Solstice is…

Ich mein, selbst wenn man sich dafür auf den Weg machen wollte: Ist es halt der längste Regentag des Jahres, sagt ja niemand, dass man die Sonne sehen muss, an ihrem Feiertag. Denn auf der anderen Seite ist es schon so, dass sich heute als ein guter Feiertag anböte. So ein globales Fest, ein Wendepunkt vielleicht, von dem wir alle gleichermaßen betroffen sind. Und gleichermaßen heißt halt – nicht besonders intensiv, aber doch: Ab heute werden die Tage wieder kürzer.

Aber pass auf: Ich hab mir vor ein paar Jahren mal während der Arbeit, in einer kleinen Gehirnpause die Sonnenauf- und -untergangsdaten angeschaut und war relativ überrascht darüber, dass das so einfach nicht ist. Wenn ich jetzt mal sage, ich vertraue den Daten vom ZAMG, dann ist der Tag, an dem die Sonne am ehesten aufgeht schon wieder fast eine Woche her: am 14. Juni ist die Sonne um 4:53 aufgegangen. Und dann nochmal am 15., am 16. und am 17. Juni. Weil die ZAMG hat auch nur Minutendaten und das ist ok für mich, es lässt sich annehmen, die Sonne ist da irgendwo in der Mitte tatsächlich am frühesten aufgegangen. Seit dem haben wir schon wieder eine Minute länger schlafen gewonnen. Und heute geht sie in der Tat am spätesten unter, 20:59. Aber natürlich nicht nur heute sondern das geht jetzt noch zehn Tage so. Derweil geht die Sonne aber schon immer später auf und deshalb gibt es jetzt nur vier Tage, an denen wir den längsten Abstand zwischen Sonnenauf- und -untergang erleben. Interessanterweise waren der 17. und der 18. Juni aber ebenfalls bereits 16h05′ lang. Nur der 19. Juni, der hatte nur 16h04′ zwischen Sonnenrauf und -runter.

Ich weiß nicht wieso das so ist. Es hat wohl irgendwas mit Ellipsen zu tun. Also mit der Ellipse, in der sich die Erde um die Sonne dreht. Weil das ist nicht einmal das, was mir damals vor Jahren im „Auftrag“ des Ludwig Boltzmann Instituts für Ganz Grundsätzliche Nachforschung aufgefallen ist. Das hab ich jetzt so nebenher bemerkt, wie ich an meiner Grafik gebastelt hab, die das mich seinerzeit beeindruckende veranschaulichen sollte. Nämlich dass die Tage nicht gleichmäßig länger und kürzer werden.

Am längsten hab ich sicherlich gebraucht, um die Sommerzeit aus der Grafik rauszurechnen, schaut auch cool aus mit, wenn die Sonnenaufgangskurve Hörner bekommt. Aber lenkt eher ab von der eigentlichen Darstellung.

Ich mein, was man schon relativ auf Anhieb sieht, ist das eben das, dass der eheste Sonnenaufgang und der späteste Sonnenuntergang eben nicht wirklich gleichzeitig passieren. Und umgekehrt vielleicht sogar noch eher, weil der späteste Sonnenaufgang ziemlich genau um Neujahr herum ist, da ist die Kurve ganz hübsch an ihrem Zenit. Aber die Sonnenuntergangskurve geht schon wieder nach oben, noch bevor das Jahr um ist.

Und dann sieht man doch auch ein bisschen, dass die Sonne schneller wieder früher untergeht, als sie gebraucht hat um später unterzugehen. So liegen zwischen dem 30. Juni, an dem die Sonne das letzte Mal zu ihrer Topzeit von 20:59 untergeht und dem 9. Dezember, an dem die Sonne das erste Mal bereits um 16:00 untergeht nur 161 Tage, während zwischen dem 13. Dezember, an dem sie das letzte Mal um 16:00 untergeht und dem heutigen 20. Juni, an dem sie ja zum ersten Mal um 20:59 untergeht, ganze 189 Tage. Die Sonne braucht also vier Wochen länger, um den spätesten Sonnenuntergangstermin zu erreichen, als sie dann wieder zum frühesten Sonnenuntergang abbaut.

