ist, wie gesagt, Schutt und Geröll und das ganze hat die eine oder andere Zivilingenieurin am Hang befestigt und man geht dann in einem engen Zick-Zack einfach den Berg hoch. Zwischendurch eben ab und zu eine Zwischenstation an der einem eine Bechersuppe, eine Flasche Wasser oder „Snickers“ verkauft werden – letzteres ist, wenn ich die Zeichen richtig interpretiert habe, Code für eine Handvoll Nussvariation. Außerdem gibt s an nahezu jeder Hütte auch für zwei-, dreihundert Yen einen Stempel zu kaufen. Hier beginne ich langsam die Wanderstabkultur zu verstehen und erkenne nahezu mit Dankbarkeit, was für eine gute Entscheidung es gewesen ist, ohne aufzubrechen. Auf jeder Hütte kann man sich einen Stempel – ich glaube, die werden tatsächlich in das helle Holz gebrannt – in den Stab drücken lassen. Natürlich kann man sagen: schönes Souvenir. Aber ich seh zuerst einmal, dass man hier weiterhin konsumiert. Und zwar im Halbstundentakt. Und schließlich ergeben auch die zwanzig Zentimeter langen Staberl, die man alternativ zum zwei Meter Wanderstab erstehen konnte, einen gewissen Sinn. Und natürlich könnte man auch nächtigen. Aber wenn es mir in der Planung seltsam vorgekommen ist, dass man nicht einmal in der Nähe des Gipfels übernachtet, dann steigert mein tatsächlicher Aufstieg nur dieses Unverständnis. Außerdem bin ich flott unterwegs, die Stunden verfliegen und ich fliege schneller als die Stunden, die auf den Schildern die Entfernungen angeben.

In der Situation selbst hat das viel extremer gewirkt, wie s da oben stürmt und mit welcher Geschwindigkeit der Wind da über den Fujiyama bläst. Aber schön, dass ein bisschen Himmel zu sehen ist.

Es ist schon dicht am Weg. Also, wir hängen nicht hintereinander, aber man ist nie allein. Nicht alle sind derartige Quatschköpfe, wie sich die – stellt sich heraus süddeutschen – Burschen dankbarerweise berechtigterweise herausstellen, die meisten gehen schweigsam, vor allem im Mittelfeld. Unten haben manche noch zu viel Energie und oben, oben werden viele sehr ausdrucksfreudig. Auf den letzten eineinhalb Kilometern verdichten sich die Schilder, wie weit es noch bis zum Gipfel sei, bis dass mir dann alle zweihundert Meter angegeben wird, dass es zweihundert Meter weniger sind. Das ist nicht schlecht, weil obwohl der Anstieg so linear verläuft, versteckt sich der Gipfel zumeist in einer Wolke und die Entfernung ist deshalb kaum einzuschätzen. Und es drückt jetzt schon ganz schön in den Wadeln. Ich hab von den sechs etwa eineinhalb Stunden abgezwickt, aber das hat mich schon auch gekostet. Das Ziel, stellt sich heraus, ist auch gar nicht so sehr der Gipfel sondern ein Schrein. Und so gehen wir durch ein so ein symbolisches Tor durch, in dessen Holz die Leute kleinwertige Münzen hineingedrückt haben, und durch ein zweites. Und dann sind auch die letzten zweihundert Meter geschafft und der Wind hat zugenommen und der Nebel ist auch etwas dichter und die Finger werden kalt. Und dann gehe ich nicht nach links, zum Schrein, zu den Bänken und den windfangenden Gebäuden, sondern nach rechts, weil s dort mehr nach Gipfel ausschaut. Egal ob s a berg oda-r-a madl is / aufi muass i, de’es is gwiss, singt Alfred Dorfer in meinem Kopf. Und ich weigere mich dagegen, dass es eine Bezwingermentalität ist, die die Gipfelgier in mir schürt, ich glaub, das ist nicht intrinsisch.

Stapf, stapf, durch s Tor durch. Und im Tal liegt der Tamanaka See

Und jetzt, am Gipfel, wenn man zweitausend Meter höher ist, als irgendwas anderes in der Umgebung. Da geht ein ziemlicher Wind. Und da kondensiert der halbe Himmel und es nebelt, dass es mit der Hälfte auch bald einmal genug gewesen wäre. Aber wen finde ich natürlich ebenfalls den orkanhaften Gipfelverhältnissen trotzend oberhalb des Schreins? Meine deutschen Plaudertaschen. Und so kauere ich hinter einem Felsen, zu dem ich in einer kurzen Windstille vorgeprescht bin, um einen Blick in den Krater zu werfen. Ich kann tatsächlich nicht aufstehen, weil mich der Wind mitnehmen würde und meine Finger sind bereits so durchfroren, dass ich Schwierigkeiten habe, die Clips an meinem Rucksack zu öffnen oder zu schließen. Nicht, dass ich mir einen Tee einschenken hätte wollen, bei den Verhältnissen, aber ich hab mich mit einem getrockneten Tintenfisch belohnt, den ich mir als Gipfeljause im Geschäft gekauft hab: Gewöhnungsbedarf vorhanden, aber natürlich motiviert die Situation zum Genuss.

Den asiatischen MitwandererInnen scheint die ganze Gipfelgeschichte relativ egal zu sein. Ich mein: relativ. Weil das Erreichen schon Begeisterung auslöst. Auf den letzten Metern berichterstatten immer mehr Leute ihrem Selfiesticktelefon den Höhepunkt, auf den sie sich stetig zuarbeiten. Das, denke ich mir, das ist wie diese Selfieunfälle passieren. Weil man fragt sich schon, warum doch viele Leute dabei zu Tode kommen, von sich selbst ein Foto aufzunehmen, auch wenn sie neben einer Schlucht stehen. Aber hier sehe ich, das sind wahrscheinlich eher diese Leute, die sich während der Strapaze selbst noch im Bild halten und ihrem Telefon erzählen, wie anstrengend oder super die aktuelle Situation ist. Und nachdem letzten Tor, das das Ziel des Aufstiegs symbolisiert (nicht der Gipfel), höre ich viele Ausrufe der Dankbarkeit. Aber vielleicht ist das auch das einzige, was ich verstehe. Ich mein, ich kann sagen, dass sie nicht Guten Tag gerufen haben oder Auf Wiedersehen. Oder von eins bis zehn gezählt haben. Weil das ist es mit meinem Japanisch. Aber interessant schon, denke ich mir, wie das mit der Dankbarkeit in verschiedenen kulturellen Kontexten ist. Natürlich, ich mach gleich wieder einen kulturellen Kontext daraus anstatt einem Menschen zugehört zu haben, der auf japanisch Dankbarkeit für die Wegbeendung ausgedrückt hat. Und dem stell ich die alte Frau gegenüber, die in Maria Alm gesessen ist und als man sie fragt, ob sie stolz auf ihren Sohn sei, weil der diesen oder jenen Erfolg vorzuweisen hat, hat sie gemeint, nein, nicht stolz, nie stolz. Dankbar sei sie. Weil Gott und so. Und dann denke ich mir, dass so viele Aspekte des Lebens in Europa von Institutionen vereinnahmt und beansprucht worden sind und diese Institutionen, wie man in den letzten hundert Jahren dann zunehmend kritisch feststellt, eine lange Geschichte gewissen Fehlverhaltens besitzen und wir uns vielleicht mal mehr, mal weniger davon zu distanzieren beginnen. Von einer lustfeindlichen Kirche, von einem rassistischen Imperialismus, von einem entmündigenden politischen Autoritarismus. Mehr oder weniger. Und dann leidet vielleicht auch einmal die Dankbarkeit, weil vor lauter den Patriarchen dankbar sein und den Patriarchen dankbar sein müssen vielleicht die Wertschätzung einer Situation oder eine Hilfeleistung ein bisschen aus der Übung gegangen ist. Ein schwieriges Verhältnis zur Dankbarkeit, aber zu Recht.

Nachdem ich vom Philosophieren im selbstverschuldeten Kraterrandexil zurück in den relativen Windschatten geschafft habe, hock ich noch ein bisschen in der einen oder anderen herum und versuche durch die altbewährte Methode des Teetassehaltens wieder Wärme in die Finger zu bekommen. Ich krieg nach wie vor mehr Kiesel in den Tee geblasen als Lebenskraft in die Fingerspitzen, aber es tut sich was, ich werde alle meine Finger behalten können. Und dann noch ein bisschen Tintenfisch.

Von links nach rechts: der Schotter (-) und die Aussicht (+)

Aber ja, was tut man dann, wenn man am Gipfel ist? Man belohnt sich mit dem, was man sich bis dahin vorenthalten hat und wenn es nicht so zugenebelt wäre, dann werfe man einen Blick in die Umwelt. Durch den Nebel gestarrt zeigt sich bloß, dass mich mein Kraterrandsbesuch sicher nur auf bis zu zwanzig Meter unterhalb der höchsten Kraterrandsstelle geführt hat, das sind so die Schwierigkeiten mit einem kreisrunden Gipfel. Es reicht jetzt allerdings, ich begnüge mich mit einem Blick in die Richtung des Fujihöhepunkts und folge den Abstiegspfeilen.

Es geht flott, dass man wieder aus dem Ärgsten heraus ist. Aber dann wird s halt nochmal wirklich öd. Weil hier wiederum mehr Schutt und Geröll, die Serpentinen sind großzügiger aber Einschätzung für die Wegdauer ist dafür etwas entsprechender und es sind halt drei Stunden bergab stapfen. Ich will nicht sagen, dass es erst hier ist, dass die Bergschuhe nun wirklich zu leuchten beginnen, aber natürlich sind stabile Fesseln schon etwas wunderbares, wenn man so vor sich hin stolpert. Auch die Knie machen keine Spompanadeln, da hat mir einmal das linke ein bisschen belastet gewirkt und dann kurz darauf das rechte und ich hatte vergessen, dass es vorher das linke gewesen ist und hab mir gedacht, das sei immer noch dasselbe Knie und dann hab ich mich erinnert und mir gedacht, das ist wohl nicht so schlimm für die Knie, wenn sie sich abwechseln und ich merk s nicht einmal. Und weil der Geist frei ist, begeistere ich mich jetzt noch ein bisschen für die Geologie, hebe mal hier mal da einen Stein auf und freue mich über Formen und Farben des Vulkangesteins. Weil das ist irgendwie schon was tolles, wenn man einem Stein ansieht, dass er vor nicht allzu langer Zeit noch flüssig gewesen ist.

Na und dann bin ich wieder auf der fünften Station. Von halb acht bis dreiviertel drei, sieben und eine dreiviertel Stunde. Und nachdem um kurz nach drei der Bus mich bereits wieder nach Fujiyoshida geschupft hat, war ich um fünf schon frisch geduscht, den Kies großteils aus dem Rucksack gebeutelt und sogar die Steine, die ich mir als Andenken vom Gipfel mitgenommen hab, in den Mistkübel entsorgt, so sehr hatte ich das Adrenalin bis dahin abgebaut. So vom Gehen her, war s schon recht gut, auch wenn es insgesamt ein bisschen mehr eine spirituelle Erfahrung ist, in der relativen vulkanischen Einöde in den Wind hinauf zu stapfen und dann auf dem Forststraßenäquivalent wieder runter. Vielleicht war s ein Pech, dass das Wetter oben so stürmisch gewesen ist, auf der anderen Seite war s ein Wahnsinnsglück, dass das Wetter überhaupt so gut war, weil Freitag hat s dann tatsächlich noch geregnet und das ist sicher kein Spaß.

Aber nicht alle Wolken sind schlecht. Hier ist eine hübsche Altocumulus lenticularis, die den ganzen Tag lang über unserem Aufstieg gehangen ist

Und weil s ein Vulkan ist, gibt s auch Thermalquellen in der Gegend. Und da bin ich am nächsten Tag noch hin und hab mir eine Runde Onsen gegeben. Das gehört irgendwie noch dazu, weil da sind zwar keine Bergschuhe mehr im Spiel gewesen, aber ich war schon ein wenig muskelverkatert am nächsten Tag und da ist so ein Warmbadetag gerade das richtige.

Auch hier gibt s einen Shuttlebus, der mich von der Station abholt. Ich bin allerdings ein bisschen schlecht organisiert für diesen Ausflug, stelle ich fest. Ich hab einen Bus zu erwischen, der mich nach Tokio zurückbringt und dadurch komm ich fast ein bisschen in einen Zeitdruck, weil der Shuttlebusrhythmus so ein Klumpert ist. Ich hab schon gesehen, dass der Onsen nur vierzig Minuten entfernt ist, also: zu Fuß. Was ich nicht gesehen hab, ist, dass es nur noch zwanzig von der Busstation sind und ich nicht zwanzig Minuten hätte warten und dann zwanzig Minuten in die entgegengesetzte Richtung chauffieren hätte lassen müssen, bis der Kreisverkehr mich zurück an den Onsen gebracht hat. Pfff! Ach ja, weil nachdem der Bus beim Onsen selbst gar nicht mehr gehalten hat, bin ich von der vorletzten Station dann eh nochmal zehn Minuten gegangen.

Onsenonsenonsenonsen.

Zwischen dem Onsen und Fujiyoshida liegt ein Vergnügungspark mit verrückten Hochschaubahnen. Für mich blöd, weil ich um den Park herumgehen musst, was mir zwanzig Minuten Wegzeit beschert hat. Zwanzig Minuten Wegzeit und eine halbe Minute Panikakustik. (Zu der man sich jegliche Bewegung auf der Hochschaubahn selbst vorstellen muss – es ist nur ein Foto.)

Jetzt interessant auch, dass ich schon bevor ich mir eine Eintrittskarte kauf, meine Schuhe in einer Kiste lassen muss, auf deren Schlüssel ein Chip ist, den ich beim Rausgehen lesen lassen muss und zahlen, damit ich wieder raus kann. Es handle sich alles um bargeldlosen Bereich. Was irgendwie logisch ist, weil wo soll man s denn aufbewahren. Nein, keine Taschen, keine Hosen. Ich krieg ein kleines Handtuch und das stellt sich als sehr vielseitig heraus. Sonst lasse ich alles im nächsten Spind, und während ich noch den japanischen Bademantel anziehe, den ich ebenfalls ausgeborgt bekommen hab, dreh ich nach einem Blick durch die automatische Schiebetür wieder um und zu meinem Spind zurück. Den brauch ich hier nicht.

Jetzt. Da ist schon viel Nacktheit in so einem Onsen. Wir sind natürlich nach Geschlechtern getrennt, das fängt schon vor dem Kassenbereich (obwohl dort ja keine Kassen sind, ist wohl mehr ein Informationsbereich) an, dass die Schuhkästchen für die Frauen und die Männer getrennt sind. Und dann im Bad ist nicht so schlecht, dass hier in Japan Frauen und Männer selbst auf Toiletten immer auch farbcodiert sind, also Frauen alles rosa (mit einer Tendenz zu rot, ich betrachte das als das in dieser Hinsicht progressive Japan), Männer alles blau. Und so bin ich zumindest da zielstrebig. Mit meinem ersten Schritt ins Bad bin ich mit so viel neuem konfrontiert, gleich mal Kardinalfehler. Nicht, dass ich ganz ohne mich zu waschen ins erste Becken gestiegen bin, aber ich hab mich mehr ein bisschen nur so aus einem großen Bottich überschüttet, mehr rituelle Waschung. Während direkt daneben Duschen mit Seifen und Shampoos gestanden sind. Und die sind ja nicht einmal uneinsichtig oder besonders stabil von einander getrennt. Da sitzt man ja wirklich nebeneinander. Und man ist zum Waschen da. Dafür sind nämlich dann auch die Bademäntel, weil dann macht man sich Umkleidekabinenbereich noch hübsch, nicht nur Frisieren (sind das drei Sorten Haargel?) sondern auch Rasieren.

Aber ja, die ersten Minuten verbringe ich damit, mich über meinen Faux Pas zu sorgen, während ich die verschiedenen Bäder erkunde. Von der Architektur fand ich s auch schnell einmal interessant, weil die Männer und Frauen zwar getrennt, aber unter dem gleichen Dach sind. Und die Trennwand geht nicht bis zur Decke und so hören die einen die anderen und umgekehrt. Da kam mir schon manchmal vor, dass da drüben mehr gelacht würde als bei uns herüben, wo sich Männer ehrfürchtig vom Schlafbecken, ins aromatisierte Wasser, in die Sauna, auf die Liege bewegen. Aber dann kam eine Gruppe junger Zwanziger und ich hab mir gedacht, das ist schon sehr seltsam, weil die auch gar nichts vor einander versteckt haben, wenn sie da gemeinsam durch die Becken gestiegen sind. Ja, der eine saß sogar sehr offenbeinig am Beckenrand, während seine Kumpels bis zu den Schultern im Wasser untergetaucht waren. Das sind womöglich eigene Verhältnisse, die man da zu seinen Kollegen hat, wo das nicht mal kommentiert wird (worden scheint). Na, die haben auf jeden Fall auch manchmal ein bisschen einen Wirbel gemacht und haben diese Frau-Mann-Differenzen-Beobachtung relativiert.

Gibt s doch ein Bild aus dem Onsen, halt ohne Leute

Aber selbst der freizügige Freikörperumgang gleichgeschlechtlicher Twens hat mich weniger überrascht, als einen Fernseher in der Sauna zu finden. Dass die Sauna keine Saunaofen hatte, das ist das eine, das sind einfach unterschiedliche Saunatraditionen. Aber während im ganzen Bad verhältnismäßige Stille oder generische Massagetherapiemusik gespielt wird, kann man ausgerechnet in der Sauna dann Vormittagstalkshows schauen. Das kam mir seltsam vor. Und wie timed man seine Saunazeit, sans Aufguss? Bis zur nächsten Werbeunterbrechung? Well, I guess einfach bis man genug hat.

Zwischendurch kann man sich ein bisschen mit seinem kleinen Handtuch abtrocknen oder auf dem Weg von Becken zu Becken die eigenen gentleman vegetables verdeckt halten. Oder sich damit beim Waschen abschrubben. Wichtig ist, dass es dadurch zu einem persönlichen Gegenstand wird, den man nicht mit ins Becken nimmt. Traditionell hat man s einfach auf dem Kopf, weil der geht auch nicht unter Wasser. Aber oft genug legt man s einfach auf den Beckenrand. Da ist es gut aufgehoben. Das faszinierende ist aber doch, wie das Handtuch nass funktioniert und nach dem Auswringen tatsächlich noch gut genug zum Abtrocknen ist. Das ist schon faszinierend irgendwie. Ich mein, der ganze Onsen war angenehm warm und das ist wohl nicht nur das Thermalwasser sondern auch der Spätsommer, vielleicht ist das im Winter ein bisschen kritischer mit der Lufttemperatur. Aber ich kann mir vorstellen, dass es insgesamt schon angenehm warm ist, auch wenn s draußen winterlt.

Nachdem s bisschen abgeregnet hat, hat sich der Fujiyama auch am Freitag nochmal gezeigt.

So war das. Es war weniger aufregend als die vulkanischen Bäder in Neuseeland oder Indonesien, wo dem heißen Wasser der Geruch von Schwefel und anderen Gerüchen aus den Tiefen der Erde anheften. Um es mit einer für meine Japanbeschreibungen langsam aber sicher ausdrucksschwachen Beschreibung zu sagen: es war hübsch und schlicht, durchaus gemütlich. Und auf jeden Fall praktikabel. Wie gesagt, ich bin da mit der ritualisierten Waschung hineingegangen, aber es erschien in der Praxis wirklich etwas, wo nach wie vor der Aspekt der Hygiene eine zentrale Rolle spielt. Während man sich bei uns im Bad die Chancen dafür, dass man sich was einfängt in der Regel höher wirken, als dass man sich was auskuriere.

