im flaschengrünen, tiefen See

Heute war ich im Aquarium von Kagoshima und das hat natürlich gleich einmal was problematisches. Ich bin ja ein großer Verteidiger von Zoos, weil abgesehen davon, dass dort heutzutage ja viel Forschung passiert,die in der Natur schwierig bis unmöglich wäre, find ich auch, dass es wichtig ist, heutzutage einmal ein Nilpferd in echt gesehen zu haben, bevor man in die Pubertät kommt. Oder einen Pinguin oder vor allem einen Tapir. Auf der anderen Seite geben Menschenaffen hinter Gittern mitunter ein trauriges Bild ab und da zieh ich ein bisschen meine Linie, die andere wo anders ziehen mögen. Und so bin ich heute in einer Delfinshow gesessen und das war schon interessant, aber gleichzeitig auch etwas deprimierend. Spätestens seit Free Willy schaut man ja einer Walverwandten auf die Rückenflosse um zu sehen, wie deprimiert sie vom Leben in Gefangenschaft ist und von den fünf, die da in dem Becken ihre Runden gedreht haben, waren alle ein bisschen geknickt. Immerhin muss ich sagen, war auch viel Information dabei (glaub ich, ich hab s ja nicht verstanden), das rechtfertigt s für mich durchaus ein bisschen. Es ist nicht nur Zirkus. Aber der Moderator hat viel geredet und soweit ich verstanden hab, ging s um die Fähigkeiten von Delfinen, verschiedene Formen und Größen zu unterscheiden. Und auch, dass sie fünf Meter aus dem Wasser springen können um ein Dingserl anzustoßen, das von der Decke hängt, dass sie synchrone Saltos machen können und dass sie quaken, wenn die Trainerin das richtige Handzeichen gibt. Und dass sie entweder so ins Wasser eintauchen können, dass es kaum spritzt oder so, dass ich nachher vollkommen nass war.

Kann man etwas gegen die Haltung von Quallen haben? Sehr aufregend und nur mittelmäßig auf dem Foto feststellbar, dass sie mit ihren fadendünnen Tentakel tatsächlich die Urzeitkrebse, die sie als Futter bekommen, gefangen und zur Unterseite von ihrem Körperdingsda geführt haben.

Noch deprimierender war allerdings, dass sie einen Walhai in einem Becken haben. Damit wird das Aquarium stark beworben und ich hab s mir kaum vorstellen können, dass das wirklich so ist. Ich hab mir gedacht, ok, das ist vielleicht ein Fenster ins Meer irgendwie, wo ein Zaun ist… Nein. Ich mein, ein kleiner, der war nicht länger als vier Meter. Aber er war in einem Becken, noch dazu im ersten Stock, aber dafür gibt s mehr logistische Anerkennung. Es war halt kaum Platz, dass er was anderes hat tun können, als ständig im Kreis zu schwimmen. Sein Blick ist vom Vorüberziehen der Stäbe… Dann ist eine Kindergruppe reingekommen und die waren alle wahnsinnig begeistert und dann frag ich mich, ob ich da für den armen Walhai nicht auch den Punkt machen soll, den ich für Meerkatzen, Pinguine und Gnus mache: Dass die Begeisterung von dreißig Kindern nicht irgendwo mehr wiegt. Und dass die BegleiterInnen vielleicht den Text vorgelesen haben, wo steht, dass man das Meer nicht verschmutzen soll, weil sonst die Fische alle sterben. Die Weißspitzenhaie, neben denen ich vor zwei Wochen noch geschwommen bin, sind in ihrem Becken überhaupt nur am Boden gelegen.

Keine einfachen Antworten

Ich bin ja schon allein deshalb ein bisschen auf der Seite, die die Kinder (und Erwachsenen) ihre Erfahrungen auf Kosten des großen Fischs machen lässt, damit mein Tauchhobby nicht nur elitär rüberkommt. Logistisch schwierig und ökologisch schlimmer, wenn wir unsere Haifische alle in ihrem Habitat sehen wollen würden. Hauptsache ich hab mir jetzt noch ein bisschen Tauchurlaub geplant, formulierte er einen holprigen Übergang mit moralisch zweifelhaftem Nachgeschmack. Und weil sich die Gelegenheit geboten hat, hab ich mir dafür auch gleich in einem der hiesigen riesigen Elektronikfachmärkten die Schutzschale für meine Kamera gekauft. Fünfzehn Tauchgänge hab ich gemacht, insgesamt ziemlich genau zwölf Stunden unter Wasser. Und kaum das lousy T-shirt vorzuweisen.

Aber damit ich s nicht vergesse und weil wir hier im Internet sind: Hier sind meine fünf besten Taucherinnerungen.

(5) Zuerst einmal eine Taucherinnerung, die gar nicht unter Wasser stattgefunden hat. Tahiti hab ich ziemlich gut erwischt, was die Walsaison betrifft. Man würde eigentlich bereits mit mehr Walaction rechnen, hat es immer wieder geheißen, aber so richtig wollten sie sich nicht zeigen. Vielleicht, hat s einmal geheißen, sei das Wasser zu warm, weil es wäre wohl ein Grad wärmer als üblich und deshalb würden die Wale noch ein wenig in ihren antarktischen Gewässern abwarten. Wale sind ja auch eher individualistische Tiere und jetzt nicht Gänse, die im Schwarm migrieren, deshalb war schon ab und zu mal einer zu sehen. Einmal sind wir auf dem Weg zu Tauchstelle sogar einem begegnet, von dem wir ein bisschen Schwanzflosse zu sehen bekommen haben. Die Möglichkeit sei gegeben gewesen, dass uns der beim Tauchen überrasche, hieß es, weil die Tauchstelle läge auf dem Weg. War aber nicht. Aber immerhin einen Wal gesehen ohne dass ich zwei Stunden Seekrankheit erleiden musste. Und die Hoffnung, beim Tauchen vielleicht von einem Wal besucht zu werden, die hat den ganzen Tauchgang ziemlich aufregend gemacht.