Nachdem sich das aber bei den Sonnenaufgängen in etwa spiegelbildlich beziehungsweise versetzt… reziprok? Also, da ist es halt umgekehrt und zwischen dem frühesten Sonnenaufgang zwischen 2.-7. Jänner und dem spätesten von 14. bis 18. Juni liegen 158 Tage nach vorwärts und 197 Tage nach rückwärts. Wobei diese Zahlen jetzt auch alle nur anhand des Jahres 2020 dargestellt sind, kann schon sein, dass sich das ein bisschen anders verhält, wenn man tatsächlich ins Jahr 2021 rüberwechselt und nicht einfach nur im Excelfile nach oben scrollt…

Insofern ist es vielleicht gar nicht so wichtig, heute die Sonnenwende zu feiern, weil so wirklich scheint das mehr so die allgemeine Kalendergegend zu sein, in der wir uns gerade befinden, die den Scheitelpunkt unserer Sonnenumkreisung beschreibt. Hat eine Ellipse einen Scheitelpunkt? Oder halt: zwei Scheitelpunkte? Und überhaupt ist ja alles Zufall, weil ich jetzt das mit der ganzen Sonnenwende wirklich nur zufällig herausgefunden hab, während ich nachgeschaut hab, wie spät s grad in Melbourne ist. Und ja, sorry V., ich bin davon ausgegangen, dass Samstagabend, zehn Uhr unpassend für ein bisschen legeres Plaudern gewesen wäre. Weil ich annehme, dass du out and about bist. Oder, weil ich mich dran erinnere, dass im Juni bei euch wohl ähnlich grauslich wie bei uns heroben ist, nur halt nochmal minus zehn Grad, dass du dich irgendwo in Decken gewickelt von Fernsehen und Elektroofen wechselseitig bestrahlen lässt.

Was ich aber eigentlich noch sagen wollte. Ich hab heute in der Früh schon was gelernt, was mich hat aufspringen und dementsprechend -stehen lassen, weil ich s so aufregend fand. Und ja, das ist jetzt vielleicht ein bisschen dick aufgetragen und vielleicht hab ich einfach einen leichten Anreiz genommen, um beizeiten aus dem Bett zu kommen. Oder ich hab mich ein bisschen von der bisserl zu energetischen Diana mitreißen lassen. Auf jeden Fall war ich einen Moment lang wild auf der Suche nach einem Stück Stift beziehungsweise Papier um festzuhalten: Die Wendekreise des Krebses beziehungsweise des Steinbocks… also, der südliche und der nördliche Wendekreis respektive liegen auf jeweils 23°26′ und noch bisschen. Und innerhalb dieser beiden gibt s zweimal jährlich einen Tag, an dem die Sonne direkt drüber steht und s deshalb keinen Schatten gibt. Also: einen Tag, an dem s eine Uhrzeit gibt, an dem die Sonne direkt im Zenit… hmmm. Scheint, als ob die Sonne einen Zenit hätte und die… ich mein, das muss eigentlich falsch sein, weil das wirkt wie eine Beschreibung aus einem geozentrischen Weltbild…

Anyway, das ja wirklich nur nebenbei und quasi Inhalt des Videos. Ich hab mich mit Spannendfinden ja wirklich auf ein Detail beschränkt, das wahrscheinlich eh total logisch ist. Aber ich bin ganz offenbar mit der Physik zwar befreundet, aber ich weiß nicht so wirklich, was in ihr vorgeht. Demensprechend überrascht und wie gesagt hingerissen bin ich dann davon zu erfahren, dass nämlich das der Winkel ist, in dem die Erde zur Sonne steht: 23°26′ und bisschen was. Und das find ich aufregend, aus irgendeinem Grund. Und ja, was die Diana dann auch sagt und was eh auch klar ist, dass das ja nicht zufällig sondern dass die so definiert sind. Aber es hilft mir, glaub ich, zu verstehen, erstens wozu diese Breitengrade… also, wie die sich zu einer Wirklichkeit verhalten. Unserer Wirklichkeit verhalten. Und zweitens wie das dann mir hilft, ein Bild davon zu haben, wie die Erde im Weltraum herumfliegt und wie sie sich dort zu anderen Objekten verhält. Und da hege ich die sanfte Sehnsucht, wäre dieses Bild ein wenig schärfer, würde ich vielleicht auch besser verstehen und oder erklären können, warum die Sonne so komisch auf- und untergeht.