Hat jetzt nix besonders mit was anderem zu tun, nur weil ich den in Fujiyoshida gesehen hab: Ich einen Moment sehr überrascht darüber, dass es Zigarettenautomaten gibt, dass Zigaretten so hemschwellenfrei verfügbar sind. Mir ist dann sehr schnell eingefallen, dass es das bei uns ja total viel gibt

Nachdem ich ein letztes Mal im künstlich karbonisierten Wasser gelegen bin (weniger aufregend als man denkt), hab ich mich wie selbstverständlich auf meinem Schemel gewaschen und hab mich dann mit dem gleichen Handtuch abgetrocknet, mit dem ich mich gerade gewaschlappen hab. Und dann bin ich zu Fuß ins Hostel, wo ich noch kurz mit der Rezeptionsbesetzerin über ihren Abstieg im Regen geplaudert hab und dann wieder zurück zur Busstation. Dort noch schnell eine Schüssel Udon gelöffelt und nach zwei Stunden Autobahn wieder im vertrauten Tokio. Ich lauf trotz aller Vertrautheit sofort in die falsche Richtung. Nicht einmal sofort: nach minutenlanger Überlegung und Telefonrotation marschier ich zielstrebig los um dann festzustellen, dass ich absolut in die falsche Richtung unterwegs bin. Und for the sake of Textstrukturierung ist das ein guter Punkt um festzustellen, dass es gut ist, dass man s auf einem Berg schnell einmal merkt, wenn man in die falsche Richtung unterwegs ist.

The world was young, the mountains green…

Nachdem ich Mo’orea zum ersten Mal so ausgesprochen hatte, wie die FranzösInnen das tun, den Akzent also nicht auf s e gelegt hab, sondern auf das in der Praxis zusammengezogene o’o, hab ich s nicht mehr aus dem Kopf bekommen, wie sehr das nach Durins gefallener Festung klingt. Aber es ist kaum der finstere Abgrund, den uns Tolkiens Etymologie von Moria glauben lassen möchte. Mich auf die besungene Hochzeit Khazad-Dûms beziehend, gibt es hingegen auf jeden Fall eindrucksvolle Berge und grün sind sie auch. In der Praxis sind meine Versuche, das fotografisch festzuhalten, leider bisher gescheitert. Ich bin allerdings wirklich ab und zu hingerissen genug, um auf der Straße stehen zu bleiben um an den Straßenrand zu fahren und vorsichtig anzuhalten um mich umzuschauen und festzustellen, wie toll das aussieht.

Für TahitianerInnen ist Mo’orea quasi das Abendland

Ich bin am Dienstag nach Mo’orea aufgebrochen. Das ist die Nachbarinsel von Tahiti, ein schönes Stück kleiner und auch gelassener, wie die Reiseführer gerne sagen. Ich erlebe es jetzt vor allem einmal als touristischer, aber das ist wohl einfach weil alles ein bisschen enger beieinander ist und sich auf der Straße die Einheimischen, die Hilton- und Sofitel-Leute sowie die Rucksackmenschen einfach mehr mischen. Das fällt zum Beispiel auf, wenn mir auf der Straße ein Konvoi Quadbikes mit fröhlichen TouristInnenpärchen entgegenkommt. Oder Familien die sich in Golfbuggies den Weg bahnen. Das ist ein bisschen seltsam, weil irgendwie ist dadurch die ganze Insel ein einziges Ressort, wenngleich halt so offen, dass alle in dem Ressort Platz haben.

Schau wie schön!

Ob es auch für mich ein bisschen mehr Urlaub ist, insofern, als dass ich mir hier jetzt mehr Freizeitaktivitäten organisiere als ich das auf Tahiti gemacht habe, das kann ich nach dem zweiten vollen Tag noch nicht wirklich sagen. Es gibt ein Belvedere, für das ich ein bisschen in den Berg hineinsteigen muss und dann eine kleine und eine große Runde mit schönen Aussichten und bisschen Tropen. Und es gibt Schnorcheln und Kayaken und Badestrände. Ich bin auf jeden Fall nur mit Minimalgepäck unterwegs und habe den Rucksack bei den MitbewohnerInnen auf Tahiti gelassen. Das ist schon ein ziemlicher Qualitätsunterschied! Ad Freizeitgestaltung hab ich mir jetzt einmal ein paar Tauchgänge organisiert, besonders beworben werden die ansässigen Zitronenhaie, von denen es einen Haufen geben soll. Auf Tahiti hab ich hingegen letztens einen Grauhai nur verpasst. Die Lisa hat nach mir gerufen, aber wenn ich fünf Meter entfernt bin und in die andere Richtung schau, ist es unter Wasser nicht so einfach, meine Aufmerksamkeit erregt zu bekommen. Endlich Blickkontakt hat sie mir noch in die Richtung gedeutet, aber es hat dann noch eine halbe Stunde gedauert, bis ich sie fragen konnte, was sie mir da eigentlich deutete, weil zu sehen war nichts mehr gewesen. Außer das Meer.

Und da hab ich bei einem anderen Tauchgang hineingeschaut, so, dass ich nur Blau gesehen hab, keinen Boden, keine Oberfläche. Da ist mir schon etwas schwummrig geworden und ich hab mich bemüht, meine 360° schnell fertig zu drehen, damit ich wieder die Wand im Blick hab, neben der wir entlanggetaucht sind. Es ist schon seltsam, mit so einer unspezifischen, unstrukturierten Unendlichkeit konfrontiert zu sein. Und natürlich kann man das auch schnell einmal auf das Leben ummünzen, wenn man meine Reaktion, mich schnell davon abzuwenden, in eine Form gießen möchte. Im gleichen Tauchgang hat uns übrigens auch ein Barrakuda verfolgt, der war sicher zwei Meter lang. Und hier war s dann eher ein Segen, dass wir uns unter Wasser nur schwer verständigen können, weil der Gaylord hat dann gesagt, er hätte ihn vertrieben, der sei einfach zu nahe gekommen. Unschuldslamm, das ich bin, hab ich natürlich nicht geahnt, dass es sowas gibt, wie „der Barrakuda zu nah“. Ich hatte durchaus ein bisschen Bauchmulm, als der ein paar Meter entfernt dann vorbeigeschwommen ist. Aber gleichzeitig hab ich mich an dem Gedanken festgehalten, dass alle Gefahren statistisch sicherlich unwahrscheinlich seien, zum Beispiel dass der große Fisch mit den langen Zähnen jetzt mit der Aggression anfängt. Jetzt weiß ich natürlich, dass die Wikipedia darauf hinweist, dass „[d]ie großen Unterkieferzähne der Barrakudas […] schwere Wunden [reißen], die zu großem Blutverlust führen können“. Nachsatz: „Sie beißen allerdings nur einmal zu und schwimmen dann weg“. Manchmal bin ich schon ein bisschen gespannt, was es zum Beispiel im Traunsee alternativ zu tauchen gibt.

Und ja, leider leider hab ich es in den Gegenden, wo mir ständig das Tauchgehäuse für meine Kamera angeboten worden ist, durchgehend vermieden, ein weiteres sinnloses Accessoire einzukaufen. Na, jetzt ist das natürlich nirgendwo zu kriegen und ich mach keine Fotos mehr von Unterwasser. Dabei wär ich jetzt langsam aber sicher doch in einer gewissen Routine, in der ich Auftrieb und Atmung beisammen hab und eben auch einmal ein bisschen in der Gegend herumschau, um einen Fisch oder eine Schildkröte zu beobachten. Ich darf im Logbuch ja auch Exploration anstelle von Instructional ankreuzen. So hab ich mir zur Kompensation halt einen Tauchcomputer gekauft, den ich am Samstag zum ersten Mal mit unter Wasser nehmen werde und der mir dann sagt, wie viel Stickstoff ich noch im Blut hab und wie lang ich nicht fliegen darf, dass er mir nicht Blasen im Blut wirft.

Nebenbei: Da liegt in Pape’ete also ein japanisches Kriegsschiff im Hafen. Eigentlich sind s zwei, aber das ist einerseits schwer zu erkennen und zweitens auch wurscht für den Moment. Weil was mich ein wenig überrascht hat, war, dass sie vorne schön mit ihrer Nationalflagge beflaggt sind, aber hinten herum vermeintlich die imperiale Flagge hängt. Kurze Recherche zeigt hingegen, dass sie die Sonne in der Flagge der Imperialen Armee nach dem Krieg bloß ein bisschen nach links geschoben haben und gut war s. Wenn man schaut, erkennt man das auch.

Ja, eigentlich wäre ich ja gerne auf die Tuamotus geflogen. Das ist so eine Gruppe von Atollen, etwa eineinhalb Stunden nordöstlich von Tahiti. Aber man glaubt s kaum: ich hab drei Tage vor meinem erhofften Flug keine Unterkunft gefunden. Dabei ist bloß Hochsaison. Und vielleicht hätte ich ja sogar noch was gefunden, aber nach dem unteren und ausgebuchten Preissegment kommt erst einmal länger nichts. Na, da war ich dann kurzerhand froh, dass ich meine Flüge auch nicht gekauft hatte. Schade, aber natürlich ist das in meiner Verantwortung, wäre ich die zwei Wochen nicht auf der mal helleren, mal röteren, mal fast akzeptabel gebräunten aber stets erkennbar faulen Haut gelegen, wäre sich da durchaus was ausgegangen. Next time you know, hat mir ein David gesagt und da hab ich s ihm noch nicht geglaubt, dass er recht behalten wird.

Natürlich, ich bin vor allem herumgelegen, wenn ich nicht tauchen war oder auf dem Weg zur Marina, aber es ist ein entspanntes Herumliegen. Das geht ein bisschen in die Psychologie des Getrieben-Seins, des Eigentlich-tun-Sollens. Wahrscheinlich wäre es – jetzt ein bisschen weiter zurückblickend – gut gewesen, ein wenig früher einmal aus dieser Situation herauszukommen, wo ich nicht ständig in der Lage bin, eigentlich an einer Diplomarbeit, an einer Dissertation sitzen zu müssen. Seminararbeitenschreiben, Hausübungenerledigen, Klavierüben, Großelternanrufen. Ständig hätte es was zu tun gegeben und ich mich sehr daran gewöhnt, zum täglichen Herummuddeln eine Portion schlechtes Gewissen serviert zu bekommen. Das geht dann auf Kosten der intrinsischen Motivation, wenn ich mich so häufig und vor allem stetig im Müssen-Sollen finde, anstatt im Wollen-Können. Interessanterweise würde ich sagen, dass es auch das Können-Wollen letztlich beschädigt oder zumindest dass wenn für das Können so viel Müssen notwendig scheint und sich der Widerstand gegen das Sollen aufstaut, dann entrückt das Ziel und das Wollen verliert als Ganzes ein bisschen den Anschein des Möglichen. Und, ja, dürfen hab ich mich getraut. Aber das zeigt uns auch nur, dass ich meine Probleme nicht erfunden hab. Da ist es schon auch ein Erfolg den Atollausflug sausen zu lassen und zu vielleicht einfach anerkennen, wie sehr ich auch von hier tatsächlich hingerissen bin. Alles nicht so einfach.

Ja, weil. Es ist halt wirklich schön. Weil, ich mag die ganze Strandgeschichte immer noch nicht. Ich war einmal in Australien baden, erinnere ich mich. Also. Ich bin ins Meer gestiegen, hab mich mit den Wellen geärgert, bisschen ein Unwohlsein ob dem offenen Meer bekommen und bin nach drei Minuten wieder raus. In der Zeit hab ich mir sicherlich einen Sonnenbrand geholt. Ist also nicht meins. Mich am Strand in die Sonne zu legen kommt mir immer noch etwas seltsam vor. Aber mit dem Tauchen hab ich einen ganz guten Zugang zum Meer gefunden. Und wie sehr die Tropen mir als Paradies eindoktriniert worden sind oder ob die orangengroßen Maracujas (immer wieder die Maracujas), die ich aus dem Straßengraben geklaubt habe, nicht auch einfach die Freude daran, am Wegesrand Brombeeren zu pflücken um den Volumsunterschied potenziert, ist schwer zu sagen. Aber das Licht hell ist und der Himmel blau. Die Palmen, Früchte, Blüten. Die Blumen im Haar und der ausgeprägte Vokalismus in der Sprache (nur neun Konsonantenphoneme!). Und das in Kombination damit, dass selbst die Tortillastandlerin einen Champagner im Cola-Kühlschrank stehen hat und anderswo auf der Karte mehr Wasser zur Auswahl stehen als Bier. Ich finde das charmant.

Das ist tatsächlich ein schlechtes Beispiel für die hiesige Flora. Nicht, dass das nicht durchaus die vorhandene Üppigkeit ausdrücke und es gibt auch einen hübschen Farbkontrast her. Aber es sind halt nicht die „typischen“ Blumen, von denen ich halt keine Fotos gemacht hab…

Meiner vielleicht neugefundenen Entspannung liegt natürlich auch diese sich mir langsam eröffnende Frankophilie zugrunde. Sprachlich gesehen bin ich immer noch eingeschränkt, wobei ich auf Mo’orea auch selbstbewusster Leute auf Englisch anspreche, während ich auf Tahiti mehr gefordert war, Französisch zu sprechen. Und so konnte ich mich dann in Situationen oft kaum einbringen, aber vor allem letztlich auch nicht rausreden und nicht in der Lage mich aus einer Lage herausblödeln oder einfach ins Plappern zu verfallen. Gespräche sind harte Arbeit. Und selbst wenn ich mich mit jemandem unterhalte, die französisch können, war s in der Regel eine gemäßigte Unterhaltung, weil dann halt das Englisch für mein Gegenüber oft nicht super easy war. Für mich, der ich oft mehr rede weil das Reden lustig ist, ist das eine interessante Abwechslung, mal ein bisschen meiner sozialen Fluchtoptionen beraubt zu sein.

Mehr in ihrer Eindrücklichkeit schwer vermittelbare Berge unter Tropenwald. Und ja, es gibt schon viel von den rosa Buschblumen da links unten. Aber es sind nicht die, die man sich ins Haar steckt, deswegen wär s gewesen. Wer weiß, ob die nicht sogar importiert sind… Aber im Pflanzenbestimmen bin ich leider nicht so bewandert. Oder bemüht, sind wir sich ehrlich.

In other news hat zuletzt auch die letzte kleine Katze ein neues Zuhause gefunden und die verwirrte Katzenmutter ist zwei Tage lang rufend durch die Gegend gelaufen. Das ist schon ein bisschen herzzerreissend, wenn man sich die Biologie da anschaut. Aber so ist das wohl. Es war dann auch schnell wieder vorbei. Auf der anderen Seite leben die Kleinen zumindest, auch wenn das für die Katzenmutter natürlich nicht verständlich ist, dass das gerade gut ausgegangen ist für die nächste Generation. Mit etwas Glück – aber das ist jetzt wieder mehr meine Meinung als feline Glückseligkeit – werden sie in ihren neuen Haushalten sterilisiert. Von wegen Verantwortung für ein Haustier übernehmen war da auch noch ein Kater, der ebenfalls in der Nachbarschaft seine Runden gedreht hat. Ganz instinktiv hab ich mir immer gedacht, der würde ja auch von irgendwo kommen und irgendwohin zurückkehren, aber wenn das bei den hiesigen Hunden schon nicht immer klar ist, dann bei Katzen wohl umso weniger. Jedenfalls hat der ein kaputtes Bein oder was, und humpelt dementsprechend bereits ein wenig bemitleidenswert durch die Landschaft. Vor allem wo die Christine ihn in der Regel verscheucht, wenn er sich zum Beispiel des Essens, das sie den Kätzchen rausgestellt hat, habhaft machen wollte. Also emotional hochkomplex die emotionalen Schattierungen des Katzenalltags. Jetzt nämlich auch noch, dass der außerdem die halbe Nacht schreit. Aber was weiß man, ob das ob einem gebrochenen Bein ist oder vielleicht aufgrund der tagtäglichen Ablehnungserfahrungen. Oder ob es vielleicht gar eine Poussage ist, für die er sich in der Nachbarschaft hören lässt.

Und als ob der Verlust der Kinder bei der einen und die der Agilität bei dem anderen nicht schrecklich genug wären, bin ich anderntags dann noch einer toten Katze über den Weg gelaufen. Nachdem sie neben der Straße im Schatten eines Buschs gelegen ist, hab ich mir gedacht, dass sie wohl eine umsichtige AutofahrerIn noch auf den Straßenrand geschleudert haben wird, nachdem vielleicht ein bedauerlicher Unfall passiert ist. Am Donnerstag ist sie so dagelegen, da hätte es fast noch sein können, dass sich s da nur eine faule Katze im Schatten gemütlich gemacht hat. Freitag hat man schon gesehen, mehr faulig als faul, wie der Körper ob der Verwesung bereits ein bisschen unförmig wird. Zum Glück (?) hat sich über s Wochenende jemand die Mühe/den Spaß gemacht, der Katze eine Feuerbestattung zu organisieren, drei Meter weiter an der Straßenecke. Die Überbleibsel waren zwar durchaus noch identifizierbar und meine Lungenkapazität hat dem empfohlenen Radius des Luftanhaltens kaum Genüge getan, aber es ist viel besser, als wenn man sie dort ignoriert hätte. Also ja: so hält sich die Katzenpopulation im Gleichgewicht.

Nachdem meine Kamerasoftware keine Panoramas macht, hab ich selbst ein Panorama gemacht. Und dafür, dass ich das ich jetzt länger an diesem Absatz herumgeschrieben habe, als ich mir für die Bildbearbeitung Zeit genommen hab, ist es echt nicht so schlecht geworden. ’s Cook’s Bay, by the way.

Auf Mo’orea sind s unterdessen vor allem die HÜhner die sich aufdrängen. Also Hühner mit Binnen-Ü, weil es nicht zuletzt die Hähne sind, die einen Krach veranstalten. Sagen wir ab zirka fünf in der Früh. Mit einiger Verwirrung hab ich andererseits den hiesigen Hund gestern in der Distanz mit etwas, von dem ich sehr sicher bin, dass es ein Huhn war, aus dem Nachbarsgarten laufen kommen sehen. Begleitet von aufgeregtem Hühnergeschrei und einem etwas verdutzt dreinschauenden Nachbarshund. Aber ist das… ich mein, stiehlt ein leicht übergewichtiger Hund, der sich bei uns durchaus daran hält, dass er nicht auf die Terrasse darf, stiehl, ja: mordet so jemand ein Huhn?

Hier hört man, dass die Hühner aber schon auch was zu sagen haben in der Früh. Für die authentische Erfahrung kann man sich das ein, zwei Stunden lang in einer Schleife abspielen.

Und in bald einer Woche hab ich jetzt einen Flug nach Tokyo. Weil zwei Wochen vorher ist vielleicht nicht übertrieben, sich das zuzulegen. Noch dazu, wo ich von der Annabelle letztens den Hinweis bekommen hab, dass mir das nächste Jahrhundertereignis einen Strich in die Rechnung macht, indem der Rugbyworldcup zum ersten Mal in Asien stattfindet. Oder zumindest das erste Mal in einem Land, das nicht zu jener Handvoll Ländern zählt, in denen Rugby irgendeine Rolle spielt, also England, Frankreich, Südafrika, Australien und Neuseeland. Im Kontext der hiesigen No-Vacancy-Erfahrungen bin ich da jetzt auf jeden Fall ein bisschen unter Druck geraten. Und gar nicht so sehr, weil ich die Gelegenheit sehe, in einem Rugbystadium zur Sehnsuchtsfindung geschweige denn -erfüllung zu finden, sondern weil ich schlicht nicht mit dem Rugbytourismus um billige Hotelzimmer konkurrieren möchte.

Rugby World Cup Countries by Best Results: Wenn man sich das anschaut, es ist als ob Frankreich sich da in was sonst ziemlich Commonwealthiges einmischen würde.

#fragmente

(Nicht, dass der Text bisher besonders einer formalen Struktur entsprochen hätte…)

Witzigerweise sind auffällig viele ItalienerInnen auf Mo’orea. Und ItalienerInnen werden mir, so kommt mir manchmal vor, schon bei einer einzigen Familie auffällig. Irgendwie sind ItalienerInnen einfach nicht wer, die ich irgendwo in der Welt zu treffen erwarte und bin dementsprechend erstaunt, wenn s doch passiert. Außerdem haben sie oft eine besondere Präsenz, wohl auch, weil sie mir nur oder vielleicht auch erst auffallen, wenn sie zu mehrt sind. Schließlich hab ich ja auch das Gefühl, Italienisch eh zu verstehen. Mehr noch als SpanischsprecherInnen beim Spanischsprechen zuzuhören, die in der Regel nicht annehmen, dass ich sie verstehe, komm ich mir beim ItalienischsprecherInnenbelauschen noch ein bisschen mehr Undercover vor. Und dann sag ich trotzdem buongiorno, wenn wir einander in der Früh grüßen und hab sofort das Gefühl, mich verraten zu haben.