(4) Meinen ersten Hai hab ich leider gar nicht gesehen. Das war auf meinem ersten Ausflug, meinem ersten explorativen, meinem ersten Freizeittauchgang. Da war ich schon ein bisschen enttäuscht, als ich an der Oberfläche gehört hab, dass ich in die falsche Richtung geschaut hab, als da ein Grauer Riffhai (Carcharhinus amblyrhynchos) auf einen Sprung aus dem Blau des Meeres bei uns vorbeigeschaut hat. Auf Mo’orea bin ich dann immer wieder Haien begegnet, immerhin hat sich mein Tauchverein auch als Haispezialisten identifiziert und das Haienbegegnen war so ein bisschen das Ziel. Also, alles Riffhaie, da muss man sich nicht besonders fürchten. Ich mein, nicht, dass man überhaupt muss. Alles in allem, war der eine Barracuda, der uns da mal verfolgt hat, wesentlich unheimlicher als alle meine Haibegegnungen. Zu sehen gibt s insbesondere Weißspitzenhai (Triaenodon obesus) und Schwarzspitzenhai (Carcharhinus melanopterus), aber besonders sind eine Handvoll Zitronenhaie (Negaprion acutidens) die in einem Katalog durchnummeriert sind, mit ihren Erkennungszeichen und ihren Charaktereigenschaften. Und dann war da noch einer, bei dem man ein bisschen aufpassen sollte, weil die eigentlich aus tieferen Gewässern sind und ihre Unsicherheit so knapp unter der Oberfläche gerne einmal mit ein bisschen Fremdaggression kompensieren. Hat man uns erklärt. Während so ein Schwarzspitzenhai gerade einmal zwei Meter lang wird und der Weißspitzenhai noch etwas kleiner bleibt, wird so ein Zitronenhai fast drei Meter lang und das kann einen schon ein bisschen schrecken, wenn einem so einer plötzlich ins Blickfeld gerät. Wie man für seinen Open Water Diver lernt, wirken Objekte unter Wasser wegen der Lichtbrechung auch noch etwa ein Drittel größer und Viertel näher. Da hab ich mich schon ein bisschen so gedreht, dass ich ihm nicht den Rücken zuwende. Mehr erschreckt hab ich mich tatsächlich, als mich ein Schwarzspitzenhai rechts überholt hat und tatsächlich einfach einmal so in mein Blickfeld hineingeschwommen ist. Und dann noch ein zweiter. Und wieder zurück auf Tahiti war ich dann nochmal im Vallée Blanche, da wo wir im Boot vom Wal überrascht wurden. Das weiße Tal ist so ein bisschen ironisch für ein Stückchen Sandstrand unter Wasser zwischen der Lagune und dem bisschen Meer zwischen Tahiti und Mo’orea. Und warum das so attraktiv für die Riffhaie ist, das weiß ich auch nicht. Ein Grund ist sicherlich, weil dort ab und zu mal ein Tauchverein eine Kiste mit Fischstückchen deponiert und die zum Naschen vorbeischauen. Aber ob die Haie nur für einen free lunch vorbeikommen oder ob die nicht auch vorher schon lieber über weißen Sand geschwommen sind als graues Riff, kann ich nicht beantworten. Ähnliches Hairepertoire wie auf Mo’orea, aber durch die Anfütterung halt wirklich dicht. Fast ein bisschen weniger beeindruckend, wenn sie einem links und rechts so um die Ohren sausen. Aber schön sind sie schon. Lemonshark dudududu-dudu…

(3) Haie sind mit ihrer glatten Eleganz mehr so die Dobermänner des Meeres. Wobei die Ähnlichkeit wahrscheinlich eher andersherum zu erklären ist. Kalt und stromlinienförmig sind sie. Man sieht sich irgendwie satt an ihnen, wenn man nicht ein Zehnjähriger mit Gewaltsublimationsbedarf ist. Auf der anderen Seite haben mich die Schildkröten immer mehr durch ihr Verhalten beeindruckt. Und das wiederum hat wohl mehr damit zu tun, dass sie einen Hals haben und sowas wie Arme und sowas wie Beine und wenn man an Land nicht unbedingt eine Schildkröte als seinen nächsten Verwandten identifizieren würde, so gibt s unter Wasser weniger Auswahl. Und dann sieht man einmal eine Schildkröte, die sich mit ihrer Flosse am Riff abstößt, während sie nach irgendwas schnappt, das dort wächst. Eine andere hat sich vielleicht für auf ein Nickerchen in eine kleine Riffeinbuchtung hineingekuschelt. Und sie haben einen sympathischen, wenngleich extrem gleichgültig wirkenden Blick. Und eine himmlische Leichtigkeit, mit der sie sich durch s Wasser bewegen. Ich mein, „Eleganz“ ist vielleicht ein Begriff, den ich etwas überstrapaziere, wenn ich mich an meine Taucherlebnisse erinnere. Aber es gibt einfach nicht genügend Varianz in der Begrifflichkeit! Unter Wasser wirken alle Bewegungen ein bisschen präziser, ein bisschen bedachter. Ohne die Haftung an einem Boden merkt man schnell einmal die physikalische Wahrheit, dass jeder Impuls einen Gegenimpuls auslöst, am eigenen Körper. Um so mehr Bewunderung hab ich deshalb übrig für jene Lebewesen, die ihre Energie so einzusetzen wissen, dass es sie nicht bei jeder Drehung fire– und daunehaut.

(2) Als TaucherIn ist man zu Gast unter Wasser. Nicht nur, dass man das wegen der oben angemerkten Plumpheit schnell einmal am eigenen Körper merkt, aber die Oberste Direktive ist: wir sind zum Schauen da. Wir schauen drauf, dass wir nicht auf die Korallen treten, wir schauen drauf, dass wir keine Muscheln mitnehmen, wir schauen drauf, dass wir nichts berühren, dass wir nichts füttern, dass wir keinen Mist hinterlassen. Jetzt ist das wie bei allen Regeln, dass man auch einmal eine Ausnahme macht, ohne, dass man die ganze Regel sofort kübeln muss. Und während ich das stille Schweben im Wasser als die größte Herausforderung sehe und ich diesem Status der Nichteinmischung meine größte Aufmerksamkeit widme, muss ich zugeben, dass die eine oder andere haptische Erfahrung zu den besten Erinnerungen gehört, die ich unter Wasser gemacht hab. Auf dem einen Tauchgang sind wir besonders vielen Seeanemonen begegnet und ich hab den Tauchlehrer gesehen, wie er immer wieder einmal mit dem Finger durch die Anemone gestrichen hat. Ich hab mir einerseits natürlich gedacht, n-n-n: macht man nicht und auf der anderen Seite aber natürlich die Neugier, weil ich von den Seeanemonen doch nur weiß, dass sie doch irgendeine Verteidigungsgiftigkeit besitzen, weil sie doch den dagegen immunen Clownfisch beschützen, der sich in ihnen versteckt. Also Rätsel über Rätsel und die löst man am besten durch Experimentation. Hab ich bei der nächsten Gelegenheit also vorsichtig meinen Finger in die Seeanemone gesteckt und siehe da: es war ein bisschen wie wenn dutzende kleine Saugnäpfe von meiner Haut naschen. Also, das war nicht „ein bisschen wie“ sondern das war ziemlich genau, was passiert ist, das Gefühl ist so fremd, dass ein Gleichnis nicht viel weiterhilft. Nach einem anderen Tauchgang hat ein Sohn seiner Mutter die Erfahrung als weird but nice beschrieben und besser könnt ich s auch nicht sagen.