Kurkumateetest

Eines Tages war ich enttäuscht, dass ich keinen Kurkumatee beim Billa gefunden hab. Das war ein interessantes und bisher einzigartiges Erlebnis. Ich hab letzten Winter in Melbourne Kurkumatee getrunken und hab das ganz nett gefunden. Das angenehme war nämlich auch, dass es ein unaufdringlicher Tee war, der Tee hat mir nicht sagen wollen, wie ich mich fühlen soll, wenn ich ihn trinke und ist mir auch nicht ungefragt mit Sinnsprüchen zur Seite gestanden. Es war eine relativ schlichte gelbe Schachtel mit vermutlich zwanzig Teebeuteln drin. Ich bin versucht zu sagen, dass Tee in dieser von den Briten besiedelten und wahrscheinlich dann auch noch von asiatischstämmigen Leuten mitbewohnten Weltregionen einfach einen anderen Stellenwert hat und weniger stark als eine Ebene, auf der man seine Individualität gestalten muss betrachtet wird, denn als eine alltägliche Notwendigkeit. Jetzt haben aber die Briten den Kapitalismus erfunden und das stimmt sicher nicht, was ich da sag, vielmehr wird wahr sein, dass Tee und vergleichbare Heißgetränke im australischen Supermarkt so differenziert sind, dass jemand wie ich auch eine Zielgruppe ist, die ihr eigenes Marktsegment bekommt. Und ja: vergleichbare Heißgetränke. Wie ich in der Apotheke tea kaufen wollte, wurde ich ja zurecht verständnislos angeschaut.

Anyway. Stellt sich heraus, das ist alles falsch. Also nein, nicht alles. Aber zumindest die Feststellung, dass es beim Billa keinen Kurkumatee gäbe. Weil nachdem ich mehreren Leuten mit meiner Tirade vom Nichtvorhandensein Kurkumatees und der dadurch versinnbildlichten Hinterwäldlerischigkeit der österreichischen Gesellschaft in den Ohren gelegen bin habe ich vor nicht allzulanger Zeit dann beim dm einen Kurkumatee bekommen. Und nur kurz: interessant und nachvollziehbar, dass das bei uns die Provizialität am Wald festgemacht wird, weil mir dazu jetzt eben der englische Begriff backwater (Bedeutung 2a) eingefallen ist. Quasi eine Bestätigung dessen, dass ich das Konzept von Deutschen, die am Meer leben für kurios halte. Aber dann noch eins drauf, wenn mir für hinterwäldlerisch tatsächlich freshwater (Bedeutung 2, US, veraltet) vorgeschlagen wurde.

Aber ja, ich hab beim dm Kurkumatee bekommen. Und ich hab kurz darauf auch beim Billa Kurkumatee entdeckt. Da muss sich aber wirklich irgendjemand mit Sehfehler in die Fokusgruppe geschlichen haben, weil ohne nähere Betrachtung, ist der Tee gar nicht identifizierbar. Na und dann war ich beim denn’s und hatte die ganze Tasche voll Kurkumatee. Und jetzt ist es eh wieder etwas kühler, das ist ja nicht schlecht: kann ich Kurkumatee trinken.