In Tahiti bin ich durch den Supermarkt gelaufen und hab einen Wahnsinnsappetit auf Äpfel bekommen. Kann schon mal vorkommen, aber dann hab ich gesehen, dass die wie so viel anderes halt aus Neuseeland importiert werden. Da hab ich mir natürlich ein bisschen an den Kopf gegriffen, weil ich dauernd davon schwärme, wie mir die Tropenfrüchte vom Baum vor die Füße fallen und manchmal dann schon keine Maracuja gegessen hab, obwohl ich eine Maracuja hätte essen können. Geschweige denn Sternfrüchte, von denen es einem schnell einmal langweilig wird, oder Mangos, die wirklich mehr Vogelfutter sind. Und jetzt will ich einen Apfel haben, die Eichnull des Obsts. Hab ich keinen gegessen. Aber zwei Minuten später hab ich einen neuseeländischen Apfelsaft gekauft. Ich hab nix anderes gefunden, nicht gekühlt zumindest. Und interessant da, dass es verschiedene Apfelsäfte nach Apfelsorten zur Auswahl gegeben hat.

Und am seltsamsten in drei Wochen Französisch Polynesien fand ich dann doch, dass man Marille mit B schreibt.

Ich hab das letztens mal festgehalten, dass um die Halbjahresgrenze herum jetzt langsam mein Equipment unter der Dauerbelastung nach- und aufgibt. (Stell dir eine Schublade vor, die von einem skandinavischen Schubladenroboter auf- und zugemacht wird. Unaufhörlich.) Das ist psychologisch schon ein Wendepunkt. Meine Sandalen hab ich dann kurzerhand einer Reparatur unterzogen, wobei ich endlich einmal die Ahle auf meinem Taschenmesser verwendet hab. Das war allerdings ein bisschen Mit-Kanonen-auf-die-Spatzen, wo dann eine einfache Nadel auch gereicht hat. Allerdings ist das Leder dann sowieso einfach ein paar Millimeter drunter nochmal gerissen. Und nachdem die Sohlen auch schon lange entzweigebrochen sind, hab sie der Müllabfuhr überantwortet. Dass ich sie jetzt wirklich lange gehabt habe, ich in ihnen bereits kubanische Autobahnen entlanggegschlendert bin, ist sowohl bedauerlich (Mensch-Schuh-Beziehung) als auch tröstlich (KundIn-Produkt-Beziehung). Als Ersatz schlurf ich jetzt in Flip-Flops, was persönlich auch ein großer Schritt gewesen ist und schwups! habe ich davon erst einmal links wie rechts Blasen bekommen.

Und zu hinterst noch Neuigkeiten von ebendort. Ich hab mir auf Mo’orea gleich mal ein Fahrrad gecheckt, weil ist sie mir auf Tahiti ja doch abgegangen, die Mobilität. Jetzt war ich nach meiner Ankunft in FranzPol doch ab und zu ein bisschen verwirrt, wenn ich mal wieder an einer T-Kreuzung gestanden bin, wo denn jetzt der Verkehr herkomme, weil natürlich ist das Land französisch genug, dass die Leute auf der kontinentaleuropäischen Straßenseite fahren. Aber weil das sprichwörtlich wie Radfahren ist, hinsichtlich der Verlernbarkeitsoption, hab ich mich schnell wieder daran gewöhnt und gebe meinen Selbstbewahrungsinstinkten mittlerweile bereits wieder weitgehend freie Handhabe dabei, mich sicher über die Straße zu bringen. Funktioniert auch beim Radfahren, alles kein Problem. Nein, was sich hingegen schnell einmal als eine Schwierigkeit herausgestellt hat, ist möglicherweise auf den Trainingsmangel der eigenen Beckenbodenmuskulatur zurückzuführen. Jetzt kann es natürlich sein, dass der Sattel einfach unverhältnismäßig schmal ist oder das Gelände unanständig holprig. Fakt ist, ich bin seit einem halben Jahr nicht mehr auf einem Fahrrad gesessen und ich mich jetzt auf meinem VTT (veló tout terrain) herumwinde wie ein Sängerknabe unter Harndruck.

_y___y (1/2)

Also gleich vorweg bin ich schon froh, auch Sydney noch besucht zu haben. Es gibt da ja so eine Konkurrenz zwischen SydneyerInnen und MelbournerInnen, wer aus der besseren Stadt kommt. Und nachdem ich so viel Zeit in Melbourne verbracht hab und eindeutig mehr MelbournerInnen kennengelernt hab, als SydneyerInnen, tendiere ich natürlich zu Melbourne, wenn ich mich da für was entscheiden sollen muss. Je mehr ich merke, dass das was ernstes ist, desto unsinniger kommt s mir natürlich gleich wieder vor. Aber ich hab zwei Vergleiche angestellt: Sydney ist schön zum Besuchen, Melbourne ist womöglich schöner zum Dort-Leben. Sydney ist eine Stadt des zwanzigsten Jahrhunderts, Melbourne vielleicht eine Stadt des einundzwanzigsten…? „Das versteh ich nicht,“ sagt V. und ich muss ihr zustimmen: Ja, nein, ist vielleicht ein blöder Vergleich.

Sydney ist jedenfalls pompöser, die haben dort diese Brücke, die ich aus der Nähe betrachtet tatsächlich sehr viel eindrucksvoller finde, als ich das zunächst von den Bildern, die ich von ihr gesehen habe, angenommen hätte. Aber das ist einfach eine enorme Brücke! Und erstaunlich, hab ich den anderen Tag nachgedacht, dass diese Brücke diesen Verkehr aushält. Weil die ist – wenn ich das kurz nachschau – vor sechsundneunzig Jahren gebaut, vor siebenundachtzig Jahren eröffnet worden. Und dass man da schon so gebaut hat, dass der heutige Massenverkehr drüberbrettert. Aber dann wiederum sei „[b]etween December 2006 and March 2010 the bridge […] subject to works designed to ensure its longevity [gewesen]. The work included some strengthening1. Und Entlastungstunnel haben sie auch gegraben. Also wunder ich mich schon zurecht, aber nicht als erster.

Ein Beispiel imposanter Architektur. Zugegeben, ein Kriegsdenkmal. Aber schaut aus wie direkt aus Metropolis. Letztlich eigentlich auch interessant, dass ich da durchaus gedenkend drin stehe, als Vertreter eines der Nachfolgestaaten, gegen die die Leute, denen da drinnen so art-nouveau gedacht wird. Die Architektur sagt ja schon: es geht hier um den Ersten Weltkrieg. Und trotzdem ist es einfacher, jenen zu gedenken, die jenes demokratische System in Europa etabliert haben, in dem ich aufgewachsen bin.

Wie dem auch sei. Da ist eine eindrucksvolle Brücke, da ist ein schickes Opernhaus, da sind protzige Gebäude, die in die Kolonialzeit zurückreichen, da sind riesige Gärten, ich mein, das halbe Zentrum ist im Wesentlichen der botanische Garten. Und ich mein, Melbourne hat auch viel Grün, wirklich, aber – und das mein ich ansatzweise mit dieser Jahrhundertsache – Melbourne kam mir so viel dezentraler vor. Hingegen liegt Sydney so viel mehr am Meer und vor allem ist das Meer im Zentrum, nachdem Sydney in dieser tollen Bucht liegt. Was sie beide haben, sind ihre CBDs, ihre Central Business Districts, wo die Hochhäuser stehen und Bankenlogos einander ausblenden. Wo in die Höhe gebaut wird, mit Glas und Stahl. Aber das ist einfach Spätkapitalismus, das ist halt so. Aber wer will das schon, da gibt s die Markenshops und das ganze Luxusgedings. Im Grunde ist das auch dasselbe wie das Einkaufszentrum in Jakarta, nur dass hier der Unterschied nicht so ins Auge sticht. Im Gegenteil wird hier ja so getan, als hätten alle Zutritt zum Luxus, weil man sich hier halt einmal ins Guylian Caféhaus setzt. Ich kann dir nicht mal sagen, wie teuer dort eine heiße Schokolade ist, weil ich mich nicht ins Guylian Caféhaus gesetzt hab. Nein, nein, wo ich meinen Kaffee trinke, das wird noch zu sehen sein.

Aber ja: Sydney find ich schon gut. Am ersten Abend bin ich gleich einmal die Stadt entlang gelaufen, weil wie gesagt, es gibt ja ein Zentrum oder sowas in der Art, was auch interessant anzuschauen ist. Dabei bin ich an einem Eislaufplatz vorbeigekommen, den sie hier angeeist haben. Ist ja Winter, auch wenn ich die fünfzehn Grad herzlich willkommen geheißen habe. War schön, in der lauen Nachtluft spazieren zu gehen. Am Eislaufplatz sind die AustralierInnen (?) herumgestakst, das war ganz lustig. Dazwischen war ein offensichtlich russisches Pärchen (sie mit Plusterjacke inklusive bepelzter Kaputze, er mit Dreimillimiterfrisur und diesem so beiläufigen no-nonsense Gesichtsausdruck, der auf russischen Gesichtern so richtig zur Geltung kommt), die sich mit fast aggressiver Leichtigkeit zwischen den leicht vorübergebeugten GleichgewichtsbewahrerInnen durchgeschlängelt haben, gleichgültig im Vorwärts- wie im Rückwärtsgang.

Und dann halt der erste Blick auf die Brücke. Das hat schon Eindruck hinterlassen. Und das Opernhaus. Das ist halt so ein klassischer Moment, wo man etwas sieht, was man schon so oft auf Bildern gesehen hat, dass es fast ein bisschen unwirklich ist. Eine halbe Stunde, würde ich sagen, habe ich mich gegen das Fotos-Machen gesträubt, bis ich dem nachgegeben hab. Aus der Entfernung ist das Opernhaus schon eindrucksvoll, und aus der Nähe sind die Details beeindruckend, weil die kennt man ja auch noch nicht so in und auswendig wie die das Große und Ganze. Nicht schlecht.

Sydney/Bucht/Nacht/Brücke.png

Aber eines nach dem anderen.

Am Freitag bin ich erst einmal in die Schnellbahn gestiegen und hab mich auf die Suche nach Wendy Whiteley’s Secret Garden2 gemacht. Das war noch eine Hinterlassenschaft von Jonathan, der gesagt hat, das sei sein Lieblingsplatz in Sydney, der repräsentiere für ihn so viel, was Sydney für ihn bedeute. Also bin ich zu der Station zurückgewatschelt, bei der ich Tags zuvor vom Flughafen angekommen bin und hab mich in den Zug über die Brücke nach Nord-Sydney gesetzt. Und dann bin ich in der Brücke einen Kaffee trinken gegangen. Das war von außen ein bisschen unscheinbar, aber drinnen, o mei, drinnen ist die Hipsterpost abgegangen. Also, das kann man sich ein bisschen wie die Stadtbahnbögen in Wien vorstellen: Da sind einfach Räume unter der Auffahrt auf diese massive Brücke und die sind so ein bisschen Lagerhallen oder was auch immer. Ich hatte ja dann das Glück, dass sich einer der Besitzer oder Manager oder was halt mit einem anderen auf die lange Bank neben mich gesetzt hat und dem dann die Geschichte vom Oberchef erzählt hat und davon, wie der das umgesetzt hat. Weil geplant, hat er gesagt, geplant ist da nicht so wirklich. Das sei mehr so organisch gewachsen. Also der hat nämlich sich diesen Raum gecheckt und dann hat ein anderer Freud von ihm irgendwie günstig ausrangierte Schiffscontainer organisiert und dann hat er da – und da ist mir das dann erst aufgefallen – einen Container schwarz angestrichen in der Mitte des Lagers als Kaffeebar hingestellt. Und auf der einen Seite saß ich auf einem der langen Tische und einer der dazugehörigen Bänken. Auf der Seite waren so Zweiertischchen und am fernen Ende ist einer mit einer Gitarre auf einer Bühne gestanden (über ihm sind zwei Fahrräder von der Decke gehangen) und hat dort vor sich hin gesungen. Freitagvormittag und die machen sich einfach einen lässigen Sonntagsbrunch! Ich hatte ein Stück Bananenbrot mit salziger Butter und das war eigentlich auch schon ziemlich ok. Und dann natürlich der Typ, der mich an der Bar bedient hat, locker-flockig, mit einem Akzent, den ich für Queensländisch halte.

Ich mein: schau wie cool die sind! Da fährt einer mit dem Rad durch s Kaffeehaus!!! Und das hat fix keine Gangschaltung auch nicht!!!!11! Aber dann wiederum war der Kaffee halt auch wirklich gut.

Na jedenfalls hat der Chef mit dem coolen Café noch nicht genug gehabt, hat den Künstler von nebenan rausgekauft (der Gegend beim Gentrifizieren zuschauen, möchte man meinen) und dort mehr Schiffscontainer reingestellt, die er als Büros für – nehm ich an – irgendwelche Crowdfundis oder Kickstars oder Starter-Uppers vermietet. Und dann natürlich gab s noch bisschen Galerie in der dritten Lagerhalle. Also: schon schön. Aber gleich mit der vollen Hipsterwumme, dass sich Melbourne ins Zeug legen muss, um als die hippere Stadt der kaffetrinkenden AppleprodukteverwenderInnen gelten zu können. So, der Unterschied, den ich im Artikel über die Rivalitäten verschiedener australischer Städte gelesen habe, ist, dass vor der Föderation der verschiedenen Kolonialterritorien, Victoria (Melbourne) und New South Wales (Sydney) einfach verschiedene wirtschaftliche Politiken gefahren sind. Das überrascht ein wenig, wenn man dem aus der Perspektive eines modernen Nationalstaates gegenübersteht, dass man in seinen Kolonien nicht ein einheitliches System verwendet. Ein Traum natürlich für die WirtschaftsprofessorInnen, die da die verrücktesten Experimente beobachten hätten können. New South Wales hat mehr auf freien Markt gesetzt, während in Victoria protektionistisch vorgegangen wurde. Und natürlich, nachdem ich so einen Satz gelesen hab, denke ich sofort: ahja, sieht man ja quasi immer noch: neoliberales Sydney mit seiner bombastischen Architektur und das Melbourne, das auf seine KünstlerInnen schaut. Ganz so einfach ist das natürlich auch wieder nicht. Heute dürfte die Differenz mehr darin liegen, dass die einen Australian Rules Football spielen und die anderen Rugby League und sonst halt so tun, als wären sie jeweils die allgemein wichtigeren.

Aber Wendey Whiteley’ Secret Garden ist einfach herzig. Das schaut auf dem Plan wirklich nach nicht viel aus, weil das ganze über einen Hang verteilt ist, aber da ist fast ein bisschen ein Urwald gepflanzt. Da steht man plötzlich zwischen Bäumen und in einer verhältnismäßigen Stille, dass es eine Freude ist. Ab und zu stehen kleine Statuen herum und am Fuß des Hügels stehen dann weit verteilt auch einige Tische und Bänke und andere Sitzgelegenheiten. Dazwischen staksen ein paar so Art Truthühner oder Pfaue, relativ unbeeindruckt von den paar europäischen und asiatischen BesucherInnen, die ihre Hälse winden um sich in alle Richtungen umzusehen. Und wenn man Glück hat, dann sieht man Freiwillige, die mühsam eine volle Schubkarre den steilen Hang hinaufhieven.

Immer gegen die Sonne fotografieren. Aber ich bin, wie dieses Bild beweist, nicht der einzige. Schwacher Trost für all jene, die lieber ein ordentliches Bild vom Wendy Whiteley’s Secret Garden gesehen hätten.

Unterhalb von WWSG setze ich mich ein bisschen ans Ufer und schau den Leuten beim Sporteln, Spazierengehen und Hundausführen zu. Die sind alle so aktiv! Und dennoch ist es immer noch still und gemütlich. Lauter wird s dann, als ich am Ufer entlang zur Brücke zurückgehe und dabei den Luna Park quere. Und ich geh jetzt nicht direkt durch, weil das Geschrei und das Gekreische und die weichen Pommes Frites und das schmierige Ketchup… das lass ich heute aus und gehe außerhalb den Steg entlang wo ich über die Beine hunderter jugendlicher TouristInnen (?) steige, die frittierte Hühnerteile teilen. Weil es ist Mittag und das ist eine Gelegenheit, bei netter Aussicht mit FreundInnen ein Mittagessen zu teilen.

Ich brauche dann ein bisschen, bis ich den Weg auf die Brücke hinauf gefunden habe. Weil ich annehme, dass die Brücke zirka dort anfängt, wo die Bucht ist. Aber das ist ein Irrtum, weil ich muss ein ganz hübsches Stück ins Land hineingehen, bis die Brückenauffahrt niedrig genug ist, dass sie eine Treppe hinauf gebaut haben. Und dann geh ich über die Brücke und wundere mich, dass die die Autos aushält.

Ich mein! Einer der beiden Pfosten auf der Nordseite der Brücke. Die auf der Südseite genauso imposant, also same-same. Dazwischen hängen 503 Meter Brücke.

Über die Brücke gehen ist gratis und schon ein bisschen aufregend. Also, nicht dass die Brücke schwankt oder sowas. Aber bei mir löst so ein Blick, der an meinen Füßen vorbei hundert Meter in die Tiefe geht schon ein Gefühl besonderer Mulmigkeit in meinem Bauch aus, das ich sonst nicht wirklich hab und auch nicht wirklich brauche. Auch wenn überall Zaun ist und Stacheldraht und Verbotsschilder und Sicherheitskameras. Und sogar Personal in Warnwesten herumsteht, die schnell einmal zur Stelle sind, wenn was passieren sollte, also: falls sich jemand nicht passend verhält. Ich mein, man kann dazu stehen wie man will, da gibt s sicherlich mehr als nur eine Perspektive. Aber ich finde, in Sachen ziviler Bevölkerungskontrolle und nämlich auch Sicherheits- und nicht zuletzt Hilfsservices sind die BritInnen und die Systeme in dem einen oder anderen Nachfolgestaat des Empires ziemlich gut aufgestellt. Und da denk ich immer sofort an die im Alltag unbewaffnete Polizei in Großbritannien. Aber in dem speziellen Fall meine ich auch, dass man mit Mobilitätseinschränkungen besser herum kommt als anders in der Welt. Und nicht nur, weil überall Rampen sind, sondern auch weil es in meinen Augen – und zugegeben, das sind nur die Augen – weitgehend enttabuisiert ist, Hilfe entgegenzunehmen. Sicherlich nicht total. Aber zum Beispiel kann sich eine Telefonfirma auch mit einer Werbung etablieren, in der ein junger Mann in einem Kleid und Ohrringen auf der Couch sitzt und zu einer unsichtbaren InterviewerIn sagt, dass er das für wichtig halte, dass die Leute unterschiedlich sein können, weil es sonst langweilig wäre (oder sowas). Das ist klingt jetzt wieder ein bisschen nach was anderem, aber das geht nicht überall, dass man Vielfalt so betont. Und Vielfalt heißt, dass Unterstützung auch verschiedene Formen annehmen muss. Und das wird am besten durch menschliches Personal geleistet, die in der Situation reagieren können. Gut. Großbritannien hat auch das dichteste Netz an Überwachungskameras… ja eh. Ist bei weitem nicht alles gut.

Auf der Südseite angekommen folge ich dem Stadtspaziergang über The Rocks, den mir der Lonely Planet ans Herz legt. Das ist quasi das historische Zentrum des kolonialen Sydneys. Hier steht das älteste Haus und der Zollverein und hier ist das Terminal für die internationalen Cruiseliner, die den Blick auf das Opernhaus blockieren. Zum Glück bricht die Pacific Explorer gerade auf. Und nicht, weil ich das Opernhaus sehen muss, aber weil das einfach imposant ist, wenn dieses riesige Schiff ausparkt. Hinten ist das kleine Lotsenboot angebunden, das weiß ich noch aus Oil Imperium, dass man sich ein Lotsenboot zukaufen kann, wenn man in einem schwierigen Hafen anlegen muss. Das ganze dauert vielleicht eine halbe Stunde oder was, bis sich die Pacific Explorer in Richtung Buchtausgang gerichtet auf den Weg macht und ich meinen The Rocks Spaziergang fortsetze.