Aus dem Aquarium in Kagoshima. Vielleicht ist die Technik der Seeanemone ähnlich wie bei dem Seestern, der sich mit seinen Saugnäpfchen von der Aquariumswand nascht. Die biologische Verwandtschaft hört, wie ich eben nachgeschaut hab, bei den „Gewebetieren“ auf. Die Verwandtschaft zur Seeanemone ist also nicht näher als zu mir…

(1) Und ganz oben auf der Hitliste der Taucherfahrungen die akustische Erfahrung: hab ich einen Wal singen gehört. Es hat niemand besonders damit gerechnet, es wurde zwar immer wieder von Walen geredet, einfach weil Saison ist, aber zwanzig Minuten unter Wasser deutet mir der Tauchanführer, ich solle mal ins Meer hören und nachdem ich seine Gestik entziffert hab, hab ich tatsächlich sanft den Walgesang gehört. Der müsse so ein bis zwei Kilometer entfernt gewesen sein, hat s nachher geheißen. Aber ich war einfach überrascht, dass ich das so hören kann. Ich erinnere mich noch, als ich das erste Mal Walgesang gehört hab (das war auf einer Schallplatte, die einem Micky Maus Heft beigelegt war) und ich mir gedacht hab, dass das doch sicher irgendwie behandelt sein muss, damit man das hören kann. Diesen Gedanken hab ich nie so wirklich relativiert. Bis jetzt. Und jetzt hab ich mir noch gedacht, dass da sicher irgendwo der Ursprung für Sirenengesang drin steckt. Weil irgendeine alte GriechIn wird mal versucht haben, irgendwo einen Krebs hochzutauchen und dabei einen Wal gehört haben. Natürlich ohne ihn zu sehen. Ja, wer singt denn da so schön?, wird man sich gefragt haben. Na, das wird ja wohl eine halbnackte Frau mit einem Fischschwanz sein, war die naheliegende Antwort. Für mich kam der Gedanke vor allem, weil es ja durchaus gefährlich ist, in die Stille des Meeres hineinzuhören: Dafür muss man nämlich die Luft anhalten, weil sonst hat man die Ohren ständig mit dem eigenen Geblubber voll. Und was sie einem sagen, andauernd einbläuen ist, dass man nicht mit dem Atmen aufhören soll unter Wasser. Das hat vor allem damit zu tun, dass es einem die Lunge nicht zerreißt, wenn man sich in der Vertikalen bewegt und sich die Luft dort aufgrund des abfallenden Drucks im Quadrat aufbläht. Und natürlich ersticken, aber da kann man sich vielleicht eher auf den Instinkt verlassen. Jetzt liege ich also im Meer und halte meine Luft, um nochmal diesen Walgesang zu erwischen, weil das wirklich sehr schön ist, in so einer akustisch sonst eher unaufregenden Stunde, jemanden singen zu hören. Ich hab auch nichts mehr gehört.

Die Regeln der Internethitparaden geben mir die Möglichkeit, hier noch ein honorable mention unterzubringen: In der Tauchschule auf Tahiti waren die coolsten Mädels und Jungs und ich bin ja doch viel mit denen abgehangen, also jetzt nicht privat, aber so vorher/nachher ein bisschen auf dem Gelände rumsitzen, wenn grad Zeit ist. Und manche haben ein passables Englisch gesprochen und mit denen hatte ich auch nette Unterhaltungen. Und andere hatten weniger Englisch parat und da war alles ein wenig schwieriger. Die Lisa zum Beispiel, die hat gerade die Ausbildung zur Ausbildnerin gemacht und hat die schwierige Aufgabe bekommen, einen auszubilden, mit dem sie nicht viel gemeinsame Sprache teilt. Abgesehen davon, dass ich die ganze Tauchterminologie eh nicht kannte und von mir aus wäre es wurscht gewesen, ob ich jetzt den französischen oder den englischen Begriff für den Schlauch der von der Flasche zum Mundstück führt lerne. Aber so war da zu Beginn auf jeden Fall einmal wenig optionales Geplauder. Und auch wenn es unter Wasser überhaupt erst einmal etwas einfacher erscheint, weil man da ja eh nicht miteinander reden kann, setzt sich da mitunter die mangelnde Einschätzung des Gegenüber von der Oberfläche fort und dann ist man vielleicht weiterhin ein bisschen komisch. Es ist dann ein bisschen besser geworden, wenn man einander ein wenig einzuschätzen lernt und man sich nicht mehr so viel über die Fehler Sorgen macht, die man beim Reden vielleicht macht. Und dann gab s einen Moment, mein erster explorativer Tauchgang, wo sie mein Buddy gewesen ist und ich weiß nicht mehr was ich gedeutet hab, aber sie hat auf jeden Fall lachen müssen und das war einfach ein guter Moment, und ich hab mir gedacht, wie praktisch, dass ich mir das nonverbale Tauchen als Hobby ausgesucht hab. Abgesehen davon, dass es lustig ist, jemanden unter Wasser lachen zu sehen.

Ilsebill

Ich hab einen kleinen Ausflug gemacht, den Ausflug, für den Mo’orea berühmt ist, wenn man den Stimmen zuhört. Dazu bin ich nochmal ein schönes Stück mit dem Rad gefahren, zu meinem Tauchzentrum an der nordwestlichen Spitze der Insel. Ich sag mein Tauchzentrum, aber das ist es ja gar nicht. Ich bin dort Anfang der Woche mal hingefahren und hab mir dann gedacht, hm, so gut gefällt mir das gar nicht, muss nicht sein, steig ich auf s Rad und fahr die vierzig Minuten wieder heim. Aber heute war ich ja nicht zum Tauchen sondern zum Kayakausborgen. Und das machen sie gut. (Ich weiß nicht, wie sie mit dem Tauchen sind, wahrscheinlich auch nicht schlecht.)

Also setz ich mich in mein Kayak und sie sagt mir noch, es ist heute viel Wind und die Strömung kommt ebenfalls mit voller Kraft aus dem Wochenende zurück. Versprochen, sag ich, ich pass auf. Und das tu ich dann auch. Kayaken ist ganz schön anstrengend, das merk ich schnell. Und ich muss das Meer überqueren, um zu den kleinen Inselchen zu kommen, die da auf der anderen Seite sind. ich sag Meer, aber natürlich ist das nur ein Katzensprung. Und in diese Richtung hat mich die Strömung ja noch unterstützt.

Man sieht hier nicht nur die zwei vorgelagerten Inseln, zwischen denen sich die Party abspielt, sondern auch, wie da eine dunklere Strömung die beiden von dem dahinterliegenden Mo’orea trennt.