Auf der Webseite von Stick&Lembke hab ich dieses Design übrigens gar nicht mehr gefunden. Was nichts heißt, aber unvorstellbar ist es nicht, dass sie

Jetzt noch: Ich hab auch selbst zwischendurch einen Kurkumatee gemacht, der war aber gar nicht besonders gut. Liegt wohl daran, dass der Kurkuma schon sehr lang im Kasten rumsteht und weil irgendwo Kurkuma der färbt immer noch die halbe Arbeit erledigt… überhaupt. Wer kauft schon neue Gewürze, wenn die alten auch komplett ausgeraucht sind. Aber da hab ich mich ein bisschen drüber informiert, was so das heiße ist, am Kurkumatee. Und das jetzt einfach aus dem Kopf, im Kurkuma ist ein Stoff der der Einfachheit halber Kurkumid heiß. Und weil von den x Wirkungen, die dem zugeschrieben werden, keine nachgewiesen ist, ist es auch nicht so wichtig, dass der Begriff wahrscheinlich falsch ist. Aber er heißt wie Kurkuma, nur mit einer anderen Endung. Und besonders viel Wirksamkeit wird dem Kurkumid im Zusammenspiel mit Pepperinoiden nachgesagt. Die sind im Pfeffer enthalten, behold!. Macht Pfeffer eine Kräuterteemischung besser? Schwer zu sagen. Es hat dann alles vor allem nach Ingwer geschmeckt.

Und deshalb sind aber Kurkumatees auch schwer zu verkosten, hab ich heute gemerkt. Weil der Kurkuma wirkt ein bisschen betäubend auf der Zunge, Zimt ist oft drin, der wirkt so ähnlich. Dann Ingwer und Pfeffer, die sind scharf… Man kann kaum von einem Glas einen Schluck nehmen und dann vom nächsten und dann vom… das schmeckt nach gar nichts mehr.

Ahja, ich hab dann heute meine Kurkumatees verkostet. Weil ich den vom Yogitee gar nicht besonders gefunden hab. Eh ok, aber blass im Geschmack und kaum der Mühe wert. Der ist mit Zimt und Süßholz und man schmeckt viel das Süßholz. Kurkuma, muss ich auch sagen, ist schwer vom Geschmack so wirklich festzuhalten. Aber ich fand eben in dem Yogitee, nicht so gut. Wenig gut, gehen wir einfach von der Seite, fand ich auch den Hellwach von Sonnentor. Der ist auf Matebasis und das hab ich mir zuerst eigentlich ganz attraktiv vorgestellt, würde ich aber nicht nochmal kaufen. Irgendwie schmeckt Mate auch ein bisschen fad. Rosa Pfeffer klingt aufregend, macht aber nicht mehr viel. Und sonst: Basilikum, Oregano, Zitronengras… Bemüht, aber eine komische Richtung. Ganz ok fand ich Billas Stick&Lembke, den man nicht lesen kann. Der hat Kakaoschalen mit drin und das macht ihn mehr in die Richtung. Bisschen Ingwer, bisschen Pfeffer. Der ist schon ganz gut und eigentlich hätte ich mich mit dem auch zufrieden gegeben. Aber dann halt denn’s. Und da gibt s dann den… ich bin mir nicht ganz sicher. Ich würde sagen am zweitbesten finde ich den Pukka. Das ist der, den ich auch in Australien getrunken hab. Hosanna!, hab ich mir gedacht. Weil der wird in Bristol gemischt und der hat irgendwie dieses Design mit dem ich ok kann. Der ist auf Grünteebasis und darf deshalb wohl auch in Melbourne in der Teeabteilung stehen (vorausgesetzt, das ist tatsächlich die gleiche Rezeptur) und hat Zitrone drin. Das ist letzten Endes auch schon das herausragendste Merkmal: der schmeckt ein bisschen frisch-zitronig. Und dann ist da noch der Lebensfeuer, ebenfalls von Sonnentor. Auch Grüntee und zwei verschiedene Zimt seh ich grad. Verschiedene Anis, Fenchel, Kardamom. Und vorne drauf auf der Packung steht auch noch der Safran. Nullkommaeinprozent.