Like No Place On Earth

Na ja, auf der anderen Seite der Hafenbucht wird gentrifiziert, was das Zeug hält, da reihen sich zunächst die Austernbars aneinander und die schicken Restaurants haben beheizte Plastikblasen am Kai aufgestellt, in denen sich während ich vorbeischlendere, launige Gruppen niederlassen, die ein bisschen nach After-Work-Trinkgelagen aussehen. Dahinter sind in die alte Lagerhallen bereits vermutlich elegant-rustikale Wohnungen hineingeschlichtet worden, in den Spielplätzen der Umgebung passen junge Väter darauf auf, dass ihre Kinder nicht von den Klettergerüsten fallen. Außerdem ist hier das… älteste Pub Sydneys? Es wirkt tatsächlich recht authentisch für diesen Titel. Ich aber vorbei und schau mir umgeben von Pärchen aus aller Welt den Sonnenuntergang vom Observatoriumshügel aus an. Dann langsam der Abstieg durch die „Altstadt“, wobei das aufregendste noch der Suez Canal ist, eine steile, immer enger werdende Gasse, die am unteren Ende nur noch knapp einen Meter breit ist. Der Name ist ein bisschen ein Wortwitz auf Sewers, weil hier wohl einiges zusammengelaufen ist. Nachteil des Systems war, dass hier regelmäßig Leute überfallen worden sind, die in solchen Gassen quasi ins Eck gedrängt wurden. Aber das dürfte im alten Sydney insgesamt ein Problem gewesen sein.

Der Observatoriumshügel beherbergt nicht nur das Observatorium sondern er überrascht auch mit dieser H.C. Andersen Büste. Nicht im Bild ist folgender Begleittext: „If ever a man preached justice and mercy and love of humanity, it was he. He wrote for the man in the child as no one else has ever done. -Dame Mary Gilmore“ Mein Mann im Kind war mit der kleinen Meerjungfrau und all der dort gepredigten Gerechtigkeit, Gnade und Menschenliebe seinerzeit ein bisschen überfordert.

Samstag war ich faul und nachmittags im Museum of Contemporary Art. Das ist nie so einfach, wie man denkt. Manchmal ist das gut und man sieht was, was witzig oder originell ist. Aber ein bisschen ist das dann auch gar nicht das, was Kunst vielleicht soll: witzig und originell. Die Sonderausstellung im MCA war Shaun Gladwell und da sind schon ein paar – wie gesagt – originelle Sachen ausgestellt. Aber ich denk mir dann: ich glaub ich brauch da mehr Kontext um zu verstehen, warum der gefördert wird, warum der ausgestellt wird, welche Beitrag der liefert und wen er wie beeinflusst oder provoziert oder so… Wem schafft er welche Einsicht oder zumindest Perspektive? Und wenn ich ein bisschen auf andere Leute schau, ich glaub, da geht s ja manchen ähnlich. (Wahrscheinlich brauch ich diesen Eindruck sogar, um meine Meinung so zu formulieren…) Schau: Was das Programm sagt, ist der Shaun Gladwell zum Beispiel mit so Videos geworden, zum Beispiel wie ausgestellt, wo er jemanden filmt, der auf einem Surfbrett sitzt, aber so, dass er unter Wasser ist. Und das wird dann in Zeitlupe abgespielt. Und es ist ganz witzig, weil zuerst weiß man ja gar nicht, was da passiert, das Wasser spiegelt unten genauso wie oben und dann merkt man erst, dass der unter Wasser ist, weil er zum Beispiel Luft holt indem er neben dem Surfbrett seinen Kopf durch die Wasseroberfläche steckt, aber eben nicht ins Wasser sondern aus dem Wasser hinaus. Und das schaut ganz witzig aus, wie er in den Wellen das Gleichgewicht hält.

So. Jetzt… Mein momentaner Go-to-Gedanke ist: wie ist der Prozess, bis jemand mit sowas in eine Ausstellung kommt? Weil der Shaun Gladwell hat zum Beispiel auch bei der Biennale mal den Australischen Dings gestaltet, Pavillion. Und ich lese hier, der Elton John sammelt seine Sachen. Also durchaus von Weltrang. Wie kommt er in diese Situation… aber ich wiederhole mich bereits. Die Frage erscheint nicht so kompliziert und trotzdem schwer auf den Punkt zu bringen. Vielleicht: Welche Rahmenbedingungen machen aus dem Banalen Kunst? Und es ist nicht einmal, dass ich s nicht gut finde, ich würde sogar sagen, ich kann damit was anfangen. Ich bin da zum Beispiel sehr dahinter, dass er seinen Skaterhintegrund einbringt und einbaut und bisweilen ins Zentrum stellt.

Dass bei sowas dann dabeisteht, dass die Form an den da Vincis Vitruvianischen Menschen gemahnt, das kam mir fast wie eine etwas zwängliche Distanzierung von einem ab und zu einmal zitierten Kreuzigungsbildnis vor. Aber muss man den Shaun fragen.

Und in dem oben zitierten Wikipediaartikel hab ich jetzt noch den folgenden Absatz gelesen: „John McDonald [The Sydney Morning Herald], wrote a piece recently that questioned his appeal: ’Watching the inexorable rise of Shaun Gladwell during the past decade makes me feel like the only teetotaller at a drunken party.’“ Und so boshaft das klingt und all meiner oben formulierten Anerkennung zum Trotz, I can see where he’s coming from.

Was irgendwie dann auch immer interessant ist, ist die Ausstellung von KünstlerInnen, die sich als Aborigines oder Torres Strait Islanders identifizieren. Also, bisschen auf der Metaebene: weil die mir kommt vor, an den „traditionellen“ Sachen laufen die Leute oft einmal schnell vorbei. Auf der anderen Seite gab s im MCA auch ein paar KünstlerInnen, die mit viel deutlicheren Objekten ausgestellt waren. Da war beispielsweise eine Videoinstallation, in der die Ereignisse einer Ausschreitung anlässlich des Tods eines Aborigines in Polizeigewahrsam gezeigt wurden. Relativ linear, ein bisschen überschneidend, weil 2004 schon viele private Videokameras unterwegs waren und zusammen mit den Bodycams der Polizei lässt das einerseits die Wut der Bevölkerung und andererseits den Stress der Polizei gut zur Geltung kommen.

Im Erdgeschoß war dann noch ein kenyanischer Künstler ausgestellt und da hab ich schon auch wieder gemerkt, wie sehr der Kunstbegriff (mein Kunstbegriff?) an der Leinwand, und noch nicht einmal der Kinoleinwand, festgemacht ist. Das hat lustigerweise auch der Roman Signer im MONA-Interview gesagt: dass in seiner Jugend ein Künstler jemand war, der gut malen hat können. Ja, da hab ich einiges daran zu kiefeln, hier ein bisschen ein breiteres Verständnis zu entwickeln als alteingesessene SchweizerInnen aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts… Der Michael Armitage jedenfalls, malt zwar auf einem Material, das einen Bezug zu seiner Herkunftskultur herstellt (wo es traditionell als Leichentuch in Verwendung war), aber darauf ist Öl und es schaut mitunter auch ein bisschen aus wie ein Klimt. Easy.

Mangroves Dip (2015) „Sex Tourism is widespread along the coast of Kenya. Mangroves Dip is an image that can be read in multiple ways a tender portrait of a man dipping a woman into water or a reflexion on the sex industry.“ (aus dem Katalog)

Nun, es ufert jetzt schon ein bisschen über jedweden Beckenrand und ich bin erst den zweiten Tag in Sydney. Ja, so Städtetourismus braucht halt ein bisschen Reflexion. Ja, wahrscheinlich bin ich wirklich einfach ein bisschen zu viel Kopf…

…aber keine Euro

Eigentlich ist es erstaunlich, dass das hier Tahiti heißt, würde doch Tahit’ viel französischer klingen. Und sonst klingt alles sehr französisch. Vielleicht ist es einfach das, was mich heute so müde macht. Oder es ist das, dass ich doch jetzt einen Tag hinterher bin und ich den langen dreiundzwanzigsten Juli kaum geschlafen habe. Kaum im Flugzeug, kaum in Auckland, kaum im Flugzeug. Und jetzt hab ich zwar heute vierzehn Stunden geschlafen, aber ich bin trotzdem schon wieder müde wie nix und es ist grad einmal halb acht.

Es war sehr schön bis jetzt, ankommen mit Blumenkranz. Naja, hab ich mir gedacht, aber das lass ich halt einmal mit mir passieren. Immerhin besteht das Empfangskomitee aus europäischstämmigen FranzösInnen in Flip-Flops, das reduziert die Exotik. Der Flughafen ist herzig, ich freu mich über die Schlange für die InhaberInnen von EU-Pässen. In der stehen wir dann mit den Einheimischen, was ich auch finde, dass die Exotik reduziert. Dass mein Immigrationszettel, für den ich mir so viel überlegt habe, mir von dem Beamten schnell einmal abgenommen und ohne ihn Anzusehen oder mir noch weitere Fragen zu stellen abgelegt wird, wird am Abend von meinen MitbewohnerInnen mit, ja, die FranzösInnen, denen ist das wurscht, kommentiert.

Im Haus sind außer mir ein Portugiese, ein halber Belgier und der Rest FranzösInnen. Inklusive der zweiten Hälfte des Belgiers. Es ist gleich ein netter Abend, weil die Gruppe miteinander vertraut ist und, ich würde sagen, dass das auch mitspielt: es sind halt FranzösInnen. Vornehmlich merkt man das daran, dass plötzlich Käse, Würste und Baguette herumgereicht wird, dann wird ein Wein aufgemacht und mehr Wurst. Und getschickt wird, wie ich es seit Indonesien nicht mehr gesehen habe. Ich mein, es ist nicht nur Klischee, was hier bedient wird, es gibt auch Bier und als es später wird, wird noch eine Pizza aufgetaut und es mischt sich dergestalt mir allgemeinem Hostelverhalten.

Und ich sitze dabei und höre zu und es geht so. Ich mein, ich verstehe zirka was geredet wird, wenn ich aufpasse. Ich krieg mit, wenn wo ein Witz erzählt wird, aber ich versteh ihn in der Regel nicht. Es ist interessant, denke ich mir zwischendurch, wie lange man über dasselbe Thema kann. Sowas fallt einem wahrscheinlich mehr auf, wenn man die Details nicht versteht. Dass dann jemand Eeewigkeiten über VeganerInnen und Honigkonsum reden kann. Oder… eines… der… anderen Themen. Ich merke, es ist doch nur wenig hängengeblieben. Ich mein, die Hälfte der Unterhaltung bestand wahrscheinlich eh aus doppelbödige Bemerkungen, über die zuerst minutenlang gekudert wurde, bevor sie unter Soundeffekten und Handbewegungen dem Portugiesen und mir erklärt worden sind. Es gibt scheinbar kaum ein Phonem, das im Französischen nicht sexuell konnotiert ist, das habe ich auf jeden Fall gelernt. Dann wieder werden Kinderlieder angestimmt und ich darf unterbringen, dass ich auch mit Le coq est mort aufgewachsen bin.

Tahiti ist so entspannt, dass die Kirchturmuhren ohne Zeiger auskommen

Dann haben die FranzösInnen sich ans Portugiesischlernen gemacht und bei geh in orsch, weil sowas lernt man, wenn man spontan ein paar Floskeln einer neuen Sprache lernt. Noch dazu scheint das ja in romanischen Sprachen insgesamt eine gebräuchliche Formulierung zu sein, die auch mit einem fuck off übersetzt worden ist, was aber dann letztlich doch auch näher am Ausgangsmaterial ins Portugiesische zu übersetzen war. Jedenfalls wurde in der näheren Analyse der Syntax der Scheinwerfer auf jenen Teil der Formulierung geworfen, der Richtung und Ziel der empfohlenen Bewegung bezeichne, nämlich up the ass. Und das hat die eine nicht sofort verstanden und wiederholt: Up ze aas? Und dann, erfreut darüber, verstanden zu haben, wiederholt hat: Up ze aas! Und ob ihrer unschuldigen Freude über eine eher analytische Erkenntnis, hat dieser Moment das ganze Gespräch um ein vielfaches ordinärer gemacht und der Sprachunterricht hat auch schnell zu einem Ende gefunden.

Und jetzt muss man auch dazu sagen, selbst wenn das jetzt kindisch rüberkommt, das waren keine Teenager, die mit mir Brot und Schmäh geteilt haben. Das sind fertige MedizinerInnen gewesen und ein Tischler und der Portugiese ist seit Europa mit dem Schiff unterwegs über Panama und so. Also durchaus Menschen mit Lebenserfahrung.

Dann hab ich mich hingelegt und hab noch überlegt, noch was zu lesen. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich diese Entscheidung noch bewusst getroffen habe oder ob sich s einfach nicht ausgegangen ist, aber ich bin dann schlagartig eingeschlafen und bin einmal um sechs aufgewacht, als die Hähne zu schreien begonnen haben – umgedreht und weitergeschlafen. Um zehn haben vielleicht einmal Hunde gebellt. Und um zwölf ist es langsam zu warm geworden, um weiterzuschlafen und ich hab mein schwitziges Gesicht aus dem Polster geklaubt und in den Tagesablauf gehievt.

Mit der notwendigen Portion an Adrenalin hat mich die Küchenschabe versorgt, die mir beim Zähneputzen aus dem Abfluss gekrochen ist. Die dürfte, hab ich nachher rekonstruiert, als das In-Wörtern-Denken wieder zurückgekommen ist, von oben in den Abfluss bekrochen sein und nicht wirklich aus dem Kanal gekommen sein. Davor reiß ich auf jeden Fall mal den Wasserhahn auf und dreh in nach links, in einem Versuch die Schabe zu verbrühen… Letztlich hab ich sie einfach mal weggespühlt und diesen Abflussstopper wieder eingesetzt. Brrr. Groß war sie schon, oder vielleicht war das nur, weil ich mit der Zahnbürste in dem Moment so mundfixiert war, dass ich mich so geschreckt und derart geekelt hab.

Danach schlag ich mir eine frisch vom Baum gefallene Maracuja in den Fertigporridge, und hab mit meinem besten Französisch der Christine, zu deren Mittagessen ich mich dazugesetzt hab, versucht zu erklären, woraus Porridge besteht und mich dann noch ein wenig mit dem Portugiesen unterhalten. Der kommt gerade vom Surfen zurück. Oder etwas genauer gesagt hat er nach dem Surfen ein bisschen mit der Haushälterin geflirtet, das heißt, so oder so ist sein muskulöser, braungebrannter Seefahreroberkörper so richtig aufgebufft als er sich zu mir setzt, der ich in mit rotem Kopf und schweißbenetzten T-Shirt im Schatten sitze und Harry Potter (jaja, ich bin jetzt im letzten Band, das hat jetzt bald ein Ende) lese. Quasi seine Antithese erlebe ich einen kleinen Anfall von Identitätskrise. Wir plaudern über das Rumfahren und das Zuhausesein und ich merke, ich streue ein wenig Angeberwörter in meine Erzählung, sage awesome, wenn etwas hübsch war und beschriebe eine angenehme Atmosphäre als mellow, weil er hat sich eine Jazzzigarette gedreht und das ist so ein bisschen ein Kifferwort für gemütlich. Er erzählt von seinen Plänen, davon, in Bali ein Hostel aufzumachen, im ruhigeren Eck, wo er jemanden mit der passenden Immobilie kenne. Das ist aber noch weit hin, sag ich, weil er doch zwischendurch noch Pläne für Neuseeland und Australien hat. Ja, sagt er, aber er findet, das ist gut, die Zukunft mit Plänen auszugestalten, keeps him going. Mhm, sag ich, und versuche einen humorvollen Kommentar darüber zu machen, dass ich jetzt schon seit einigen Jahren versuche, ohne Ziel im Leben zurecht zu kommen. Aber nachdem der Witz verlangt, dass ich ihm widerspreche, scheitere ich an der Pointe, wo ich doch keinesfalls behaupten kann, dass mir das gut getan hätte.

Dann gehe ich zur Marina und schau mir die Boote an. Mei, was haben die Leute Boote. Auf einem Boot steht als Heimathafen Basel drauf und das macht mich ein bisschen kichern. Insgesamt bin ich aber durchaus beeindruckt, in einem Fall fast etwas ehrfürchtig, weil da so viel Boot ist und drei Masten und das ist doch ein ziemliches Bild, selbst wenn da goldene Schnörkel in die weiße… Hülle. Chassis? Wie sagt man zur Außenseite eines Boots? Breitseite. Bug, Rumpf, Heck. Über das Heck hängt auf jeden Fall eine mehrere Quadratmeter große Flagge der britischen Handelsmarine. Wo drei viertel rot sind und nur oben im Eck, wo man sich auf der australischen Flagge der Geschichte und auf der amerikanischen Flagge der politischen Geographie versichern kann, dort oben in der Ecke halt ein Union Jack hängt. Ist, wie ich gerade lerne, halt die Flagge, die sich auch private beziehungsweise zivile Schiffe mit britischer Affiliation dranhängen.

Nachdem ich mir ein bisschen die Boote angeschaut habe, das klare Wasser bewundert und ein bisschen in der Fisch- und Vogelwelt gestöbert habe, setz mich dann ins Restaurant wo die Leute essen gehen, die mit ihrer Yacht nach Tahiti gekommen sind. Ab fünf ist Happy Hour, aber ich trinke bloß schnell ein kleines Bier in der Social Anxiety Hour und grübel ein wenig über das Leben das ich führe, während sich um mich herum mehr und mehr YachtbesitzerInnen in Korbstühlen niederlassen.

Schon wieder Abend. Hier geht die Sonne des 24. Juli endgültig unter, hinter dem Horizont ist schon der 25. Vor dem Horizont ist Mo’orea, die Nachbarinsel von Tahiti.

Auf dem Heimweg hab ich mich dann noch mit einer letzten, etwas konkreteren Krise auseinandersetzen müssen, weil ich, als ich am frühen Nachmittag fröhlich in Richtung Marina losspaziert bin, mir nicht markiert geschweige denn gemerkt habe, wo meine Unterkunft ist. Und das ist mir zwischendurch schon mal eingefallen, dass ich da noch suchen werde müssen, aber ganz der Optimist habe ich mir gedacht, dass das schon werde. Und es wurde ja auch, aber die zehn Minuten, die ich dann im Dunklen die Straße auf und ab gelaufen bin und Abzweigung gesucht hab, sind mir durchaus länger vorgekommen. Ein-, zweimal kurz hab ich mir gedacht, dass ich schon ein Dillo bin. Dann wiederum ist mir auch zweimal Hilfe angeboten worden, nur leider: die Adresse, die ich von meinem Hostel hab, ist nicht die Adresse vom Hostel. Das hat ein junger Mann bestätigt und ich bin so zumindest ein bisschen zum Französischreden gekommen. Und ja, nein, die Adresse, die ich hab, da dürfte die Besitzerin wohnen, das ist den Berg rauf. Aber mit dem Wissen, dass ich nur zwanzig Meter vom Meer wohne (weil da ist einfach dauernd die Brandung bei mir daheim) und die Straße kurz nach meiner Einfahrt eine Kurve landeinwärts macht, konnte ich meine Suche eh schon ganz gut einschränken. Weil dank der Inselgeographie gibt s im Wesentlichen nur die eine Straße, die um die Insel herumführt. Und auf der anderen Seite hatte ich mir den einen Supermarkt gemerkt, also war verlaufen insgesamt nicht wirklich. Was mir nicht gefallen hat, das waren wieder einmal die Hunde. Weil ich hab dann zwei Seitengassen probiert, aus denen ich schnell wieder raus bin, weil die wie blöd gebellt haben. Da war sogar der Zaun und trotzdem, hab ich mir gedacht, nah, probier ich lieber eine andere aus – halt ohne zu wissen, dass es die nicht ist. Aber die dritte war dann ohne Hund und die war s dann auch. Also eh problemlos. Ich bin trotzdem kurz unter die Dusche gesprungen, weil mein Hirn dann doch ein bisschen Erleichterungshormone ausgeschüttet hat, die offensichtlich nebenher ein wenig Schweiß produzieren.

Abendbrandung

Um zwölf aufzustehen und dann trotzdem den ganzen Tag ein bisschen wie im Traum herumlaufen, das ist unerwartet gewesen. Aber was trotz allem ziemlich gut war, dass ich französisch rede. Ich mein, es ist holprig und manchmal fehlt ein essenzielles Vokabel. Aber im Großen und Ganzen verwende ich Verbformen wie sie mir in den Sinn kommen, also wie sie sich richtig anfühlen. So wo der Kommunikationsaspekt dann wichtiger ist als die Korrektheit. Und das ist ein ziemlicher Schritt.