Auf der anderen Seite ist dann wiederum Lagune. Und hier kommen die Leute von weither her um mit Stachelrochen und Haien zu schnorcheln. Also halte ich die Augen offen , während ich mir eine hübsche Stelle zum Anlegen suche. Etwa Hälfte rein zieh ich mein Kayak an den Strand und werde von aufgeregten Welpen begrüßt. So stellt man sich das vor: Welcome to Puppy Beach. Schon erstaunlich, wie viel Lebensfreude die Evolution in diese Tiere gepackt hat. War wahrscheinlich nicht einmal die Evolution sondern einfach, dass man über Jahrhunderte lieber die lebenslustigen Hunde aufgezogen hat, als die, die schon als kleine bisschen mehr zum Nachdenken geneigt haben.

In meiner ersten Runde finde ich weder Rochen noch Haie. Aber es ist trotzdem nicht schlecht durch s Riff zu tauchen. Und ja, es ist einfach die Farbe des Wassers, die so fantastisch ist, dass es unwirklich wirkt. Ich hab schon zuvor in meiner Einflugsschneise versucht, das Licht und, die Kontraste, die menschenleeren, palmüberhangenen, weißen Sandstrände festzuhalten. Aber natürlich hab ich meine Kamera vorgestern aufgeladen und heute ist keine Batterie mehr drin. Leicht verärgert, leicht frustriert mache ich mir geistig eine Notiz mal das Internet zu befragten, wie lange denn diese Batterie halten sollte. Ich mein, ganz ehrlich, das hat nach dem GBR nie wieder so funktioniert, wie ich das gerne gehabt hätte. Und das war nicht mal immer auf die Batterien zurückzuführen.

Ich war tatsächlich der erste in der Bucht, wenn man das eine Bucht nennen kann, die nach beiden Seiten hin relativ offen ist. (Wahrscheinlich nicht.) Oder vielleicht der zweite, nach dem Pärchen, die aber schon an der Spitze der Insel angehalten haben und sich mehr auf s Baden konzentriert zu haben scheinen als hier einem Rochen und/oder Hai zu begegnen. Das Riff gehört mir, wonderful! Natürlich nicht für lang: Während ich meine Runden drehe und den Fischen wie alten Bekannten beim Riffknuspern zusehe, kommen langsam die TouristInnenboote an… angeschwommen. Irgendwie fehlt mir oft das Verb, das die Bootsbewegung beschreibt. Und das ist im Englischen nicht einfacher. Weil irgendwie, klar: schwimmen. Aber für mich ist schwimmen entweder mehr so halt wie Tiere das machen oder aber wie ein Korken das macht. Also entweder eine durch körperliche Betätigung motivierte Bewegung oder eine passive Eigenschaft von einem Körper. Also beides nicht so ganz passend. Ich bin mit dem Flugzeug hergeflogen ist schon ein bisschen komisch. Ich bin mit dem Schiff hergeschwommen klingt, als ob ich neben dem Schiff hergeschwommen wäre.

So hab ich mir das vorgestellt. Es war zwar letztlich deutlich weniger dicht, aber das Wasser, das das Foto hier eine Aufnahme aus einem Schwimmbecken aussehen lässt, das ist akkurat, das schaut dort tatsächlich so aus.

Anyway. Ich schwimm ein wenig um die Boote herum, weil ich mir denke, die wissen wohl, wo s was zu sehen gibt. Aber da gibt s auch nicht mehr zu sehen. Also denk ich mir, vielleicht ist das ein bisschen weiter drüben und das Interinselriff zu seicht oder was. Also nehm ich mein Kayak und kayak ein wenig in der Gegend herum. Tatsächlich seh ich unter mir einen Stachelrochen vorbeiziehen, ich würde sagen, so ein Meter Durchmesser wird der schon gehabt haben. Und er war sicherlich auf dem Weg ins Riff. Also umgekehrt und dem Rochen hinterher. Einmal kayak ich noch durch das Riff und erspähe tatsächlich noch einen Rochen, lege in der Nähe an, schnall mit die Brille und den Schnorchel um und rein ins Riff. So denk ich. Aber wie die reinste Berg-ProphetInnen-Beziehung bewegen sich plötzlich drei dunkelgraue, kreisrunde Gestalten auf den Strand zu: Ich bin kaum zwei Schritte ins Wasser, kaum die Knöchel benetzt, kommen die Stachelrochen auf mich zugeschwommen. Und kurzerhand krieg ich dann fast ein bisschen ein ungutes Gefühl, weil die sind schon sehr groß und ich weiß gar nichts über Stachelrochenverhalten. Aber noch während ich mich frage, wie sie das wohl anfühlt, wenn mir ein Rochen über den Fuß segelt, drehen die drei auch schon wieder ab. Eine gewisse Wehmut liegt doch in meinem Blick, mit dem ich ihnen hinterherschau.

Nachdem sich Anja (28) ihren Kindheitstraum erfüllt und ihre Beine gegen einen Fischschwanz eingetauscht hat, hilft ihr Jakob vom Rochentherapiezentrum Langenlois dabei, mit der Unterwassertierwelt Freundschaft zu schließen.

Noch eine Runde durch s Riff gedreht, aber ich hab weder weitere Rochen noch Haie gefunden. Und jetzt kommt schon die zweite Welle, die coolen TouristInnen, die vielleicht ein bisschen länger schlafen möchten und dann aber mit dem Jetski unterwegs sind. (Ein Wort, das nicht im geringsten darauf schließen lässt, dass es ein Wasserfahrzeug beschreibt.) Und da denk ich mir, na gut, das ist mir jetzt dann schon genug. Ich bin über die Inselchen gewandert, hab meine Fische beobachtet und war den Stachelrochen so nah, dass es mir fast zu nah war, ich hab eigentlich alles gesehen. Und mach mich an die Querung der Meerenge.

Jetzt. Ich würde es gern auf die Jetskiidioten schieben, aber das ist wahrscheinlich unfair. Die Wellen sind so oder so ein bisschen mal hier mal da und ich versuche, wie mir die Frau vom Tauchzentrum Slash Kayakverleih gesagt hat, durch die zwei roten Pfosten hindurch meine Anfahrt zu erledigen. Was mir nicht gelingt: die Strömung ist stark und der Wellengang ungut und so muss ich alle paar Paddelzüge das Kayak neu ausrichten. Ich mein, ich nähere mich langsam meinen Pfosten, das schon. Aber dann fahren halt doch die Jetskibuben und -mädchen vor mir durch s Meer und Schuld oder nur der Frust von einem, der den unerbittlichen Kräften der Natur mit Muskelkraft und Unterstufenphysik (Hebelwirkung) das Wasser zu reichen nicht in der Lage ist, während die anderen fossile Kilojoules befreien und mit verschwenderischer Leichtigkeit über die Wellen flitzen… eine Welle packt mich von der Seite und so schnell ist man gekentert, das man s noch kaum verstanden hat, schwappt einem schon die nächste Welle über den Kopf.