Jetzt noch ein bisschen für wem der Geschmack vielleicht nicht das wichtigste ist. Alle fünf Tees haben keine Klammern im Teebeutel, was ich super find, gehen bei mir alle in den Biomüll wie sie sind. Natürlich sind alle einzeln verpackt, die Sonnentor und der Yogitee in Plastik, Pukka sowie Stick&Lembke dankenswerterweise im Papierbeutel. Ja, vielleicht ist es das manchen wert, dass man den Tee nach einem Jahr geschmacklich immer noch wiedererkennt, aber ich freu mich darüber, den Mistkübel nicht aufmachen zu müssen. Was noch? Farblich fand ich den Yogitee am schönsten, der hat das tiefste Gelb. Der Pukka, wohl wegen der Zitrone ist ein bisschen blass.

Was ich auch lustig fand und in der Testreihe zuerst total beachten wollte, aber dann vor lauter Unkonzentration zu achtzig Prozent vernachlässigt hab, ist die empfohlene Zugzeit. Der Pukka sagt: „Mit frisch gekochtem Wasser übergießen und mindestens 15 Minuten ziehen lassen.“ Was meine Lieblingsempfehlung ist und auch die einzige, an die ich mich gehalten hab. Weil mindestens am einfachsten handzuhaben ist, wenn man die Zeit übersehen hat. Die Sonnentor zeigen eine Teekanne auf der 100°C steht und daneben steht 5-10 Min. Lembke sagt „Ziehzeit: 5-8 Minuten“ und der Yogitee gibt eine Mengenangabe („250ml“) eine Ziehzeit („7-9 Min“) und einen Konsumationshinweis („Enjoy! Genießen! Savourer!“). Gerade der deutscher Imperativ klingt da besonders sinister. Aber er empfiehlt auch, als Golden Milk getrunken zu werden, wo der Tee in Milch aufgekocht wird. Oder einem veganen Milchäquivalent. Das probier ich vielleicht noch, das klingt nicht so schlecht. Er schmeckt ja an sich schon so, als ob ein bisserl was fehlen würde, eine Süße oder… ein Geschmack.

Auf der anderen Seite gewinnt der Yogi Tee auf jeden Fall damit, dass er 55% Kurkumaanteil vorweist. 40% sind im Pukka, 12% im Stick&Lembke, 10% im Hellwach und – ach du lieber Himmel – 3% im Lebensfeuer. Dass das überhaupt… ich mein, die Sonnentor heißen eh nicht Kurkumatee, es steht halt vorne halbwegs prominent drauf, dass Kurkuma drin ist. Ist das schon Betrug? Lebensfeuer beschreibt auf der Packung 23,1% der Inhaltsstoffe: Kurkuma (3%), Zimt (2×10%) und Safran (0,1%). Hellwach beschreibt mit 40% Mate insgesamt 55%. Der Stick&Lembke nennt nur Kurkuma und Ingwer und kommt damit auch nur auf 28%. Pukka wirbt mit Kurkuma, Zitrone (6% + 6% Zitronenaroma) und Grüntee (20%) und beschreibt damit 72%. Und der Yogitee kommt mit Kurkuma, Zimt (14%) und Ingwer (7%) insgesamt auf 76%.

Und wenn ich schon die Verpackungswahrheit reflektiere, dann gibt s am Schluss nochmal einen Punkt für Pukka. Weil das ist die einzige Schachtel in der 20 Teebeutel enthalten sind. Ich hab keine Ahnung mehr, wie viel die einzelnen Tees gekostet haben und eine Preis-pro-Beutel-Geschichte wäre zwar nett, aber darum geht s mir gar nicht, wenn s auch trotzdem um Kostenwahrheit geht. Der Yogitee enthält 17 Beutel, die Sonnentor und der Lembke jeweils 18. Ich hätte gerne, wenn KonsumentInnen nicht Verpackungen studieren müssen, um Preise vergleichen zu können und deshalb, warum machen wir nicht alle Packungen zu 20 Stück… Hat das so schlecht funktioniert gehabt? Aber natürlich wär schön, wenn war dann noch die Teebeutel… man muss wirklich… in den Sonnentortees sind 1,7g in einem Teebeutel, Pukka gibt 1,8g (und die muss man sich selbst ausrechnen, aber weil 20 Beutel drin sind, geht das zumindest im Kopf…) und Lembke und Yogi füllen ihre Beutel mit großzügigen und kopfrechnungsunterstützenden 2g.