And off again

Schon wieder auf dem Flughafen. Das war doch ein bisschen kurz, eine Woche Tasmanien… Hobart war auch sehr herzig, auch hier viel mehr so ein Charme, wie ich ihn in Neuseeland erlebt hab. Oder vielleicht, vielleicht wirklich nur, dass es eine kleinere Stadt ist. Oder dass es kalt ist und die Leute mit roten Ohren auf der Straße herumlaufen und sich mit fingerlosen Handschuhen an ihre wiederverwendbaren Bambuskaffeebecher klammern. Oder dass der Fahrer von meinem Skybus, der mich auf den Hobarter Flughafen bringt, dass der aufsteht und mich, als ich in den Bus einsteige, mir die Hand reichend, an Bord willkommen heißt. Wir sind dann auch nur zu viert im Bus gesessen, ja, war nicht viel los, Mittwochmorgens in Hobart. Das war nett. Überhaupt hatte ich kaum Zeit, mich wieder an die Freundlichkeit zu gewöhnen, die in Australien so gegenwärtig ist. Wieder, weil ich eben einerseits weniger unter Leuten gewesen bin im letzten Monat und andererseits man in der Melbourner Anonymität doch verhältnismäßig untergeht. I guess, es ist, dass ich ja weniger in Lokalen war und in Jugendherbergen und selbst in Geschäften weniger und in Museen. So war ich nicht einmal der professionellen und mich doch (oder deshalb?) berührenden Dienstleistungsfreundlichkeit ausgesetzt.

Schau, wie schön s in Hobart ist. Wie immer, ein bisschen blauer Himmel hilft, aber Arthur Circus ist wahrscheinlich bei jedem Wetter idyllisch.

Der Jonathan, mit dem ich ein Zimmer geteilt hab, der sich zum Theaterlehrer studiert und in seinen Uniferien eine Runde durch Tasmanien dreht, der ist so gut im Smalltalk, das war wirklich beeindruckend. Am ersten Abend hat der lange mit dem Brasilianer in unserem Zimmer getratscht, der seit sieben Jahren in Australien ist und jetzt nicht mehr weg kann, weil er nicht sicher ist, ob er nochmal ein Visum bekommt und wenn er draußen ist, ist er draußen. „Schau an, jetzt ist es schon halb zehn, da sind wir aber richtig ins Reden gekommen“, hab ich ihn am Ende ihrer Unterhaltung sagen hören. Auch der Brasilianer war nett, aber ich hab mit dem immer nur ein paar Worte gewechselt. Und dann hab ich mit dem Jonathan geplaudert und das ist auch schnell in einen Fluss gekommen. Und selbst am nächsten Morgen, da hat er sich mit dem vierten in unserem Zimmer unterhalten, der ihm von seinen Theorien über die Elemente und deren Repräsentation in den letzten Buchstaben unseres Alphabets erzählt, wie das W für Wasser stehe und X marks the spot, also ist das X der Erde gleichzustellen. Zuletzt habe sich ihm hier in Tasmanien das fünfte Element offenbart („revealed“): Steigung. Während die Chinesen, die hätten zwar immer schon gewusst, dass es ein fünftes Element gäbe, hätten es aber mit Holz oder Metall nicht ganz zu fassen bekommen. Also ja. Jemand, der sich ein bisschen in einen Wahnsinn verstiegen hat und ich kann ja solchen Typen kaum zuhören, weil sich mir alles zusammenzieht vor fehlenden Handlungsoptionen: wie soll ich umgehen mit so jemandem, zwischen Respekt für eine (irgendeine!) Überzeugung und meinem benevolenten Agnostizismus gegenüber transmateriellen Ideen. Jonathan hingegen souverän, vor allem zuhören, aber dann doch die eine oder andere Frage, die nicht einmal darauf hinausläuft, ihn auf das Glatteis seiner Hypothesen zu führen. Vielleicht, hab ich mir gedacht, vielleicht ist das einfach eine Notwendigkeit für eine multikulturelle Gesellschaft, für eine multikulturelle Gemeinschaft, einander zuzuhören, mit einander in Kontakt treten, ohne halt wirklich einander zu berühren, in der jeweiligen Identität. Aber halt einander doch irgendwie versichern, dass man eine Welt teilt. Vielleicht ist es auch etwas, was eine TheaterlehrerIn können muss, Leute einzubinden und dabei Platz für ihren Glauben zu lassen. Also wiederum nicht unbedingt im spirituellen Sinn, aber in der Bedeutung von belief, also im Sinne ihrer Überzeugungen, ihrer Kultur. Ich hab mich daran erinnert, wie ich in Melbourne mit V. und M. im Kino (Capernaum) gewesen bin und danach halt mit meiner Filmkritik losgelassen habe, ohne das böse zu meinen halt hier und da was auszusetzen gehabt habe oder Unverständnis gezeigt hab oder wo ich was anders gemacht hätte. Und die V., als intime Kennerin australischer Kultur mir nachher gesagt hat, dass man das einfach nicht mache, dass AustralierInnen so ausgleichsorientiert und konfliktvermeidend sind, dass so eine Kritik gleich sehr aggressiv wirkt.

Außerdem hab ich gelernt, dass insbesondere in der Primarstufe, alle australischen SchülerInnen Theater unterrichtet bekommen, was ich sehr super finde. In den höheren Jahrgängen ist es dann ein Wahlfach, aber mein Eindruck ist, dass uns das schon auch gut tun würde. Nämlich auch im Sinne von Verhalten in der Öffentlichkeit, wie man sich erlebt, wie man sich gibt, wie man in sozialen Situationen agiert und warum und ob man nicht vielleicht andere Optionen entwickeln möchte. Was ich aus dem Fernsehen vom amerikanischem Schulsystem weiß, haben die das ja auch dort. Kann natürlich sein, dass das wirklich nur als Plotelement besteht, dann hätten sie uns schön dranbekommen, mit ihrer Kulturindustrie. Und es könnte schon sein, dass das für eine Einwanderungsgesellschaft ähnlich positiv wie ordentlicher Sprachunterricht ist, ein Fach in dem praktisch der Umgang mit anderen Menschen geübt wird. Und ich glaube, dass wir in der Volksschule schon relativ viel mit Pantomime und so gemacht haben, aber das ist ja auch wieder was anderes und hat mehr mit Körperkontrolle und Feinmotorik zu tun. Und schon gar nicht mit dem Stellenwert, wo man sagt: Das ist jetzt ein eigenes Fach. Mit eigenen LehrerInnen. Und wir nennen es Theater, weil wir auch wissen, dass wir im Alltag eine Rolle spielen.

Das haben sie schon sehr schick gemacht. Da unten sind die Fenster des Restaurant „Pharos“ zu sehen.

Wenn in Hobart, geht man ins MONA, ins Museum of Old and New Art. Und da nimmt man eine Fähre (die und die fährt einen eine halbe Stunde den Fluss bergauf und dann ist da in den Berg ein Museum gegraben. Und da merkt man auch gleich wieder, dass Tasmanien bisschen mehr Neuseeland ist, wenn Neuseeland ein bisschen Skandinavien ist, weil das so skandinavisch gebaut ist ist. Mit den großflächigen, rostfarbenen Wänden, den scharfen Winkeln und den… naja. Den Säulen und den runden Fenstern und dem ganze Zusammenspiel mit der Natur, mit dem Meer und den Klippen und dem Humor, einen Tennisplatz direkt vor dem Eingang stehen zu haben. Ich bin ja jetzt auch keiner, der sich mit Architektur so gut auskennt, dass ich da jetzt die passenden Wörter für hätte. Der Hintergrund von dem Museum ist das irgendwer zu viel Geld gehabt hat und das offenbar dafür verwendet hat, dort ein schicki-micki Museum für Bobos hinzustellen. Wie ich am Anfang über das Gelände spaziert bin, hab ich ein bisschen an den André Heller denken müssen. Der Stil wäre nicht seiner, aber diese Idee, einen Raum zu schaffen, für die Kunst und für s Schlendern und für s Ausprobieren und daneben steht der Weinberg… Ein bisschen ein Größenwahn schon auch, diese Kontrolle über die Geographie, aber gleichzeitig der Rückzug… Und ich mein, das ist ja prinzipiell nicht falsch und es hat mir auch wirklich gut gefallen. Irgendwie hat s mich trotzdem angestrengt, vielleicht erschöpft mich diese Ästhetik, die postmoderne Leere. Vielleicht, hab ich mir nachher gedacht, hab ich einfach nicht genügend Kontakt mit anderen Menschen gehabt, in in den Sandstein gehauenen Museum, und dabei ein wenig professionelle Dienstleistungsfreundlichkeit vermisst.

„At first, only I saw it as a tower. I don’t know why the word tower came to me, given that it tunneled into the ground. I could as easily have considered it a bunker or a submerged building. Yet as soon as I saw the staircase, I remembered the lighthouse on the coast and had a sudden vision of the […] ground shifting in a uniform and preplanned way to leave the lighthouse standing where it had always been but depositing this underground part of it inland.“ (Annihilation, Jeff Vandermeer)

Dann geht s den Schacht runter und ich bekomme einen iPod in die Hand: wenn ich was wissen will, drückt ich auf den Knopf und dann zeigt s mir die Kunstwerke, die um mich herum sind und dann such ich mir dort eins aus und dann gibt s Namen der KünstlerIn und Namen des Objekts und was man alles an Info haben möchte. Manchmal gibt s Hintergründe zum Prozess oder zur Idee dahinter. (Und in selbstkritischer Unentschlossenheit wird das dann mit Art Wank überschrieben, der Kunstwichserei. Oh mei.) Oder speziell für Kinder aufbereitete Informationen, die meistens auch als Audio vorhanden sind, Interviews mit der KünstlerIn, was mir immer besonders gut gefallen hat. Und wenn man in einen Bereich geht, wo jetzt sagen wir, vielleicht mal eine Brust zu sehen ist oder ein Stroboskoplicht, dann sagt einem das Gerät auch: Vorsicht jetzt bei Kindern und/oder EpileptikerInnen. Oder dann auch wieder, dass das Gerät einem einen Bezug zur tasmanischen Gegenwartskultur herstellt, insbesondere halt bei lokalen KünstlerInnen. (Die können aber ruhig auch zugezogen sein.) Das ist schon sehr interessant, ich hör ja KünstlerInnen gerne zu, wenn sie über den Prozess reden oder über ihr Verhältnis zur Rezeption oder zur Rolle der Kunst in der Gesellschaft. Und um so schöner ist es dann, wenn sie sagen, ja, weiß nicht, überbewertet wahrscheinlich.

Und dann wiederum, muss ausgerechnet der österreichische Vertreter so unsympathisch rüberkommen, oder bin das nur ich? Jetzt zum Beispiel mit dem Roman Signer verglichen, einem Schweizer, für den die Tochter übersetzt, der so leicht vor sich hin philosophiert, der mir von der Befreiung aus dem Erklären-Müssen spricht, die Loslösung aus dem Nützlichkeitszwang. Unverbindlichkeit und Krise mit dem Selbstbild. Und da steht dann sein Fahrrad mit Farbe, das direkt übersehen wird, weil es eigentlich nur der Schatten einer Aktion ist. Während der Erwin Wurm mit seinem dicken Porsche in so vieler Hinsicht das Gegenteil darstellt. Nachdem er im Interview auf die Gierigkeit der Welt geschimpft hat, drückt er dann noch seine Missgunst gegenüber den Leuten aus, die sein Objekt sehen und es mit „haha, a fat car“ abtun.

Also kurz ein paar Sachen, die ich gut gefunden hab: Da war ein Deutscher, der hat so Wörter aus Wasser gemacht, die von der Decke fallen, die nach irgendeinem Algorithmus aus den Nachrichten gefischt werden. Und der hat im Interview davon erzählt, wie diese Maschine, die er erfunden und gebaut hat, halt mittlerweile zu Werbezwecken eingesetzt wird und wie sich das verselbstständigt hat. Das Objekt selbst ist auch quasi banal, insbesondere durch diese Entwicklung und Verkommerzialisierung seiner Kunst, aber ich finde den Prozess, durch den er da gegangen ist, das hab ich interessant gefunden. Mehr seine Reflektion als bit.fall selbst.

Zwischendurch ist ja auch Platz für die Old Art, die der Name verspricht

Da war eine Zeichnung von einer Russin, auf der alles drunter und drüber geht, aber zentral sind ein paar Frauen, die auf ein Förderband kacken und überall auf dem Bild wird sitzen Leute herum, die die Scheiße essen. Das war schon mal witzig, weil doch der Vladimir Sorokin in Norma eine Gesellschaft beschreibt, in der die Leute ihre monatliche Ration Scheiße zugesendet bekommen, feine Kinderkacke, wenn ich mich richtig erinner, die sie essen müssen. Ist das schon ein russisches Thema? Wiederum interessanter ist es durch das Interview geworden in der sie davon erzählt, wie schwer sie sich tut, ihre Kunst auszustellen, herzuzeigen und überhaupt, sich als Künstlerin zu erleben. Leider hab ich mir nie ihren Namen gemerkt, weil wenn man ein digitales Gerät mit allumfassendem Wissen bei der Hand hat, dann merkt man sich nichts vor lauter Kann-ich-ja-nachschauen. Nix kann ich nachschauen, weil die Museumsguide-App kann ich mir zwar auch auf s eigene Telefon laden, aber natürlich für Mäckers only.

Es gab dann einen Bereich, der der Hypothese gewidmet war, dass Vermeer eine bestimmte Technik angewandt hätte, irgendwas mit Camera Obscura und einem Spiegel. Und da waren nicht nur die Ergebnisse, die ein Amateur damit erreicht hat ausgestellt, sondern auch ein Tisch zum Ausprobieren, wo BesucherInnen mit der Technik ziemlich gute Ergebnisse erzielt haben.

An anderer Stelle sind ein paar Kurzfilme von einem Reynold Reynolds gelaufen, die ich ganz spannend gefunden hab, wie sie mit Zeit und Bewegung und so umgehen.

Unten ist halt eine Bar gewesen, wo sie sehr schöne würfelförmige Eiswürfel gehabt haben, schicke Kupfershaker, tätowierte, vollbärtige Barkeeper, lokalen Gin. Oben offener Kamin und guten Kaffee und selbstgemachter Kuchen. Ich mein, das ist schon alles sehr klar auf eine Zielgruppe zugeschnitten und ich hab mich wohl gefühlt und gefordert und unterhalten.

Allerdings hat das MONA am Dienstag zu und so stand ich am Dienstagmorgen bisschen verloren an der Fähre (ahja, man kann auf der Fähre auch zwanzig Dollar drauflegen und dafür in der Posh Pit reisen, wo s schick ist und wo getanzt wird und überhaupt: Partyabteilung) und hab kurzerhand mein rudimentäres Mittwochprogramm vorgezogen. Das war eh ein Glück, weil das Wetter einfach besser war am Dienstag. Und wenn die Sonne scheint, dann sind auch die zehn Grad sehr schön. Und so hab ich zuerst einmal ein teures Frühstück genossen, schicken French Toast und eine Kanne Darjeeling. Ich bin ja wieder auf Grüntee, seit ich Melbourne verlassen hab, da geb ich auch mal ein Geld für einen Tee aus. Dann bin ich zum botanischen Garten spaziert, gut unterhaltend, ich würde sagen, regelmäßig kichernd, weil mit der Horne Section in den Kopfhörern. Ich glaub, ein wichtiger Aspekt des Erfolgs von Podcasts ist dieses Zugehörigkeitsgefühl, das Gefühl da bei etwas dabei zu sein, in einer Gruppe, die Spaß miteinander hat. Es gibt eine gute Sendung von der Lindsay Ellis zur Authentizität von YouTubern, ich mein, ja, das ist alles ein bisschen ein Schmäh und nicht ganz neu. Witzig ist dann halt, wenn die Leute, die zu Gast sind, sagen, dass sie nicht gehen wollen, weil es so nett ist und eigentlich sind sie ja alle irgendwie ständig zuhause und allein und jetzt sind sie mal raus und eigentlich ist das ganz wunderbar, hier zu sein.

So ein schönes großes Schiff, das da im Hobarter Hafen steht. Und die leider die einzige Aurora Australis, die ich zu sehen bekommen hab. Ich hab mich auch nicht besonders bemüht, stimmt schon.

Anyway. Ich hab dann die Kopfhörer aus den Ohren getan, weil ich Papageien krächzen gehört hab. Und dann saß da einen Handvoll in der Wiese und ich bin ihnen ein bisschen nachgelaufen und plötzlich fliegt so ein riesiger schwarzer Kakadu vor mir auf und auf den nächsten Nadelbaum. Und dann höre ich plötzlich aus dem Wind heraus, wie s da knächzt und knuspert und da sitzen sie zu dutzenden in den Fichten oder Lärchen und knacken die Zapfen auf. Das hat mich ziemlich am Faszinationsfuß erwischt, dass ich da stehe, auf einer Wiese mit ein paar Nadelbäumen, fünfzig Meter von der Straße und da sitzen die Vögel und knacken Tannenzapfen bei fünf Grad. Weil die Tropen haben hier irgendwo ein Ende. Mount Wellington – auch namenstechnisch verschwimmen Tasmanien und Neuseeland, wo auch viel vom Herrn Tasman zu hören gewesen ist – liegt schneebedeckt am anderen Ende von Hobart, während neben mir ein Tannenzapfen aus zehn Meter Höhe einschlägt und ich mir denke, dass diese Vögel doch nicht so ungefährlich sind. Weil als ich den Papageien über die Wiese nachgelaufen bin hab ich mir noch gedacht, dass ich das kaum bei anderen Tieren machen würde, ihnen in der Wildbahn einfach so nachlaufen. Säugetiere, Reptilien, Spinnentiere… alle ein bisschen bewundern und dann Distanz halten. Bei Vögeln allerdings… ich denke es ist einfach das Bewusstsein, dass ich kaum je in der Lage sein werde, einen Vogel in eine Ecke zu drängen, sodass er nicht nur mit dem Rücken zur Wand stehen, sondern eben auch mit dem Kopf an die Decke stoßen würde. Aber wenn dann so ein Zapfen einschlägt, dann gehe ich doch ein paar Schritte zur Seite.

Der bewusstseinschaffende Zapfen verfehlt mich ca. zweiundvierzigste Sekunde.

Und dann hab ich ein totes Wallaby am Straßenrand gesehen und da ist der Spaß gleich ein bisschen gedämpft gewesen. Ich hab mir, bereits ein paar Schritte entfernt noch gedacht, da war doch was mit in den Beutel greifen, ob da nicht ein Joey drinsteckt. Aber hab ich auch gelassen. (Nachdem mein Wordprozessor nach wie vor das Wort „Wallaby“ unterwellt, hab ich dafür jetzt nachgeschaut und festgestellt, dass es e einen Dudeneintrag gibt, in der deutsch Wikipedia gibt s allerdings nur unter dem Plural – wobei der deutsche Plural „Wallabys“ nicht konsistent durchgehalten wird – einen Artikel, der noch dazu nur mit einem italienischen Artikel verlinkt ist und beispielsweise von der englischsprachigen Wallaby-Seite nicht zu finden ist. Witzig.)

Dann eine Stunde im Botanischen Garten spazieren gegangen und das ist vielleicht ein bisschen die falsche Jahreszeit, aber insgesamt halt schön. Wieder einmal nicht nur die Pflanzen selbst sondern auch Tafeln mit Informationen über den Prozess des Gartengestaltens und Pflanzensammelns und so. Ich war zum Beispiel überrascht zu lesen, dass die Rose aus China stammt. Also ihre Urform und die ist dann halt in den letzten zweihundert Jahren zu unseren Rosen gezüchtet worden. Oder dass die ganze Blumengartengeschichte ein Produkt des neunzehnten Jahrhunderts ist, also in England, wo einerseits der Reichtum, der durch die Industrialisierung breitere Menschengruppen erreicht hat, und die Menschen nicht mehr jedes Stück Land dafür genutzt haben, um Gemüse anzubauen, und andererseits eben die Welterkundungen des Empires neue Pflanzen und Blumen nach Großbritannien gebracht haben und sich so die Idee des Blumengartens entwickelt hat. Es ist naheliegend, aber man muss diese Überlegung schon auch einmal anstellen. Und dafür wird man mit einem schärferen Bild des Bürgertums belohnt.