In dem Moment denk ich mir, gut, dass ich die Kamera an der Schwimmweste festgemacht hab, blöd, dass ich die Taucherbrille einfach zu meinen Füßen liegen hatte. Gut, dass ich das Paddel in der Hand hab, schlecht, dass mein Kayak wegdriftet. Meine Priorität ist den Krampf aus dem linken Wadel zu treten und dann das Paddel erst einmal in den Wind geschmissen und dem abtreibenden Kayak hinterher. Und das steht auch noch der quer zur Strömung und jede Welle überträgt ihre Kraft auf die komplette Breitseite. Für jeden meiner Meter macht das Kayak zwei.

Und da öffnen sich die Wolken und aus dem Dunkel schifft sich ein Bott ins Licht, aus dem sich eine französische Touristin beugt und im Vorbeifahren mein Paddel aus dem Wasser fischt: Captain Taina und ihre AusflugstouristInnen sind die Lichtgestalt, die die See glättet. Erst mein Paddel, dann mein Kayak und letztlich noch den patschnassen Österreicher. Ich werde geseenotrettet! Die Fanfaren mögen nur in meinem Kopf spielen, aber ich hab ziemlich viel Dankbarkeit zur Verfügung, als ich mich an Board hieve, aus der heraus ich am liebsten allen Anwesenden um den Hals fallen möchte. Tu ich aber nicht. Ich bin in gleichen Maßen erschöpft und erschrocken, aber die Regeln sozialen Anstands mauern bereits erfolgreich gegen das Adrenalin. Kaum dass ich mein Glück zu fassen bekomme und auch meine Atmung wieder im Griff habe, lenkt Captain Taina unser Glasboden(!)boot wieder zurück zur Unglücksstelle um die Taucherbrille zu suchen. Für den besseren Blick, werde ich kurz darazf wieder ins Wasser gelassen und überblicke durch geborgte Brillen im Schlepptau den Boden in der Gegend meiner Kenterung. Wir geben uns allerdings zunächst einmal geschlagen und Captain Taina bringt uns wieder auf Kurs. Ob ich mich hier absetzen lassen möchte? Dankbar nehme ich das Alternativangebot an, mich bei meinem Kayakverleih absetzen zu lassen. Natürlich erst nachdem ich geklärt hab, dass sie sowieso in die gleiche Richtung unterwegs sind.

Whey-oo! It’s Captain Taina on her glass-bottom boat! (Blumenschmuck optional)

Aber da erspäht sie durch den Glasboden tatsächlich meine Brille! Da ist Platz für so viel viel Wasser zwischen Mo’orea und den Inseln, aber sie die scharfen Augen immer auf die Attraktionen des Meeres, die Frau Kapitänin. Also ich wieder ins Wasser und mit Schwung das Schnorchelzeug hochtauchen. Nur: ohne Flossen ist das tatsächlich recht schwierig. Zweimal versuch ich s, aber es sind sicher vier, fünf Meter und ich merke, wie mir einen Meter vor dem Boden die Luft ausgeht. (Für den Fahrtenschwimmer waren s glaub ich nur zwei Meter.) Da entledigt sich einer der Passagiere bereits des Hemds und springt ohne Zimpern neben mir ins Meer. Wille, Weg und Vaterland durch französische Hand gerettet. Es sei allerdings, merkt er an, tatsächlich nicht so leicht, die Strömung sei ganz schön stark. So wahrt man auch noch mein Gesicht, in dem porentief die Dankbarkeit glänzen muss.

Fünf Minuten später sitz ich in meinem Kayak und paddel in der ruhigen Lagune meinem Bootshaus entgegen. Mein Zopfband ist perdu, aber das ist mehr eine Unannehmlichkeit. Zurückgebracht, bezahlt, geduscht. Weitere fünf Minuten später sitz ich auf dem Rad nach Hause und versuche mein Abenteuer in Perspektive zu setzen. Es war eine blöde Situation und es war zweifelsohne eine Rettung. Man darf ja auch einmal einfach aus einer blöden Situation gerettet werden, muss ja nicht immer Lebensgefahr sein. Vielleicht ist es es letztlich doch wert, sich mit einer Tour auf die Suche nach Haien und Stachelrochen zu machen. Vor allem wenn man dabei die Gelegenheit bekommt, einen triefenden Österreicher aus dem Meer zu fischen, so was macht eine Stachelrochensafari erst einzigartig. Und wir haben alle gelernt, dass man beim Kayaken die Taucherbrille am besten um den Hals trägt.

Und ja, die geneigte LeserIn muss mit Internetbildern vorlieb nehmen. Für die heutige Feuertaufe ist die Kamera wasserdicht genug gewesen, aber beim Fotografieren hat sie nicht so wollen, wie ich wohl gewollt hätt. Jetzt hat sie sich zumindest einen Namen gefunden.

One fish, two fish

Als ich am nächsten Tag aufwache, mache ich mich erst einmal über das inkludierte Frühstück her. Continental, wie man auf diesem Kontinent hier sagt, das heißt Cornflakes, Toast und Marmelade. Aber ich mache mir eine Tasse Tee und nehme mir von der Milch. Ich hab ja in jeder Stadt bisher jeweils eine Halbliterflasche Milch gekauft, für den Tee. Das ist schon ein bisschen ein Luxus oder halt ein Festhalten an etwas… Ich hab dann ein bisschen darüber nachgedacht: Tee und globale Machtverhältnisse und wie unpraktisch Milch ist, wenn man in der Hitze unterwegs ist. Und wie sehr das ganze Milch-im-Tee vielleicht vielmehr imperialistisches Gehabe, jolly good in merry old London, aber eben in der Kolonie wohl auch ein bisschen den Checker raushängen lassen. Ich hab mir zuletzt eine Schachtel Grüntee gekauft, der ist milchhalber einfacher zu handeln, und man kann sich ja auch in der Imperialismusorientierung kontemporär geben.

Like, literally, nothing like a nice cup of tea. Aber man sieht, es ist warm (links).

Anyway, mit dem Tee auf der Theke gehe ich am Morgen mit Mac meine Möglichkeiten durch, was Riff- und Urwaldausflüge betrifft. Cairns – so wird man nicht müde mir darzulegen – liege an der Grenze von zwei UNESCO Weltkulturerberegionen: Das Great Barrier Reef im Wasser und am Strand geht das Riff direkt über in den Daintree Regenwald, wohl der – ebenfalls nicht müde – älteste Regenwald der Welt.