Um das Ganze zu einem Ende zu bringen, erfinde ich jetzt eine Formel, die sich aus Geschmack, allgemeiner Attraktivität (das ist die ganze Aufmache, aber mit einigem Gewicht auch der Plastikanteil), Ehrlichkeit… ja, ich glaub, das war s schon. Zusammensetzt. Sagen wir… 40% für Geschmack 30% für allgemeine Attraktivität und Ehrlichkeit:

Hellwach: 0,3*0,4+0,4*0,3+0,4*0,3=0,36
Lebensfeuer: 0,8*0,4+0,5*0,3+0,2*0,3=0,53
Kurkuma Chai (Yogi Tea): 0,3*0,4+0,5*0,3+0,9*0,3=0,54
Lembke: 0,6*0,4+0,4*0,3+0,7*0,3=0,57
Pukka: 0,7*0,4+0,8*0,3+0,8*0,3=0,76

Enges Mittelfeld, bisschen abgestunken die Matevariante und vorne Weg der Tee, der in mir Erinnerungen an einen Juniwinter im Melbournschen Regenwetter weckt. Man kann sich ja nach den seltsamsten Sachen sehnen…

Get Packing

Und so mache ich mich wieder auf den Weg. Die (sechs!) Wochen in Melbourne sind schnell vergangen und während ich zum dritten und voraussichtlich vorerst letzten Mal im SkyBus zum Melbourner Flughafen fahre, denke ich daran, wie gemütlich die letzten Wochen waren. Nämlich nicht nur eben die Faule Haut in Melbourne, wo ich in Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeit stellenweise untergegangen bin, auch in Indonesien hatte ich immer noch den Einzelzimmerluxus. Ja, daran denke ich vor allem, dass ich jetzt wieder in Stockbetten schlafen werde, auf jeden Fall solange ich noch in Australien unterwegs bin.

Einmal werd ich hier noch wach: Der Blick aus meinem Melbourner Schlafzimmer auf den unerwartet blauen Himmel und einen Hinweis auf eine zeitlicher aufstehende KranlenkerIn.

Ich mache mich auf den Weg für ein paar Tage Tasmanien und dann noch ein bisschen Sydney, bevor ich Australien insgesamt hinter mir lassen werde. Hat s mich doch noch gelockt, die Empfehlungen, mir doch unbedingt noch Tassie anschauen zu müssen und danach noch einen Blick auf die zwei meistfotografierten TouristInnenattraktionen Australiens zu werfen, praktischerweise direkt nebeneinander: Sydneyer Opernhaus und selbigens Harbour Bridge. Ich bin etwas besser vorbereitet als sonst, hab nochmal den dicken Australien Lonely Planet hergenommen und mir ein bisschen eine Reiseroute zurechtgelegt. Ich hab zwar auch meine Fehler gemacht und einen Flug gleich mal verfallen lassen, weil umbuchen einfach teuer gekommen wäre. Aber das hat man halt, wenn man einen Plan macht. Nur wer nicht plant, verplant sich nicht.