Hier ist die Arthur Wall im botanischen Garten, das Original 1829 gebaut. Die Idee ist, dass vor allem früchtetragende Pflanzen in der Nähe der durch mehrere Kamine beheizbaren Wand früher im Jahr zu sprießen beginnen: „a popular and effective English garden technology of the era“. Und angeblich sind hier die ersten Ananas auf Tasmanien gewachsen.

Auf dem Rückweg bin ich dann noch schnell ins Museum geschlüpft. Das war auch gut, wirklich, wobei ich zugeben muss, dass ich s bisschen überflogen bin. Museumsfatigue? Maybe. Es war aber sehr gut aufgearbeitet, die Aborigines Sachen sind, wie mein brasilianischer Zimmerkollege oft einmal betont hat, sehr gut, das stimmt. Auch interaktiv und was zum Angreifen und Videos und alles drum und dran. Interessant fand ich dann aber insbesondere, dass die Kunst… Also eigentlich waren da zwei Sachen: da war zum einen eine Ausstellung zur Australischen Identität anhand von Keramik. Das find ich super, das war wirklich eine ganz interessante Sache. Weil einerseits war das historisch aufbereitet, quasi das letzte Jahrhundert durch und auf der anderen Seite halt verschiedene Einflüsse diskutiert, ob jetzt die Aborigines selbst oder die Inanspruchnahme von Aboriginesdesigns durch Europäischstämmige und eine eigene Diskussion von Begriffen wie appropriation und so… das ist Bildungsauftrag wahrnehmen. Bei freiem Eintritt.

Hier wird die Gleichheit vor dem Gesetzt von Aborigines und EuropäerInnen dargestellt. Wird immer noch dran gearbeitet, soweit ich das verstanden habe.

Und dann in der Galerie ist halt offensichtlich gewesen, dass Kunst auch Realität schafft, da waren halt auch vor allem Landschaftsmalerei von Tasmanien und einige Aborigines, die gemalt waren und auch Bronzestatuen und so, wirklich ganz interessant, wie so das Bild quasi vom Land und von den Leuten erfasst und gemacht wurde. Es gibt ein interessantes, wo im Hintergrund Hobart ist, mit dem Mount Wellington und so und man sieht ein bisschen den Rauch vielleicht aus der Industrie aufsteigen und die ordentlichen Häuser und Segelschiffe. Und im Vordergrund ist eine Gruppe nackter Aborigines, die um ein Feuer herumsitzen und tanzen und spielen und baden und zwei kommen von der Jagd und bringen tote Tiere. Und es macht diesen Gegensatz auf. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass es entscheidet, welches Leben das lebenswertere ist…

Das linke Bild ist The Onlooker von E. Philipp Fox (1905). Kommt mir aus irgendeinem Grund total bekannt vor, aber ich könnte jetzt nicht sagen woher…

Außerdem gibt s ab einem gewissen Breitengrad dann auch gerne einmal eine Antarktisabteilung in den Museen. Das hat mir gleich total Lust gemacht, dorthin zu fahren. Nicht nur die Interviews mit den begeisterten ForscherInnen, und dem netten älteren Pärchen, die im Video als Polar Tourists unterschrieben waren. An einem Punkt waren sie sich so lieb einig, was für schönes Wetter sie an dem einen Tag gehabt haben, weil es hat nicht gestürmt und überhaupt kein Wind ist gegangen und man musste gar nicht alles anziehen, was man mit hatte.

Hier kann man schauen, wie groß der siebte Kontinent im Vergleich zu anderen ist. Und aus irgendeinem Grund helfen hier London und Wien, sich in Europa zu orientieren. (Von mir aus der achte Kontinent, wenn ich Zealandia mitrechne. Ein achter Kontinent der uns ein bisschen über den Verlust des neunten Planeten hinwegtröstet?)

Abends hab ich mir dann noch ein aufregendes Abendessen in einer schicken japanischen Bar geleistet. Schweinebacke. Da sagt die Kellnerin zu mir, dass das ein bisschen eine trennende Speise ist, wo einige Leute nur dafür herkommen, andere können es nicht leiden. Bisschen fatty, sagt sie. Ist ok, sag ich, das ist ja gut mit den pickles, die ich dazu bestelle. Da muss sie mir zustimmen. Es war dann wirklich gut und ich hab gemerkt, dass es einen Unterschied zwischen fatty und greasy gibt. Quasi fettig und ölig, aber irgendwie erwischt das das auch nicht besonders, weil wenn ich das so schreibe, nun, fettig ist schon besser als ölig, aber es kann kaum als gut beschrieben werden. Vielleicht hat fatty auch kaum was positives, aber hier war s gut. Mehr seidig als fettig.

Und das war s dann schon wieder mit Tasmanien. Das ist direkt schade gewesen, hab ich gemerkt, weil ich gerne noch auf den Berg gestiegen wäre oder einen Ausflug mit dem Schiff gemacht hätte, runter zum südlichen Leuchtturm, zu den Delphinen, den Robben und den Pinguinen. Und wenn man den Kreis ein bisschen weiter ziehen möchte, wenn man ins Auto steigen würde, dann gibt s die Strände und die Wälder und die Seen und die Berge und vieles davon auch mit Wildnis. Aber ich sitze schon wieder am Flughafen und warte auf meinen Flug nach Sydney. Jetstar hat ein bisschen Verspätung, aber das ist nicht ungewöhnlich. Der Warteraum zeigt Tasmanien nochmal von seiner skandinavischen Seite, selbst die Kaffeebars geben sich schick und individuell und in der Ecke ist ein großer Kinderspielplatz mit Klettergerüst und Bildern tasmanischer Fauna. Und der Humor steckt einfach darin, dass man am International Airport Hobart nur Flüge nach Australien bekommt. Vielleicht versteckt man seine Anstrebungen zur Unabhängigkeit hier einfach dort, wo alle hinsehen.

Tamar Valley

Tamar Valley ist eine Kette, die Milchprodukte herstellt. Ich hab ein paar Joghurts von ihnen gegessen, mit Mango-Passionsfrucht Geschmack, war ganz gut, wobei die Mango wie so oft ja mehr eine Geschmacksstreckerin ist als wirklich etwas, was man haben will, wenn man gleichzeitig Passionsfrucht bekommt. Oh, ständiges Passionsfruchtessen ist der schönste Zeitvertreib, den ich mir in Australien angewohnt habe. Auch hier wird die zwar stückweise gekauft, aber einen Euro pro Stück, das… in Wirklichkeit weiß ich gar nicht, ob das günstiger ist, als bei uns zuhause. Aber auf jeden Fall find ich s ok und ich halt mich eh zurück. Es ist einfach das beste. Und so war ich ein bisschen traurig, dass ich am Flughafen drei Bananen, zwei Kiwis und eine Maracuja in den Kübel entsorgen musste. Weil Australien hat auch – ich hab das vielleicht mal erwähnt, als ich in Alice Springs gewesen bin – zwischen den Bundesstaaten absurd strenge Einfuhrgesetze, was Obst und Gemüse betrifft. Ich glaub nach Melbourne hab ich von Alice Springs aus sogar eine Banane geschmuggelt oder einen Apfel. Jetzt, am Launcestoner Flughafen hat mich der Spürhund aus der Menge gepickt, der wollte mein Freund sein. Die Banane hat halt noch gerochen, nachdem ich sie gerade erst eine Minute vorher entsorgt hatte. Dafür hätte es kaum den geruchssensiblen Hund gebraucht, das hätte auch der ältere Herr von der Immigration selbst riechen können, so intensiv war das.

Im Sinne von „other yoghurts are available“ möchte ich gerne Thick & Creamy erwähnen. Ich bin kein Fan vom Feigenjoghurt, aber ich bin ein Fan von Alex Horne und seiner Horne Section (hier mit Roisin Conaty, von der ich auch ein Fan bin).

Jetzt bin ich jedenfalls sozusagen am unteren Ende des Tamartals und gestern bin ich mit dem Bus fast bis nach ganz oben gefahren, fast bis ans Meer. Da waren schon ein paar Kühe zu sehen, ein paar Kühe, ein paar Schafe und eine Handvoll Lamas. Ist immer ganz nett, Lamas auf einer Weide zu sehen. Das ist so ein bisschen, na ja, das ist ein bisschen eine Innovation irgendwie, eine Neuigkeit. Und Lamas haben oft einen netten Gesichtsausdruck und ein bisschen was knuffiges. Und weil sie bisschen längere Beine haben und den Hals und so… auf jeden Fall sind Schafe oft ein bisschen verdreckt, während Lamas quasi direkt in einen Pullover gestrickt werden können, so scheint s. Kühe, Schafe, Lamas und Pferde in Pferdejacken. Weil es ist kalt. Heute Nacht hat s unter Null gehabt. Und ich hab zwar zuletzt ein bisschen über die meiner Eitelkeit zuzuschreibenden Einschränkungen meiner Kleidung berichtet, aber wenn s hart auf hart kommt, dann ist das ja egal.

In Beauty Point, wo der Bus seine Endstation hat, gibt s das Schnabeltierhaus und die Seepferdechenwelt. Und ich hab mir beides gegeben, auch wenn ich nur drei Stunden Zeit hatte, weil der letzte Bus am Samstag bereits um halb zwei wieder zurück nach Launceston fährt. Aber nachdem das beides geführte Besuche sind, war eh klar, dass die nur jeweils eine Stunde dauern und dann ist sich sogar noch Zeit für einen Kuchen im Café River ausgegangen.

Schnabeltierhaus war super. Ich hab eh gesagt, dass ich die sehr herzig finde und das tolle an tasmanischen Schnabeltieren, im Gegensatz zu denen am Festland, ist, dass sie sich nicht auf Nachtaktivität beschränken. Das, scherzt der Führer, hätten sie auch mit den Menschen gemeinsam, wo die TasmanierInnen ja auch insgesamt mehr leisten als die FestlandaustralierInnen. Haha, nein, bloß ein Scherz. Ich komme mir immer ein bisschen vor, als würde ich da aus der Reisegruppe hervorstechen, weil in der Regel halt vor allem Kinder und hier vor allem Mädchen mit ihren Eltern (vor allem Müttern), in den Attraktionen von Beauty Point zu finden sind. Hier vor allem in der Seepferdchenwelt. Deswegen ist es umso seltsamer, dass ein Dreifachpass angeboten wird, der neben der Seepferdchenwelt und dem Schnabeltierhaus noch das Beaconsfield Mine and Heritage Center beinhalted, also einen Besuch in das Minenmuseum. Weißt, wenn ich die Zeit gehabt hätte oder nicht so überrascht davon gewesen wäre, dass ausgerechnet die industrielle Vergangenheit der Gegend noch Gegenstand meines Ausflugs sein sollte, hätte ich mir das ja auch angeschaut. Aber insgesamt bisschen eine komische Kombination.

Weniger komisch ist, dass das Schnabeltierhaus neben den fünf Schnabeltieren auch drei Echidnas – also Ameisenigel – beherbergt. Die beiden sind nämlich die einzigen lebenden Vertreter der Monotremata, der Kloakentiere: Säugetiere mit Kloake, die Eier legen und ihre Kinder (puggles) säugen. (Uh! Babyschnabeltiere haben außerdem Zähne, die ihnen später zugunsten von so Mahlplatten ausfallen.) Schließlich haben sie beide die Beinstellung von Reptilien, was es ganz witzig macht, ihnen beim Watscheln zuzuschauen. In einem Eingangsvideo war eine deutsche Biologin zu sehen, die sich als Kind für Schnabeltiere interessiert hat und deswegen jetzt in Australien ist und die ein Schnabeltierweibchen verfolgt und dann tun sie eine Kamera in den Bau und schauen den geschlüpften Jungtieren beim Aufwachsen zu. Wie man s halt macht, in einem Tierfilm. Weil man weiß so wenig, heißt s immer wieder, man weiß so wenig. Und ich denk mir, wenn ich das gewusst hätte, dass man so wenig weiß, dann hätte ich doch sowas gelernt, so leicht wie ich der Tätigkeit gegenüber begeisterungsfähig bin…

Dann haben wir uns Jupiter angeschaut, weil der der größte Planet sei und deshalb heißt auch das große Schnabeltier so. Und der ist wirklich groß, vielleicht sechzig Zentimeter, das eine Männchen, dass sie haben. Weil sie sind bisschen sehr territorial und da wird nur ein Männchen im Schnabeltierhaus geduldet. Weibchen haben sie vier und eine davon heißt Poppy und eine andere Freya, worüber ich mir die anderen zwei Namen dann gar nicht mehr gemerkt hab. Und als er gesagt hat, dass sie beim Tauchen die Augen zu machen, hat mich das gar nicht gewundert, weil wenn sie am Boden nach Essen suchen, dann machen sie das im Kreis und durchaus systematisch, aber auf jeden Fall schaut s nicht so aus, als würden sie sich gründlich nach Essen umschauen.

Ich glaub, das ist Poppy, die in ihrem Aquarium irgendwelche Würmer verloren hat. Wunzig im Gegensatz zu Jupiter. Aber herzallerliebst in Gegensatz zu so ziemlich allem anderen auf der Welt!

Durch das Ameisenigelzimmer gehen wir dann einfach so durch, während die Ameisenigel aus ihren Bauten kriechen um sich ein Essen abzuholen, dass der Führer auf den Boden stellt. Das ist so eine Creme, aber es sind auch wirklich Ameisen drin. Die sind schon auch herzig, das miss man ihnen auf jeden Fall anerkennen. Wie sie schlurfen und dass sie eigentlich halt so kleine bestachelte Kugeln sind, aus denen vorne eine lange Nase und drumherum kleine Beinchen mit langen Klauen hervorwachsen.

Selbst der Führungstyp war überrascht, dass sie plötzlich zu dritt dastanden, weil der eine („Big Tom“) war eigentlich gerade im Winterschlaf. Allerdings tun sich die offenbar relativ leicht, mit rein und raus aus dem Winterschlaf und so hat er kurzerhand auf einen Teller Ameisen vorbeigeschaut.

Interessant ist bei beiden Tieren, dass sie – auf Tasmanien – nicht gefährdet sind. Sie dürften insgesamt genügend Platz haben und einheimische Raubtiere suchen sich in der Regel kleinere Tiere. Füchse seien am Festland ein Problem, aber auf Tasmanien gibt s keine Füchse. Manchmal holt sich ein Adler ein Schnabeltier oder versucht irgendwie an die weiche Unterseite von einem Ameisenigel zu kommen. Aber insgesamt geht s ihnen gut, stabile Population und alles. Auch gut zu hören.

Seepferdchen gibt s überhaupt viele. Ich mein, er sagt wenig darüber, wie s ihnen in der Natur geht, aber die ganze Seepferdchenwelt ist eine Zuchtstation und man kann dort auch seine Seepferdchen kaufen. Er sagt immer wieder mal Preise durch, wenn er die verschiedenen Arten beschreibt. Aber nicht wie im Geschäft, mehr so nebenbei. Und Seepferdchen, ich mein, man muss sicher auf Sachen aufpassen, der Tourguide meint zum Beispiel, dass die Einrichtung eines Seepferdchenaquariums schon einmal ein halbes Jahr dauern kann, bis alles passt, bevor man sich sein Seepferd hineinsetzt. Aber wenn man s mal heraußen hat… Nachdem der Vater oft einmal mehrere hundert Seepferdchenfohlen zur Welt bringt, schwimmen in den Zuchttanks einfach tausende kleine Seepferdchen herum. Weil in der Natur ist natürlich das Problem, dass die anderen Seepferdchen gerne mal einen Seepferdchennachwuchs schnabulieren, geschweige denn die anderen MeeresbewohnerInnen. Immer eine Gefahr für ein Seefüllen. Aber in der kontrollieren Seepferdchenwelt des Aquariums überleben wahrscheinlich fünfundneunzig Prozent.

Kübelweise Seefohlen.

Ja, die Väter. Das Weibchen übergibt die Eier dem Männchen in eine Bauchtasche, in der sie befruchtet werden. Die Fohlen schlüpfen dann sogar in der Bauchtasche und dann kann man sich einen Film anschauen, in dem das Männchen kleine Seepferdchen (Seepferdchenchen?) aus seiner Bauchtasche schleudert. Und deshalb kann man das Geschlecht von Seepferdchen am Bauch erkennen: die Männchen haben einen Wasserbauch und die Weibchen was der Führer ein Six-Pack genannt hat. Weil um attraktiv zu wirken, stopfen die Männchen ihre Bauchtaschen mit Wasser aus um stolz ihre Wamperl zu zeigen.

Das ist kein Seepferdchen, sondern, glaub ich, ein Seedrache oder wie die deutsche Wikipedia ergänzt: ein Kleiner Fetzenfisch. Und das bisschen mehr Fisch sieht man ihm auch an, muss sich nicht festhalten und all das.

Und dann haben wir noch Seepferdchen gehalten und das ist immer spätestens der Moment, wo man merkt: ich konkurriere mit kleinen Mädchen um einen Platz am Aquarium. Nein. Eh nicht. Ich lass die kleinen Mädchen gerne vorher ein Seepferdchen halten. Leider war mein Seepferdchen dann schon etwas des Haltens müde oder es war insgesamt ein bockiger Seemustang. Idealerweise hätte es ja seinen Schwanz um meinen Finger geschlungen und wäre lässig in der Strömung gestanden. Aber nichts da, das reinste Rodeo, wenn man beim Rodeo das Rodeopferdchen einfach mit einer Hand fassen würde. Und so hab ich mich nach wenigen Sekunden auch abwerfen lassen.

„How was your day?“, hat der Busfahrer zu mir gesagt, als er mich um halb zwei abgeholt hat. Ja, hab ich gesagt, schön war s.

Abends war ich dann noch den Spiderman anschauen. Weil irgendwie wollte ich gern noch ein bisschen raus am Abend und nachdem die Busstation gegenüber vom Kino gewesen ist, hab ich da schon das Programm gecheckt gehabt. War dann auch ganz gut. Ein bisschen zu durchsichtig der Plot ganz ehrlich, das hat mich nicht überrascht, was da dann vielleicht für Überraschung sorgen sollte. Hingegen war ich überrascht, dass der Spiderman auf seiner Europatour auch in Österreich gewesen ist. Weil sie sind von Venedig über die Alpen nach Prag gefahren und das war zwar ein bisschen ein Umweg und die Musik war auch schon Tschechisch. (Ich hab s zuerst eher für was Jugoslawisches gehalten, aber nachdem in Prag der Soundtrack mehr oder weniger fortgeführt wurde, tippe ich jetzt auf Tschechisch in the first place.) Aber ich hab mich bisschen überrascht umgeschaut, als die Alps, Austria Einblendung gewesen ist und nicht mehr Enthusiasmus spürbar wurde. So sehr bin ich in dem Film verloren gegangen, dass es einen Moment gebraucht hat, bis ich mich ja nicht von ÖsterreicherInnen umgeben erkannt habe. Und für eine Szene, die an einer generisch-alpinen Raststation spielt, bring ich jetzt auch keine Heimatsbegeisterung auf.

Dann, jetzt ein bisschen weiter in die Filmkritik eingehend, hab ich schon auch auffällig gefunden, dass die Bösen mal wieder enttäuschte ArbeitnehmerInnen sind. Das hat mich schon beim Spiderman Homecoming bisschen irritiert, den ich vor ein paar Wochen im Fernsehen bisschen angeschaut habe, dass der Böse ein enttäuschter Arbeiter ist, dem seine Arbeitsgrundlage illegal gemacht worden ist, weil der reiche Anton Stark oder die Regierung oder halt jemand mit im Zweifelsfall Waffengewalt, die Artefakte für sich beansprucht, die der Michael Keaton mit seiner Firma aus den Ruinen klaubt. Und jetzt wieder, zwar nicht mehr Blue-Collar aber schon wieder die dem Lob auf ihre Arbeit enteigneten ArbeitnehmerInnen. Uncool, Spiderman, Handlanger des Großkapitals! „Friendly Neighbourhood“, my bum! Und uncool wer auch immer sich keine Sorgen über die moralischen Implikationen der Darstellung von skrupellosen, machtgeilen ArbeiterInnen in für Kinder gemachte Filme macht.

Ich glaub, es war mein erster Marvel Film im Kino. Aber sieht man, wie kalt es am Heimweg war?