Jetzt tu ich so, aber natürlich bin ich Feuer und Flamme, wenn man mir hier ein bisschen Geologie serviert. Da geht man gern einmal 400 Millionen Jahre zurück, um zu erklären was es mit Australien auf sich hat, weil da ist Australien Teil vom Superkontinent und da ist ja alles eins. Aber vor sagen wir 160 Million Jahren, macht sich Australien zuerst von Pangea und schließlich auch von der Antarktis los und beginnt seine weitgehend isolierte Unabhängigkeit. Auch dann war Australien noch lange oder auch immer wieder über Indonesien quasi über den Landweg erreichbar, aber beginnt auf jeden Fall seinen eigenen Charakter zu entwickeln. Im Übrigen haben sich dann auch die Beuteltiere vor etwa 120 Millionen Jahre von uns Nicht-Beuteltier-Säugern unabhängig gemacht und ihre eigene evolutionäre Richtung eingeschlagen.

Den mit den Ohren hab ich gestern im Desert Park gesehen. Die hat den Beutel nach hinten raus, weil sie viel graben und die wollen sich die Erde natürlich nicht in den Beutel schaufeln.

Und jetzt sagen sie, der Regenwald in Australien sei bis zu 180 Millionen Jahre alt, während der um den Amazonas herum nur, was weiß ich, 60 Millionen Jahre alt ist. Und natürlich sehr interessant, dass die Leute auf diesem hier Kontinent einerseits dauernd sagen, wie alt das alles ist und Geologie ist insbesondere für die diversen TourleiterInnen ein wichtiges Thema. Aber das gilt eben nur für die nicht-indigene Bevölkerung, Aborigines haben auf der anderen Seite wohl andere Prioritäten, was so Geschichte betrifft, ist da ja auch ganz anders konzipiert. Aber für die Nachfahren der SiedlerInnen ist es vielleicht sogar ein bisschen Kompensation dafür, dass ihre Gesellschaft kaum so alt ist, wie sie einen Stein werfen können.

… einen Stein werfen können.

Das muss man sich nämlich vorstellen – und zwar geh ich auf der Metaebene jetzt langsam aber sicher ins nonlineare Erzählen: Ich sitz in Alice Springs und da ist Aborigines viel mehr ein Thema, weil die haben ja der ganzen Wüstengegend hier so viel Bedeutung gegeben, dass selbst die SiedlerInnennachfahren die nicht übersehen können. Aber vorstellen: die Aborigines sind vor bis zu 50 000 Jahren hier angekommen, ich sag nur: Zunge zergehen lassen. Und jetzt zwar in erster Linie keine Schrift aber Zeichnungen auf Felsen und in Höhlen und da lässt sich auch kulturell sagen: es gibt eine Kontinuität, die zumindest 20 000 Jahre zurückreicht. Alles unvorstellbar.

Hier eine Karte, die die traditionellen Gebiete der unterschiedlichen indigenen Völker Australiens abbildet. Man sagt, die seien z.B. sprachlich sehr unterschiedlich und natürlich in ihrem Wissen über die Natur und ihrer Lebensweise. Da gilt es jedenfalls mehr zu erfahren. (Klicken für das Originalbild, das man auch lesen kann…)

Aber ja, Regenwald war am Samstag, Freitag fahr ich erst einmal ins Riff. Weil ich hab dem Mac dann schnell den Riffausflug abgekauft, für den er – nur noch zwei! – Ermäßigungen hatte. Und irrsinnig viel zu Essen wird versprochen, auf der Hinfahrt, auf der Rückfahrt und zwei Stationen und wenn ich tauchen will kann ich das auch kurzfristig am Boot sagen, das sei überhaupt kein Ding. Das sind alles so Sachen, mit denen sich BackpackerInnen schon locken lassen. Ein bisschen halt früh aufstehen, aber alles erst nach Sonnenaufgang und in Wahrheit will man sich eh lieber vor 9 Uhr bewegen, weil es sonst warm wird und dann unerträglich.

So schaut s im Hostelgarten aus, ca. halb zehn. Da scheint die Sonne schon ganz schön rein.

Das Riff ist für eine geologische Formation sehr jung, so jung, dass mir nie jemand gesagt hat, wie alt das Riff ist. Aber natürlich ist das Riff nicht in erster Linie eine geologische Formation sondern ein Ökosystem. Eine Biosphäre und als solche lässt sie sich etwa 20 000 Jahre zurückzuverfolgen. Und jetzt – sadface – das dürfte letzten Endes auch schon ziemlich genau das Alter sein, dass das Riff erreichen wird. Ich hab zwar sowohl bei den Greyhoundbuchungen als auch bei meinem Flug nach Alice extra Geld für s Riff gespendet, aber das wird s nicht rausreissen. Jetzt war das Riff aber großartig. Oder halt die ganze Erfahrung, pass auf.

Also steh ich um 6 Uhr auf, weil da muss man vorher lang einchecken und dann fährt das Schiff eh erst um 8 Uhr los. Legt ab. Ich frag mich das immer wieder, was in von der Rolle des Kapitäns alles übriggeblieben ist, insbesondere: muss ein Kapitän wissen, wer alles auf seinem Schiff ist? Oder ist das bloß so eine Traumschiffromantik, dass der dort auf diesem Steg steht, über den wir alle das Schiff betreten. Irgendwie denk ich mir, das macht schon Sinn irgendwo, aber dann mit dem Einchecken und alles, ist das ja sowieso nur noch Relikt. Wenn s denn überhaupt… you know? Jedenfalls steht der so da und sagt allen Hallo und dann sieht man ihn nicht mehr, weil der auf seiner Brücke sitzt und schaut, dass wir das Riff nicht kaputtfahren.

Jetzt von Anfang an Überraschung, weil wir sind etwa zwei Drittel ChinesInnen auf dem Schiff. Schon im Hafen ist ersichtlich, dass die sich den Rausch vom Vorabend aussonnenbadenden Bikinimädchen und ihre Dudes (so many dudes!) eher auf den anderen Schiffen untergekommen sind. Aber damit kann ich ganz gut. Unter den ChinesInnen fühl ich michweniger verloren, weil die in der Regel immer noch mehr verloren sind als ich. Die wichtigen Ansagen gibt s dementsprechend auch auf Chinesisch durchgegeben. Also in erster Linie, wann s Essen gibt und dass man sich zum Kotzen bitte nicht im Klo einsperren soll, weil da stinkt s und über kurz oder lang ist das ganze Boot angespieben. Immer brav ins Sackerl und das Sackerl draußen in den Mist.

Das Boot.

Eigentlich recht eindrucksvoll hab ich gefunden, wie ich mich zur Ausrüstungsvergabe hinsetze, der Mitarbeiter mit dem Schuhgrößenwissen vorbeikommt und nach einem Blick auf meinen nackten Fuß sagt: Fourty-one. Jetzt zweifach interessant: erstens erkennt er meine Schuhgröße mit den Augen und zweitens verwenden die scheinbar die gleichen Schuhgrößenmaße wie wir. Oder natürlich: andere Schuhgrößenmaße und dementsprechend auch danebengegriffen bei der Schuhgrößenbestimmung. Ich probier dann nämlich dann ein ein zweites Paar Flossen, weil das erste Paar etwas locker wirkt, bleib dann aber beim ersten, weil lieber ein bisschen zu locker als so eng, dass es mir den Fuß schon beim Reinschlupfen krampft. Ich bin ja eh nicht gut mit Flossen eigentlich und hab mir oft einmal einen Krampf geholt damit. Wohl, weil es keine Flossengröße gibt, die mir tatsächlich passt.