Und am nächsten Tag dann ein Spaziergang in den Cateract Gorge, da geht so ein Weg in die Schlucht hinein, wo einer der Zuflüsse in den Tamar ein bisschen ein Wildwasser und ein bisschen einen hübschen See macht, in den im Sommer die LauncestonerInnen wohl baden gehen. Aber nicht jetzt. Jetzt ist es kalt und Hochwasserwarnung. Aber es ist ein schöner Spaziergang, eine halbe Stunde und man hat dank Schlucht das Gefühl, ewig weit von allem Weg zu sein.

In der Schlucht gibt es auch ein betonernes Becken zum Längenschwimmen. Und der Himmel, ja, irgendwie ist der Himmel auf der Südhalbkugel schon schön.

Launceston selbst hat mir eigentlich auch ganz gut gefallen, vielleicht auch nach so langer Zeit in der großen Stadt, dass mir das mit der Kleinstadt wieder ganz gut getan hat. Gut gefallen hat. Es hat mich ein bisschen an Tin Can Bay erinnert, obwohl es sicher deutlich größer ist. Aber daran hab ich gedacht, diese erste Begegnung mit den breiten Straßen und den großen Vorgärten… Aber das war eigentlich auch mehr beim Reinfahren, weil dort wo ich dann war, war s eh deutlich kompakter. Immer noch breite Straßen. Und die blödesten Ampeln, die ich in Australien erlebt hab, weil die nur grün geworden sind, wenn man gedrückt hat, aber meistens, wenn man gedrückt hat und die Autos hatten schon grün auf der Geraden, hat s mir nicht mehr grün gemacht. Auf der anderen Seite haben sich die Leute sehr stark an die Ampeln gehalten, das war auch irgendwo überraschend.

Interessant war auch, dass mir mindestens drei Buchgeschäfte aufgefallen sind. Also echte Buchgeschäfte, keine Geschäfte, die einfach mal eine Kiste Bücher um einen Euro vor die Tür stellen, aber auch keine Megastores, kein Thalia, kein Amazon, nicht mal ein Frick. Das ist schon erstaunlich, these days und vielleicht überhaupt days.

Hier bin ich mal wieder lange auf der Straße gestanden um ein Foto von einem kleinen Vogel zu erhaschen. Auf diesem sind s sogar zwei geworden.

Am Nachmittag hab ich mir im Museum noch eine Eintrittskarte in die Dinosaurierausstellung gegönnt. Weil das Museum natürlich gratis, aber die Sonderausstellung war ihr Geld auch durchaus wert. Da hat sich nämlich jemand die Mühe gemacht und eine kleine Ausstellung über die Federn auf Dinosauriern zusammengestellt. Und da haben sie (günstige, möchte ich sagen) Kopien von Fossilien an die Wand gehängt und einen Zeichner gehabt, der ihnen hübsche, farbenprächtige Bilder von Dinosauriern gemacht hat und sogar ein paar animatronische Dinosaurier mit Federn drauf. Die wirklich ein Scheiß sind, aber ja, was soll s. Ich mein, ist ja für die Kinder und wenn das die Begeisterung weckt. Wie. So. Nicht. Weil ich hab mir wieder gedacht: als ich ein Kind war und mich für Dinosaurier interessiert hab, hab ich ein bisschen gedacht, dass man schon alles weiß und dass Paläontologie nicht so spannend ist. Dass da die ganze Federrevolution quasi direkt in meine Generation fallen würde, das hab ich nicht geahnt. Sooo spannend, was sich da getan hat und so interessant, weil das ganze so von China getrieben wird und da gibt s sicherlich einiges, was man auch soziologisch und ethnologisch betrachten könnte, ob der Fortschritt langsam ist, weil die traditionelle Paläontologie wohl globaler wird und hundertfünfzig Jahre Anglozentrismus dem sicherlich ein bisschen entgegenwirken.

Das ist das Bild vom Luis Rey, auf dem sich ein Velociraptor an einen Avimimus heranmacht…
…und hier haben sie s mit Skelettmodellen nachgestellt. Hab ich hauptsächlich fotografiert, weil es explizit daran erinnert, dass Velociraptoren nur zirka zwei Meter lang waren. Und die Klaue, die der Alan Grant den Film über in der Hand hält ist etwa doppelt so lang wie die, die dieser hier an seinen Füßen hat. Hätte wahrscheinlich trotzdem gedrückt, wenn man drauf schläft.

Der Rest des Museums war ganz bunt zusammengewürfelt. In einem Raum ist die ausgestopfte Tierwelt Tasmaniens mit der ausgestorbenen zusammengewürfelt. Witzigerweise sind die Dinosaueriermodelle in der permanenten Ausstellung auf dem Stand der Neunziger, also sans Federn und der Allosaurus schwingt einen Schwanz so schlangenhaft, wie ich glaube, dass man das heute nicht mehr darstellen würde. Da stehen zwei alte Autos neben einem Pferdegeschirr, drüber ein Flugzeug und ein Pteranodonmodell. Hinten ist eine Abteilung über Strafgefangene, die nach Tasmanien deportiert wurden (für lächerliche Straftaten, leider ist das Foto nicht herzeigbar…), eine großzügige Geologieabteilung und eine ausführliche Präsentation über den tasmanischen Tiger, mit kurzen Videoausschnitten und einem ausgestopften und Zeitungsartikeln und allem, was man noch hat über das Tierchen, das es wohl seit neunzig Jahren nicht mehr gibt.

Im ersten Stock war dann eine Sonderausstellung über Marjorie Bligh, Domestic Goddess. Das war in Neuseeland, gell, wo das Haus im Museum ausgestellt war, in dem dieses Ehepaar seine Muschelsammlung aufgehängt hatte. Nun, hier ist das Leben einer Frau dokumentiert, die Bücher über ordentliches Haushalten geschrieben hat, die regelmäßig Preise für Handarbeiten gewonnen hat und die aus Plastikabfall Untersetzer gehäkelt hat. Und ich will das gar nicht kleinreden. Im Gegenteil finde ich das sehr toll, dass man als kleines Museum eine Ausstellung über eine lokale Legende macht, die die Gegend ein bisschen geprägt hat und die ein paar Bücher geschrieben hat. Außerdem kann man ein bisschen das wandelnde Frauenbild behandeln und eine ganz witzige Yarnbombing Aktion machen, wo den Dinosauriermodellen Häkeldeckchen übergeworfen werden. Fand ich schon gut. Und sie ist mit folgendem Spruch zitiert, den es im Shop dann auf Tragetaschen und T-Shirts gab und damit eh überkommerzialisiert wurde und schon wieder an Wert verloren hatte: Let me have my way exactly in everything, and you will find that a pleasanter creature does not exist.

Ich hatte den Eindruck, diesen Triceratops schon mal wo gesehen zu haben. Wie viele derart gute Triceratopsschädel gibt s wohl insgesamt? Und von wie vielen gibt es Kopien für die Museen in aller Welt, weil das sind ja in der Regel nicht die echten Knochen, die da ausgestellt werden.

Get Packing

Und so mache ich mich wieder auf den Weg. Die (sechs!) Wochen in Melbourne sind schnell vergangen und während ich zum dritten und voraussichtlich vorerst letzten Mal im SkyBus zum Melbourner Flughafen fahre, denke ich daran, wie gemütlich die letzten Wochen waren. Nämlich nicht nur eben die Faule Haut in Melbourne, wo ich in Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeit stellenweise untergegangen bin, auch in Indonesien hatte ich immer noch den Einzelzimmerluxus. Ja, daran denke ich vor allem, dass ich jetzt wieder in Stockbetten schlafen werde, auf jeden Fall solange ich noch in Australien unterwegs bin.

Einmal werd ich hier noch wach: Der Blick aus meinem Melbourner Schlafzimmer auf den unerwartet blauen Himmel und einen Hinweis auf eine zeitlicher aufstehende KranlenkerIn.

Ich mache mich auf den Weg für ein paar Tage Tasmanien und dann noch ein bisschen Sydney, bevor ich Australien insgesamt hinter mir lassen werde. Hat s mich doch noch gelockt, die Empfehlungen, mir doch unbedingt noch Tassie anschauen zu müssen und danach noch einen Blick auf die zwei meistfotografierten TouristInnenattraktionen Australiens zu werfen, praktischerweise direkt nebeneinander: Sydneyer Opernhaus und selbigens Harbour Bridge. Ich bin etwas besser vorbereitet als sonst, hab nochmal den dicken Australien Lonely Planet hergenommen und mir ein bisschen eine Reiseroute zurechtgelegt. Ich hab zwar auch meine Fehler gemacht und einen Flug gleich mal verfallen lassen, weil umbuchen einfach teuer gekommen wäre. Aber das hat man halt, wenn man einen Plan macht. Nur wer nicht plant, verplant sich nicht.

Sonst zeigen die Vorbereitungen, dass es insbesondere auf Tasmanien wieder einmal am gschicktesten wäre, ich würde mir ein Auto nehmen, weil es ja hier auch um ein bisschen Wildnis geht, die man sucht. Ich aber plane meine Route wieder entlang des öffentlichen Verkehrs, ich mein, ja, besser als nicht und ich bin eh kaum eine Woche da. Meine Lieblingszeile im Reiseführer bezieht sich auf den Mole Creek, wo geschrieben steht, dass man mit etwas Glück in der Morgen- und Abenddämmerung Schnabeltiere in den Wasserwegen beobachten kann. Hm… Wasserweg? Da ist schnell einmal mein Interesse geweckt, nachdem ich Anfang der Woche eine halbe Stunde in der Dunkelheit des Schnabeltierhaus im Zoo gestanden bin und dort erlebt hab, wie herzig, wie unglaublich herzig, diese Tiere sind. Was auch witzig war, dass ich halt doch lange in dem dunklen Zimmer gestanden bin und die Augen sich immer mehr an die Dunkelbheit gewöhnt haben. Und dann kommen neue BesucherInnen herein und suchen das Schnabeltier in seinem Aquarium, während ich sehe, dass es direkt vor ihnen schwimmt. Das sind fast ein bisschen SuperheldInnenfähigkeiten, die ich da erlebt hab. Und so klein sind sie! Ich glaub, dass ich mir die immer zumindest einen Meter lang vorgestellt habe. Vielleicht dass meine Kinderaugen da irgendwo ein Bild in einem Buch gesehen habe oder dass in Videoaufnahmen die Größenverhältnisse nur so schwer feststellbar sind. Aber sie sind ja nur dreissig, vierzig Zentimeter lang. Und so der Körper von einem Otter (ich mein, nein, aber am ehesten), mit den Watschelfüssen und der Entenschnabel, das ist schon sehr süß von den Voraussetzungen her.

Kinder und Erwachsener kommentieren ihren Erfolg, das nachtaktive Schnabeltier im dunklen Aquarium zu finden.

Jetzt denk ich aber auch ein bisschen daran, was Melbourne mit mir gemacht hat, dass ich, kaum, dass ich am Weg zum Flughafen bin, mich wieder an die Klaviatur meines Notebooks setze, während mir das jetzt geschlagene sechs Wochen lang einfach nicht in den Sinn gekommen ist, ja mich mit Überwindung konfrontiert hat, die ich nicht aufgebracht hab. Letztlich ist das schwierig, aber ein Kernproblem. Es hat irgendwas mit Sinnhaftigkeit zu tun, mit Perspektive und so. Aber auch mit dem Gefühl einfach untertauchen zu können und aus der Welt in mein Zuhause verschwinden zu können, in der Unübersichtlichkeit der ungreifbaren Endlichkeit. In dem Moment, wo ich anfangen habe, mich wieder damit auseinanderzusetzen, nur noch zehn Tage, eine Woche, achtundvierzig Stunden hier zu sein, habe ich wieder eine Dringlichkeit gespürt, die mir dazwischen abgegangen ist. Das Gefühl, von der Welt eine Pause nehmen zu wollen – und trügerischerweise das begleitende Gefühl, das auch tun zu können – ist ja etwas, was ich aus dem Wiener Rhythmus gut kenne und was eines der Hauptmotive war, mich in den Flieger zu setzen. Und wenn ich von Busfahrt zu Busfahrt denke, dann läuft das auch gut. Mit den zur Hand seienden Rückzugs- und Auseinandersetzungsverweigerungsmöglichkeiten verantwortungsvoll umzugehen, das hat mich vielleicht ein wenig überfordert. Wenn ich dann doch einmal einen Ausflug in die Stadt oder eben in den Zoo gemacht habe, hat sich das schnell gelegt. Mit Menschen in Kontakt sein, das ist da eigentlich immer hilfreich. Aber wenn der Zweifel nagt, dann ist das leichteresagtalsgetan…

Na, wenn ich den Zoo nochmal erwähne, dann leg ich da gern auch noch ein Zoobild bei. Bei dem blauen Himmel darf man nicht Kausalität und Korrelation verwechseln! Ich hab das Bild hochgeladen, weil das Licht gut ist. Ausnahmsweise einmal. Und: Ich hab schon so lang keine Giraffen mehr gesehen, ist mir aufgefallen, sind die Schönbrunnernen schon in ihr neues Haus gezogen?

Anyway. Ich hab mir neue Schuhe gekauft und weil fünf Paar Schuhe zu viel sind – I guess das war auch irgendwo Teil der Überlegung als ich in Indonesien so lange gezögert habe, mir Flip-Flops zu kaufen bis ich dann keine gekauft habe – habe ich die Sportschuhe in Coburg gelassen. Das ist ein Euphemismus für Weggeschmissen. In Wirklichkeit haben die auch schon derart gerochen, dass es mir teilweise unangenehm war, sie in der Gegenwart von anderen auszuziehen. Und wenn man, siehe oben, in Hostels wohnt, dann wird viel vor anderen Leuten ausgezogen. Vor allem auch Schuhe. Und selbst Schuhe kaufen ist nett. Ich hab das auch mit der V. besprochen, die Leute sind ein bisschen bewanderter darin, das ganze Verkaufen nicht zu einer mühsamen Erfahrung zu machen, weil sie… nun. Ich weiß natürlich nicht wirklich, wie das ist. Sie sind einfach besser im miteinander reden, kommt mir vor und die Schuhverkäuferin ist mir so auch authentischer vorgekommen. Natürlich: vorgekommen. Ich hab da noch ein bisschen nachgedacht, weil sie, als ich mich dann entschieden hatte und es mit dem Zahlen ans Ende der Transaktion gegangen ist, gesagt hat, ja, auch ihr gefallen die olivgrünen besser als die schwarzen, gegen die ich mich zugunsten der olivgrünen entschieden hab. Und sagt sie das vielleicht einfach so, weil man das sagt, um die KäuferIn in dem Gefühl zu bestärken, sie habe da gerade eine gute Entscheidung getroffen? Weil oft kippt man ja schnell einmal in eine Post-Konsum-Depression, dass man schon wieder Geld ausgegeben hat und schon wieder ein Klumpert mehr hat. Und dann hilft das, ob authentisch oder freundlich ist in der Wirkung recht ähnlich.

Too many shoes on the dance floor!

Meine Sorge ist mehr, dass die olivgrünen Schuhe mit der beigen Hose und dem sandfarbenen Sakko um Aufmerksamkeit ringen, wer wohl den Ton am besten getroffen hätte, weil alle drei können nicht recht haben. Da hab ich auf jeden Fall eine Lektion gelernt, weil meine Garderobe nur beschränkt intern kompatibel ist: Da sind die Brauntöne, die ich nicht miteinander kombinieren kann und dann gibt s auf der anderen Seite die Jeans und den Pullover, die mich gemeinsam in Dunkelblau tunken. Was blöd ist, weil beides zusammen einfach mein wärmstes Outfit darstellt und ich bin schon wieder so weit im Süden, dass es hier so kühl ist, dass ich immer noch jedes Mal überrascht bin, wenn ich feststelle, welches Monat ist. Jetzt schau ich drauf, dass ich den Pullover mit der beigen Hose trage, dann tendiere ich aber zur weniger warmen Jacke… es ist alles nicht so einfach. Es ist etwas besser, wenn s warm ist. Das Grün meiner kurzen Hose schlagt sich nur mit zwei, drei T-Shirts aber da hab ich zum Glück eines meiner wenigen schwarzen Kleidungsstücke zur Alternative.

Wie dem auch sei, ich hab neue Schuhe und die sollen halbwegs wasserdicht sein, sie sind angenehm zu tragen, hübscher als die schwarzen und außerdem etwas leichter und weil sie insgesamt doch weniger stabil als die Laufschuhe sind, sind sie auch etwas besser einzupacken weil besser flachzudrücken, was ja auch kein Fehler ist. Eigentlich könnte ich fast auf die rauhledernen verzichten… aber dann wiederum hab ich im Südpazifikreiseführer einen Satz über französische Cafés gelesen, in denen ich auf Tahiti sitzen werde und dem regen Treiben im Hafen zuschauen werde. Dafür sind die rauhledernen vielleicht nicht schlecht.

Den Rucksack neu zu packen hat mir doch ein bisschen zu denken gegeben. Ich würde das wohl heute anders machen als vor einem halben Jahr. Da hab ich zumindest was gelernt. Gestern ist mir der Rucksack dann zunächst auch so leer vorgekommen, grad halb voll mit meinem Gewand und so… Am Weg zum Flughafen heute hab ich dann gemerkt, dass ich auch mein Handtuch in Coburg gelassen hab, was jetzt allerdings kein Euphemismus ist, sondern ein Unglück, das mich mental die Hände über dem Kopf zusammenschlagen lässt. Ausgerechnet das Handtuch vergisst er… Es ist so komisch, weil ich heute in der Früh noch die Zimmer kontrolliert habe, ob ich irgendwo was liegen gelassen habe: Strategisches Ausziehen, ein Zimmer nach dem anderen: Schlafzimmer – Check!, Badezimmer – Check!, Wohnzimmer – … mnja, bisschen komplizierter, weil ich da noch den Mist rausbringen muss. Aber als ich nach dem Badezimmercheck die Stufen ins Erdgeschoss runtergestiegen bin, hab ich mir echt gedacht, es ist so seltsam, dass ich das so mache, weil ich seh doch gar nicht richtig, was ich da anschaue, weil mir diese Zimmer so vertraut geworden sind, sie so von mir in Beschlag genommen worden sind, dass ich das gar nicht wirklich sehe, wie sie anders sein sollten, ohne mich. Oder was in der Art, ganz genau kann ich den Gedankengang jetzt nicht mehr rekonstruieren. Aber ich hab auf jeden Fall darauf reflektiert, dass ich hier die Zimmer checke und irgendwie muss ich auf irgendeiner Ebene festgestellt haben, dass ich das nicht ordentlich mache, weil ich da gerade mein hängendes Handtuch übersehe, während ich glaube, kontrolliert zu haben, nichts vergessen zu haben.

They didn’t even call the flight, did you hear them call the flight?“ Nicht nur, dass der Flug nicht ausgerufen wurde, das Gate war auch gesperrt, während wir geboarded sind. Haben. Eingestiegen sind.

Und jetzt bin ich sans Handtuch in Tassie. Auf der anderen Seite, abgesehen davon, dass das Handtuch liegen zu lassen für einen Reisenden schon ein schlechtes Omen ist, ich hatte auch schon seit einiger Zeit vor, mir ein anderes Handtuch zu kaufen. Weil es da diese leichten Handtücher gibt und während ich zwar oft einmal finde, dass ein Handtuch gar nicht so schwer ist, vor allem ein trockenes, sind diese leichten Handtücher doch deutlich, naja, leichter und insgesamt platzsparender. Und trocknen tun sie letztlich auch flotter. Als doch recht konservativer Adopteur von Innovation, hab ich halt einfach irgendwo ein normales Handtuch lieber als so eines aus irgendwelchen Weltraumfasern und halte sie deshalb ein bisschen für Unfug, eine Spielerei für überausgerüstete, ein Accessoire für Am-Puls-der-Zeit-Reisende, ein Gimmick.

Ausgerechnet das Handtuch.

Nevertheless. Ich werde jetzt einmal in den Outdoorshop gehen und mich nach einem Spaceagehandtuch umsehen.