Das anstrengende ist dann aber erst einmal die Hinfahrt. Ich mein, wir haben sehr, wie sagt man da? „Die See“ ist irgendwie – Ruhig? Still? Flach? So was in der Art. Es geht kaum ein Wind, die Wellen machen wir mehr selbst (Stichwort: Bugwelle), mir ist damit aber nicht gut. Die Dings an der Bar hat mir zwar anfangs so erdbeergeschmackige Tabletten verkauft, die mich stabilisieren sollen, aber ich hab sie wohl ein bisschen zu spät genommen für prophylaktisch und muss mich die erste Stunde eher festhalten und den Blick in die Weite richten. Ich glaub, so was in Thailand auch einmal genommen zu haben, in der Vorbereitung auf stundenlange Serpentinen. Aber dieser Vergleich basiert im Wesentlichen darauf, dass den Tabletten 1) eine ähnliche Wirkung zugeschrieben wurde und 2) sie zirka gleich groß und ebenfalls unglaublich günstig waren. Ich mein, für eine Tablette mit Wirkung viel zu billig. In Thailand lagen die noch dazu wohl einfach offen in einer Schale, hier sind sie verpackt und wenn ich mir die Mühe machen wollte, könnte ich auch den Wirkstoff von der Verpackung runterlesen.

Meine Reling, danke für die Stütze.

Einmal seh ich sowas wie einen Delphin, also so ein zwei Meter langer Fisch (jaja…), der neben dem Schiff taucht. Aber ich zeig zwar drauf und dreh mich um, ob da nicht jemand ist, mit dem ich diese Beobachtung teilen kann, aber da ist er auch schon wieder weg und letztlich kann ich mich nicht erinnern, ob die Schwanzflosse so herum oder so herum war und ob s jetzt ein Delphin war oder vielleicht ein verirrter Tunfisch oder was vergleichbares. Ich glaub, solche gibt s hier auch und das wäre ja auch nicht schlecht gewesen.

Irgendwann sind wir endlich im Riff angekommen, ich hab mir eine Tour beim dreamy Marine Biologist gebucht, ein bisschen für die Eckdaten und so. Außerdem sind wir die ersten im Wasser, während die anderen noch die Zeichensprache der Bademeisterin lernen. Weil da steht eine, die ein bisschen aufpasst, dass die Leute nicht zu weit wegschwimmen oder ertrinken oder zurückgelassen werden, wenn das Schiff wieder aufbricht. Und ich sag dir, das ist schon toll, Riffschnorcheln. Der Herr Biologe erklärt da ein bisschen, wie das mit den Dings, den Korallen ist, umgedrehte Polypen und so, man weiß es ja eh so mehr oder weniger. Aber dann halt, wie langsam sie wachsen und interessant für mich, dass alle Polypen in einer Kolonie oder in einem so einem Korallenast, wie auch immer man da sagt, dass die genetisch alle ident sind. Aber vielleicht auch gar nicht überraschend, weil natürlich schon sexuelle Fortpflanzung bei den Korallen. Das soll ein ziemliches Hallo sein, weil die in einer Frühlingsvollmondnacht alle gemeinsam ihre Gameten ins Wasser abgeben und das schillert, das Wasser und die Luft sollen schwer vom Hormonschwall der Rifforgie sein. Aber das hängt halt sehr von Temperaturen und… vor allem von der Temperatur ab.

Letztlich kann man tun, was man will, auf Bildern schaut das alles ein bisserl unspektakulär drein.

Aber da merkt man auch schon ein bisschen, wie sensibel das ist, dass das ganze Riff, die ganzen verschiedenen Korallenspezies, das gemeinsam erledigen, abhängig von Temperatur und Mond. Aber das wirkliche Problem ist wohl die symbiotische Beziehung zwischen den Korallen und den Algen, die sie ernähren. Wobei ich nicht genau verstanden hab, wie sie tun: Ich glaub, die Algen wohnen auf den Korallen und machen Photosynthese. Weil natürlich ist es für eine Spezies, die sich darauf spezialisiert hat, in einem harten Panzer zu leben, aber auch an einem Felsen festgewachsen zu sein, relativ schwierig, an ihr Essen zu kommen. Hat der Riffmeister erklärt. Jetzt sind da die Algen und die kriegen das halt easy-cheesy mit der Photosynthese geliefert. Und jetzt hab ich mir gedacht, aha, die Korallenpolypen werden dann halt die Algen essen. Aber nein, die Algen geben den Korallen einfach die Kohlehydrate ab, die sie aus dem Wasser rausholen bzw. aus dem CO2, ich nehm an, da gibt s genug davon im Wasser. Na und das Problem ist jetzt, dass diese Beziehung nur innerhalb einer gewissen Temperaturspanne funktioniert und wenn das Wasser zu warm ist, dann kriegen die Stress miteinander und die Korallen stoßen die Algen ab. Und die Korallen verlieren dann ihre schönen Farben, weil eigentlich sind die schicken Grün- und Blautöne natürlich Chlorophyll und Korallenbleiche und da ist der Salat. Aber, was ich ebenfalls nicht wusste: Korallenbleiche heißt nicht, dass sie tot sind. Ich mein, es heißt, dass sie jetzt langsam verhungern, aber das dauert und in der Zwischenzeit mögen sie sich erholen und das Wasser wird vielleicht wieder etwas kühler und während die Korallen zwar leiden und nicht wachsen und vielleicht ein Teil stirbt, na, aber als ein Ganzes mögen sie sich wieder erholen. Das hab ich mit Erleichterung wahrgenommen.

Manchmal will man auch gar nicht so genau wissen, was das ist, was man da sieht…

Und während die Korallen in Wahrheit auch aufregend sind, sind natürlich die Fische schon ein bisschen die Attraktion, wegen der man hinfährt. „Zutraulich“ ist das falsche Wort, ich würde annehmen, sie sind sich einfach ihrer Agilität bewusst und deshalb ist es ihnen relativ egal, wenn man bis auf Zentimeter an sie herankommt. Es gab den einen Fisch, von dem ich glaub, dass er schon auch ein Interesse an den SchnorchlerInnen hatte, weil der wirklich viel so um mich herumgeschwommen ist und dann hab ich ihn zwei-, dreimal erwischt und ein bisschen die Flanke gestreichelt. Aber was weiß man schon, ob ein Fisch „interessiert“ sein kann.