Checking out Jakarta

Also ich bin ganz hin und weg von Jakarta. Das kann gut einfach sein, weil ich jetzt noch damit angefangen habe, Indonesien total super zu finden und jetzt gar nicht so recht wegfahren zu wollen. Und dann ist Jakarta auch gar nicht das, was ich befürchtet hab: die Stadt erschlägt mich nicht mit ihrer Größe, weil selbst wenn hier über zehn Millionen Menschen wohnen und gerade noch hinter Tokyo auf Platz zwei der größten Ballungszentren der Welt liegt, die seh ich ja nicht alle. Ich wohn zwar quasi an der Grenze zum Stadtzentrum, wenn nicht überhaupt eh im Stadtzentrum und bin heute halt durch das Stadtzentrum gelaufen, aber trotzdem: geh ich von der fünfspurigen Stadtautobahn in eine Seitenstraße, finde ich dort die selben kleinen Standeln, die selben Leute, die selben Häuser wie in jeder anderen Stadt, in der ich hier gewesen bin. Es herrscht dort schlagartig eine andere Stimmung, auch wenn sich der Verkehr manchmal ein bisschen auch dort den Weg durchbahnt, wenn sonst alles stockt. Es ist natürlich schwierig, etwas über eine Stadt zu sagen, nachdem man sie einen Tag lang gesehen hat.

Weil gestern bin ich ja um viertel fünf am Bahnhof in Bandung gesessen und hab darauf gewartet, dass ich auf den Bahnsteig darf. Weil da hat er mich nicht durchlassen. Ich bin dann etwa um halb auf dem Bahnsteig gewesen und da waren grob geschätzt schon hunderttausend Leute, also ich weiß nicht genau, warum ich nicht hab dürfen aber um ehrlich zu sein bin ich froh, wenn man mir irgendwas sagt. In einem Café in Bandung hab ich gefragt ob sie open oder closed sind und hinter der Budl war nicht so viel Englisch vorhanden oder ich weiß nicht, hat er einfach eines von den beiden ausgesucht und wiederholt, auf jeden Fall hatte ich den Eindruck es wär offen und hab schon die Karte angeschaut und dann hat er ganz bemüht versucht wieder meinen Blick zu bekommen um mir zu deuten, dass nein, doch closed. Und wie gesagt, ich bin wirklich dankbar für alle Informationen die ich dann letztlich bekomm, weil wegen mir muss niemand Englisch lernen. Na und in Jakarta ratz-fatz von dem einen Bahnhof zu meinem Bahnhof, zweimal umsteigen, alles kein Problem, die Sicherheitsleute am Bahnsteig total hilfreich, wissen was ich mein, wenn ich die Stationsnamen ausspreche und der eine hat sich sogar nochmal um mich gekümmert, als sie meinen Zug auf den anderen Bahnsteig umgeleitet hatten. Da hat er mich nochmal gesucht und mir das gesagt. Total nett. Erwartet man das in einer Großstadt? Nicht unbedingt.

Mein Fahrer in Bandung hat ein paar Mal den Kopf geschüttelt über wie verrückt der Verkehr in Jakarta sei. Es ist auf jeden Fall keine Stadt für FußgängerInnen. (Ist mir aber egal.)

Im Hotel hat man mir an der Rezeption gesagt, ich könne erst um zwei einchecken. Natürlich, ich hab ja auch geplant erst um zwei da zu sein… Aber sie ist so lieb und nimmt meinen Rucksack. Ob s ein Café gibt irgendwo oder irgendwas, frag ich. Mall?, fragt sie mich. Ja, warum nicht, Mall. Also geh ich zum Great Indonesian. Leider hat das zu. Ich glaub, weil ein Feiertag war, wie ich später gelesen hab. Aber zuerst glaub ich ja, dass es wegen Demonstrationen oder irgendwas ist. Und ich war mir nicht ganz sicher, ob der Polizeischutz, der das Einkaufszentrum umstellt, ob der immer da ist oder halt heute, quasi Ausnahmezustand.

Für mich aber blöd, ich lauf herum und weiß nicht so recht warum. Es ist nicht mal zehn, das ist mein Problem, wo soll ich meine vier Stunden hier versandeln. Ein bisschen ist mir schon noch unwohl, dass ich mit meinem ganzen Geld (sechzig Euro mindestens waren das) und dem Notebook und so unterwegs bin. Ich glaub ja, es ist Ausnahmezustand. Glücklicherweise hab ich die Karte ja auf dem Telefon und das funktioniert auch offline gut genug und ich schau bei dem einen oder anderen Café vorbei, die ich auf meiner Karte finde. Hinter der deutschen Botschaft finde ich dann eins, das auf den ersten Blick schon ein bisschen komisch ausschaut, aber sie haben offen und ich denk mir, gut, das schaut schon ok aus. Komisch mein ich, dass es total eine AusländerInnenabsteige war. Ganz einfach preislich gesteuert. Ich hab dort quasi Wien-Preise gezahlt. Aber dafür bin ich auch drei Stunden dort gesessen mit meinem Tabbuleh mit Chorizo und meinen zwei Kaffees. Weil ich hab jetzt ein bisschen angefangen, Kaffee zu trinken. Das ist für jetzt, weil das einfach, auch wenn ich grad noch bis zum Hals in Tee gestanden bin, ein Kaffeeland ist. Und er ist gut, was soll ich sagen.

Cup of coffee.

Weil ich in der Früh so irre müde gewesen bin, wollte ich mich dann am Nachmittag ein bisschen hinlegen. Aber die zwei Kaffee, naja, war nicht. Aber ich bin im Hotel herumgelegen und zum ersten Mal in Indonesien amerikanisches Fernsehen gehabt. Ist auch nicht wirklich was gewesen, aber ich hab meine Stadterkundung für heute aufgehoben.

Blöde Idee war das. Blöde Idee weil gestern war vielleicht Feiertag, aber heute ist Montag und anscheinend ist Montag alles zu. Mein Ausflug hat mich zirka sieben Kilometer nach Norden geführt – erm, Luftlinie. Und da waren allerhand Attraktionen aufgelistet. Als erstes führ ich mich in einen großen Park mit einem großen Ständer in der Mitte, stellvertretend für die Kraft, die für die indonesische Unabhängigkeit aufgewandt wurde. Aber als ich den Park betreten möchte, höre ich ein Mister! und der Sicherheitsbeamte sagt mir, dass heute leider der Park zu ist. Maintenance. Maintenance?, denk ich. Vielleicht wird der Park sauber gemacht. Und ich mein, das muss man schon sagen: Indonesien hat ein massives Problem mit dem Mist. Jakarta ist relativ sauber, ganz ehrlich, so wie ich auch in Yogyakarta oft, gefragt wie ich s finde, gesagt hab: sauber. Und die Leute sind freundlich und yaddah-yaddah. Aber das ist halt relativ. Während ich hier war hab ich auch diese Schlagzeile mal gelesen, dass sich die Länder der Welt relativ einig sind, dass es keine gute Idee ist, den Mist der Reichen in die Geographie der Armen zu exportieren. Weil es offenbar usus ist, dass Privatpersonen in Südostasien sich die Müllentsorgung abkaufen lassen und dann einfach tonnenweise Mist in die Landschaft kippen und sich eine zweite Yacht kaufen. Guter alter Kapitalismus.

…aber ich schaff es einfach nicht.

Also der Park zu, das Museum zu, das andere Museum zu. Was offen hat, und was ich besuche ist die Moschee. Die Große Moschee von Jakarta. Und ich mein, das ist nicht untertrieben, die hat schon irre viel Platz. Ich weiß ja zu wenig über Moscheen, warum da so viel Platz draußen ist, zum Beispiel. Weiß ich nicht. Und sie hat halt keine Bänke drinnen, das ist mehr so frei gestaltbarer Raum. Multi-Purpose. Außer dass die Frauen und Kinder halt bisschen auf der einen Seite sitzen müssen, weil die Männer den meisten Platz brauchen. Und jetzt will ich das nicht kleinreden, da ist eine Geschlechterdifferenz tief eingegraben in dieser Architektur. Wobei, in der Architektur, es ist ja nur ein Zaun in der, nun, nicht ganz in der Mitte. Mehr so zwei Drittel eben. Brauchen halt mehr Platz. Aber wie hier Menschen einfach Zeit verbringen, das finde ich immer wieder erstaunlich. Weil ein bisschen ist eine Moschee auch einfach ein Jugendzentrum für Erwachsene. Da kommen die Leute hin, nicht zuletzt, damit sie keinen Blödsinn anstellen und drin werden sie halt ein bisschen indoktriniert, aber auf der andren Seite lernen sie auch Arabisch. Und so liegen die meisten einfach so herum, spielen auf ihrem Handy oder schlafen. Dazwischen beten einige in dieser so seltsam anmutenden physischen Form mit dem Aufstehen und dem Niederknien. Und es ist ganz besonders irgendwie, wenn das einer allein macht oder drei nebeneinander. Na ja, und dadurch, dass dieser Raum so alltäglich genutzt wird, ist es letztlich gar keine schlechte Idee, finde ich, dass es auch einen Damenbereich gibt und einen Herrenbereich. Aber natürlich würde ich den Großteil meiner eigenen Tempel schon als Begegnungszone gestalten und gemeinsam feiern.

Die große Kugel in der Mitte hängt übrigens direkt in der Mitte der großen Kuppel, die nicht im Bild ist, weil ich schon zurückhaltend am Rand gesessen bin und nicht mittendurch marschiert bin.

Aber ja, es ist Ramadan und vielleicht ist es sonst ganz anders. Aber ich hätte gerne mal, dass wenn bei uns irgendwo eine Sendung ist und man braucht ein Symbolvideo für „den Islam“, dass man dann nicht immer diese uniform wippenden Reihen alter Männer zeigt sondern mal so einen großen Teppich, auf dem sich Asiaten in der Mittagshitze ausruhen, während einer in der Ecke sitzt und langsam mit dem Finger im Koran einer Zeile folgt und seine Lippen lautlos den Text nachahmen.

Gegenüber von der Moschee ist die Kathedrale, die hat auch nicht zu gehabt. Die Stimmung in einer Kathedrale ist schon was anderes, als in einer Moschee. Hier, so kommt mir vor, ist nichts mit einfach mal bisschen Zeit verbringen. Ich mein, ja: die TouristInnen sitzen hier auf den hinteren Bänken und genießen die Stille und die Kühle. Aber grad das vorne einer vor einer Marienstatue kniet. Es ist lustig, denke ich, während im Westen der Islam so viel mit seinem Jenseitskonzept assoziiert wird und man sich vor der scheinbar klaren Anleitung für den Märtyrertod fürchtet, dafür erscheint mir die Moschee viel mehr ein Ort des Lebens zu sein, als die Kirche.

Vor der Kathedrale kann man sich mit einem Pappendeckel-Franziskus fotografieren lassen

Was auch nicht zu hat, ist der Kim Tek Ie Tempel. Und o wow bin ich hier überfordert. Also, ich hab mittlerweile das lokale China Town erreicht. Ich muss sagen, ich erzähle wenig darüber, wie aufregend die Straßen einfach sind. Oft sind die Straßen so wie oben in dem Video. Mehrspurig und relativ frei interpretiert von Autos und Mopeds. Selten gibt s einen Übergang, von dem ich dann den Verkehr filmen kann. Öfter steh ich einfach zwei Minuten an der Straße und stürze mich dann in den Verkehr, den dem auf mich zukommenden Verkehr zugewandten Arm ausgestreckt, die flache Hand den FahrerInnen entgegen, als ob ich sie damit abbremsen oder auch nur besänftigen könnte. Zwischendurch steh ich auch mal in der Mitte der Straße und denk mir, ha!, daheim gibt s das nicht. Glücklicherweise gibt s viele Einbahnen und das macht s etwas einfacher. Oft hau ich mich dann aber in irgendwelche Seitengassen, die schnell nur einen, eineinhalb Meter breit sind. Da sitzen die Leute auf der Straße und gehen ihrer Arbeit nach. Richten irgendwas, kochen irgendwas, sortieren irgendwas aus. Dazwischen spielen Kinder und Katzen liegen in der Sonne. Vögel jammern in ihren Käfigen und ab und zu läuft ein Fernseher irgendwo. Und in den Straßen krieg ich dann auch eher mal Blickkontakt und Leute grüßen mich und ich grüße zurück und es fühlt sich gut an, dass mich diese Leute in ihrer Gasse willkommen heißen. Weil ich hab manchmal eh das Gefühl, ich laufe eher durch ihr Wohnzimmer als durch ihre Straße.

Also der Tempel. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ausschauen tut s chinesisch, von der Architektur. Und im Hintergrund läuft, nun ja, so chinesische Musik halt, wie man sich das vorstellt. Und es gibt dutzende von Schreinen und in jedem stehen Statuen und viele der Statuen haben sogar Namensschilder. Überall brennen Kerzen und Säulen voll Öl in denen ein Docht hängt. Tatsächlich gehen auch Menschen herum, in den Händen ein Bündel Räucherstäbchen, das sie der einen oder anderen Statue widmen, vor ihr so ein bisschen wippen und sich verbeugen und solche Sachen. Es ist… ich will sagen, es ist wie man sich das vielleicht vorstellt. Aber dann wiederum ist es auch wieder gar nicht, wie man sich das vorstellt. Wer sind diese vielen Menschen und möglicherweise GöttInnen und HalbgöttInnen und Dämonen oder… ich hab gedacht, das sei ein buddhistischer Tempel, aber hier sind so viele verschieden Leute.

Braucht noch wer ein Räucherstäbchen?

Ich verlasse den Tempel und China Town und finde mich alsbald wieder unter den vertrauen IndonesierInnen. Ein gutes Stück weiter komme ich dann in der Altstadt an. Hier sind noch einige herausfordernde Straßen zu überqueren, ein Busfahrer schaut mir aus seinem Fenster zu und spornt mich dabei an. Die Altstadt ist ein großer Platz mit Kaffeehäusern drumherum und dem alten Kolonialverwaltungsgebäude. Warte, nur, dass ich das richtig hab. Ja, also, der Sitz des Gouverneurs der Vereenigde Oostindische Compagnie. Der niederländischen Ostindiengesellschaft. Wiederum, man muss den Kapitalismus nicht lieben, aber immerhin haben sie einen hübschen Platz gestaltet und Jakarta ein Rathaus hingestellt. Auf dem Platz rufen mir noch einmal Mädchen nach und wir machen eine Handvoll Selfies, also in Wirklichkeit machen wir einfach Fotos auf denen ich mit drauf bin. Ich habe in den letzten zwei Tagen links im Mund eine Aphthe entwickelt, die mir das Lächeln ein bisschen schmerzhaft macht. Vielleicht, so denke ich, ist es eine Reaktion, eine Abnutzungserscheinung, weil ich hier meine Mundwinkel so viel mehr bemühe als in den Jahren zuvor.

Ich fahr dann mit der Schnellbahn heim. Weil ich war natürlich ganz schön lange unterwegs für das bisschen Luftlinie. Mir klebt das T-Shirt am Körper, alle Kleidungsstücke, die ich mitgebracht hab, verdunkeln sich immens, sobald der Schweiß kommt. Und der Schweiß kommt. Es ist heiß und die Luft ist sicher auch feucht und ich geh so viel, wie sonst niemand in dieser Stadt. Aber auch trocken pickt mir die Haut von Schweiß und Schmutz und… ja, nein. Schweiß und Schmutz, das ist es wahrscheinlich. Ich hatte ein Papaya-Calippo, also einfach eine Spalte Papaya, die mir der Obsthändler in einem Plastiksackerl serviert hat. Es ist ja nicht so, dass das Müllproblem nur importiert wäre. Aber vielleicht kleben meine Hände auch davon noch ein bisschen. Und so geh ich dann ins Mall.

Durchsage im Zug, vielen Dank für die englische Version. Am besten gefällt mir aber, dass Vorsicht auf Indonesisch Hati-hati heißt.

Weil ich wollte eigentlich ins größte Mall von Jakarta gehen, so als Abschluss nach der größten Moschee, der größten Kirche, vielleicht des größten chinesisch-buddhistischen Tempels und des größten erhaltenen Gouverneurssitzes einer niederländischen Multicorp hatte ich ja schon. Aber das Einkaufszentrum war mir dann zu weit entfernt und ich bin deshalb in das Great Indonesia, das ich gestern besuchen wollte. Das war heute offen und es dürfte nicht der Ausnahmezustand gewesen sein: Heute gehe ich an vielleicht hundert Polizisten vorbei, die auf der Straße herumliegen (ja, wirklich, die ruhen sich auch aus wenn s heiß ist), ich mein, de facto steig ich über einige drüber. An der Wand stehen dutzende Plastikschilder für besagte Polizisten. Am unheimlichsten sind jedoch die Granatwerfer, die einige der Polizisten umgehängt haben oder neben den sich ausruhenden (Ruhe vor dem Sturm und so) liegen. Ich kenn sowas nur aus Computerspielen, vor allem das Geräusch, das ich damit assoziiere (ein hohles plopp!) habe ich sicher noch nie in echt gehört. Nebelgranaten? Tränengas? Was weiß man, ich bin im Einkaufszentrum!

Ein paar Polizisten und ihre Deeskalationsausrüstung. Jetzt seh ich grad, dass auf dem Sonnendach Polantas steht, auch irgendwie witzig.

Ja, es ist wirklich ekelhaft. Es ist wie eine andere Welt zu betreten, hier lebt das andere Drittel oder Achtel oder Hundertstel. Hier haben alle Labels ihre Outlets und sie reihen sich alle aneinander. Sportzeugs und Mode, das ist, was die Leute wollen. Gut ausschauen. Und es schaut auch gut aus im Mall, alles ist hell und glatt und diesmal wirklich sauber. Glatt und kalt ist es außerdem. Unter der Kategorie Toys, Children and Maternity finde ich ein paar Spielegeschäfte, aber über Jenga und Vier Gewinnt sehe ich keine Brettspiele. Dann gibt s vier Geschäfte für Books and Stationary. Ich erschrecke ein wenig über mich, als ich feststelle, wie wohl ich mich fühle, von Blöcken, Heften und Kugelschreibern umgeben. Umgeben von einer unnötigen Auswahl an Papier, wird mein lästerndes Kritikerherz auch schon ruhiger. Es dauert lange, bis ich mich für ein Heft entscheide, aber es ist ja auch ein schöner Prozess, in dieser Auswahl zu schwelgen. Ich krieg dann zuerst eine Rechnung von der Abteilungsbetreuerin, mit der ich darauf zur Kassa gehe, wo der Preis nochmal von einer anderen Kassiererin in eine zweite Kassa eingetippt wird. Ich weiß nicht, ob das als extra Service verkauft wird, eine Sicherheits- oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ist. Ich geh dann noch teuer Ramen essen, weil ich schon da bin und der ist auch gut, was soll man sagen. Kapitalismus schafft mir ein hübsches Notizheft und gutes japanisches Essen in sauberer Atmosphäre, das passt schon. Zwischendurch denke ich, ob draußen gerade mit Tränengasgranaten auf DemonstrantInnen geschossen wird, während ich hier in scheinbarer Auswahl und neutraler Hintergrundmusik eingelullt vor mich hin schlender.

Abgeschirmt von der Außenwelt, hab ich im Mall heute sogar den Aufruf zum Fastenbrechen verpasst.

Wieder draußen bin ich nochmal ein bisschen euphorisch, wieder im echten Jakarta zu sein. Aber in Wahrheit gehören die ja eh zusammen. Es ist vielleicht ganz gut, den Kapitalismus so in einem zu sehen, die zwei Aspekte so nebeneinander, nicht wie bei uns, wo es so relativ mittig ist. Sondern wo die einen ihre Schubkarrenläden vor sich herschieben, auf der Straße schlafen und sich immer nur eine Handvoll Shampoo kaufen, weil sie das Geld für eine ganze Flasche in ihrem Haushalt nicht aufbringen. Und auf der anderen Seite der Spiegelpalast, in dem sich Menschen abkapseln, buchstäblich gegen die zunehmend verschmutzte Umwelt, gegen Hitze und Klimawandel, in dem sie sich amerikanische Sportschuhe kaufen, japanische Notizbücher und deutsches Bier. Und hier spüre ich dann auch, zu dem einen globalen Prozent zu gehören. Ich bin vielleicht zögerlicher und unwilliger, aber vielleicht ist das nur hinderlich beim Genuss meiner Privilegien. Natürlich bin ich froh, problemlos Zugang zum Luxusleben zu bekommen, auch wenn ich verschwitzt und schmutzig bin. Ich hab Geld, ich hab eine Hautfarbe, die hier ebenfalls Privileg bedeutet – ich weiß nicht, wie heruntergekommen ich daherkommen müsste, dass mir der Eintritt verwehrt werden würde.

Übrigens könnte ich nicht mal sagen, ob s überhaupt eine Demo gegeben hat heute. Zumindest nichts, was international berichtet würde.