Tom Hanks & Leonardo DiCaprio 2002

Ich hab mir jetzt aber nicht mehr die Mühe gemacht, die Fische zu bestimmen. Da sind die großen Papageienfische, die hörbar am Riff knuspern. Und immer mit einem Schwarm kleinerer Fische, die die Bruchstücke auffangen, die beim Knuspern ins Wasser gewirbelt werden. Und dann sind da die Schwärme aus kleinen blauen Fischen, durch die ich mir ein paar Mal den Spaß gemacht habe, durchzutauchen. Natürlich geht das nicht ganz so gut, wie man sich das in einem phantasievollen Moment vorstellt, aber ein bisschen sehe ich sie schon auseinanderstieben. Und das ist wiederum sehr faszinierend, dass jetzt die eine Evolution macht einen großen Fisch und sagt, alles auf diese eine Karte und die andere Evolution sagt sich, nein, wir machen lieber einen Schwarm von vielen kleinen Fischen, da kann ruhig mal einer gefressen werden, aber the pack survives. Und jetzt aus der Perspektive der BeobachterIn muss ich sagen, der große Fisch ist toll anzuschauen und Hammer und so. Aber faszinierend wirklich ist vielleicht mehr der Schwarm, die Individuen und das gemeinsame Ganze. Und wahrscheinlich ist es bei den Fischen besser erkennbar, als bei anderen Tieren, weil halt dreidimensionaler Raum und verhältnismäßig statisch. Es ist zwar gestern ein Schwarm Wellensittiche über mich drübergeflogen und gemeinsam mit ihren Rufen ist das ein Gänsehauterlebnis (gute Gänsehaut, selbstverständlich). Aber so ein Fischschwarm ist mittelfristig einfach einfacher zu beobachten.

Knusper, knusper Knäuschen…

Und die Drückerfische, die ihre Seitenflossen mehr nur zum Lenken verwenden und ein Kugelfisch, der mir so unausgeglichen, so angespannt wirkt, weil er dieses Potenzial in sich hat, aufzugehen. Und diese Fische, die der Biologe Romeo and Juliet of the Sea genannt hat, weil die immer zu zweit unterwegs sind und wenn sie ihre PartnerIn verlieren, schwimmen sie in sich ausweitenden Kreisen, bis sie sie wiedergefunden haben. Und die Muscheln, also diese großen, die haben die irrsten Farben. Und einen Clownfisch hab ich gesehen, der ein bisschen verloren… aber auf so einen matten Pun wollte ich jetzt nicht hinaus. Na ja, und dann halt der Hai, nicht wahr. Das ist schon, wo ich den seh und die erste Reaktion ist: Scheiße, ein Hai. Aber sofort die Neugier und die Faszination und wenn wir schon keine Schildkröten zu sehen bekommen, dann seh ich meinen Hai. Ganz allein und ein bisschen abseits der Gruppe. Aber ist ja ganz ein kleiner, zwei Meter oder so und der tut ja nichts, der will noch nicht einmal spielen. Ich also in gutem Abstand hinterher, den Stress hat eher der Hai, sind wir uns ehrlich.

Also, was hier passiert ist, ist, dass ich zu oft auf den Aufnahmeknopf gedrückt hab und jetzt kaum eine Sekunde Hai auf Video hatte. Ja, ausgerechnet. Deshalb hier ganz laaaaangsam , auf drei Sekunden gestreckt. Dafür hab ich sechs Minuten Video von einer Kamera, die mir um den Hals schlenkert…

Na und dann wieder auf s Boot und ich bin wirklich sehr begeistert und ich will gar nicht aus dem Wasser. Für blaue Lippen zahlt es sich vielleicht aus, für verlängertes Planschen einzustehen, aber nicht für im Riff gelassen werden. Ich nehm an, dass wir jetzt eine kleine Mahlzeit nehmen. Mein Magen steht immer noch auf etwas wackeligen Beinen, aber etwas Couscoussalat und ein paar Süßkartoffeln aus diesem… was ist das? Es hat auf jeden Fall Süßkartoffeln drin. Und dann nehm ich mir sogar noch zwei so Garnelen. Und dann nochmal zwei, weil ich merk, gar nicht so schlimm, wie ich zuerst gefürchtet hab, dass mein Magen jetzt auf gekühltes Fischfleisch reagiert.

Ein kleiner Strampler durch s Riff, dem Drückerfisch hinterher. Den Soundtrack liefert ein Herr, der abends auf der Cairnser Esplanade seine Gitarre gespielt hat (weil sonst ist nur so Geblubber…).

Im zweiten Riff, same procedure as before, rückwärts einparken, damit wir hinten auf s Riff raus sind, rein ins Wasser. Das Riff ist gleich merklich anders als das erste und ich hätte mich nicht beschwert, wenn der Meereswissenschaftler nochmal ein bisserl was erklärt hätte. Aber 25$ sind nur für einmal erklären und dass es hier anders ausschaut akzeptiere ich einfach. Ich versuche ein bisschen tiefer zu tauchen und merke jedesmal, wie schnell mir der Druck im Kopf ein Problem wird, so zwei, zweieinhalb Meter geht s, würde ich sagen. Und geht s auch schnell, weil die Flossen tun was sie sollen und Krampf krieg ich auch keinen, alles picobello. Auch hier keine Schildkröten und kurz vor Aufbruch zeigt sich wieder ein einzelner Hai. Als wir uns am Bootsrand die Flossen ausziehen, hab ich eine kurze Unterhaltung mit einem fellow Haisichter, der mir von zwei viel größeren Haien erzählt, die er im Zuge des Schnorchelgangs unter einem Felsvorsprung gesehen hätte. Da ist das Verpasste kurz ein bisschen wichtiger als das Erlebte.

Wahrscheinlich waren s solche Zebrahaie.

Als ich daheim ankomme, bietet Mac gerade zwei SchottInnen den gleichen Ausflug an, von dem ich gerade zurückkomme. Schaut aus, als ob er nur noch zwei Ermäßigungen hätte… Enthusiasmiert wie ich bin schwärme ich ihnen ein bisschen was vor, sag, dass es sich auf jeden Fall ausgezahlt hätte. Und das stimmt auch. Natürlich ist die Hälfte im Prospekt gelogen oder zumindest übertrieben und Preise vergleichen, dafür müsste man mal ein bisschen was gesehen haben. Aber im Grunde genommen zahlt es sich einfach aus, weil eineinhalb Stunden Schnorcheln in diesen Riffen großartig ist. Schildkröten und Haie sind natürlich eine Attraktion, eben der große Fisch, der beeindruckt. Aber das Erlebnis selbst, das große Ganze, dass sich aus den vielen einzelnen Teilen ergibt, für das ist es wirklich egal, ob es zwischendurch Scampi oder Dosenfleisch gibt.

Red fish, blue fish.