Sonst zeigen die Vorbereitungen, dass es insbesondere auf Tasmanien wieder einmal am gschicktesten wäre, ich würde mir ein Auto nehmen, weil es ja hier auch um ein bisschen Wildnis geht, die man sucht. Ich aber plane meine Route wieder entlang des öffentlichen Verkehrs, ich mein, ja, besser als nicht und ich bin eh kaum eine Woche da. Meine Lieblingszeile im Reiseführer bezieht sich auf den Mole Creek, wo geschrieben steht, dass man mit etwas Glück in der Morgen- und Abenddämmerung Schnabeltiere in den Wasserwegen beobachten kann. Hm… Wasserweg? Da ist schnell einmal mein Interesse geweckt, nachdem ich Anfang der Woche eine halbe Stunde in der Dunkelheit des Schnabeltierhaus im Zoo gestanden bin und dort erlebt hab, wie herzig, wie unglaublich herzig, diese Tiere sind. Was auch witzig war, dass ich halt doch lange in dem dunklen Zimmer gestanden bin und die Augen sich immer mehr an die Dunkelbheit gewöhnt haben. Und dann kommen neue BesucherInnen herein und suchen das Schnabeltier in seinem Aquarium, während ich sehe, dass es direkt vor ihnen schwimmt. Das sind fast ein bisschen SuperheldInnenfähigkeiten, die ich da erlebt hab. Und so klein sind sie! Ich glaub, dass ich mir die immer zumindest einen Meter lang vorgestellt habe. Vielleicht dass meine Kinderaugen da irgendwo ein Bild in einem Buch gesehen habe oder dass in Videoaufnahmen die Größenverhältnisse nur so schwer feststellbar sind. Aber sie sind ja nur dreissig, vierzig Zentimeter lang. Und so der Körper von einem Otter (ich mein, nein, aber am ehesten), mit den Watschelfüssen und der Entenschnabel, das ist schon sehr süß von den Voraussetzungen her.

Kinder und Erwachsener kommentieren ihren Erfolg, das nachtaktive Schnabeltier im dunklen Aquarium zu finden.

Jetzt denk ich aber auch ein bisschen daran, was Melbourne mit mir gemacht hat, dass ich, kaum, dass ich am Weg zum Flughafen bin, mich wieder an die Klaviatur meines Notebooks setze, während mir das jetzt geschlagene sechs Wochen lang einfach nicht in den Sinn gekommen ist, ja mich mit Überwindung konfrontiert hat, die ich nicht aufgebracht hab. Letztlich ist das schwierig, aber ein Kernproblem. Es hat irgendwas mit Sinnhaftigkeit zu tun, mit Perspektive und so. Aber auch mit dem Gefühl einfach untertauchen zu können und aus der Welt in mein Zuhause verschwinden zu können, in der Unübersichtlichkeit der ungreifbaren Endlichkeit. In dem Moment, wo ich anfangen habe, mich wieder damit auseinanderzusetzen, nur noch zehn Tage, eine Woche, achtundvierzig Stunden hier zu sein, habe ich wieder eine Dringlichkeit gespürt, die mir dazwischen abgegangen ist. Das Gefühl, von der Welt eine Pause nehmen zu wollen – und trügerischerweise das begleitende Gefühl, das auch tun zu können – ist ja etwas, was ich aus dem Wiener Rhythmus gut kenne und was eines der Hauptmotive war, mich in den Flieger zu setzen. Und wenn ich von Busfahrt zu Busfahrt denke, dann läuft das auch gut. Mit den zur Hand seienden Rückzugs- und Auseinandersetzungsverweigerungsmöglichkeiten verantwortungsvoll umzugehen, das hat mich vielleicht ein wenig überfordert. Wenn ich dann doch einmal einen Ausflug in die Stadt oder eben in den Zoo gemacht habe, hat sich das schnell gelegt. Mit Menschen in Kontakt sein, das ist da eigentlich immer hilfreich. Aber wenn der Zweifel nagt, dann ist das leichteresagtalsgetan…

Na, wenn ich den Zoo nochmal erwähne, dann leg ich da gern auch noch ein Zoobild bei. Bei dem blauen Himmel darf man nicht Kausalität und Korrelation verwechseln! Ich hab das Bild hochgeladen, weil das Licht gut ist. Ausnahmsweise einmal. Und: Ich hab schon so lang keine Giraffen mehr gesehen, ist mir aufgefallen, sind die Schönbrunnernen schon in ihr neues Haus gezogen?

Anyway. Ich hab mir neue Schuhe gekauft und weil fünf Paar Schuhe zu viel sind – I guess das war auch irgendwo Teil der Überlegung als ich in Indonesien so lange gezögert habe, mir Flip-Flops zu kaufen bis ich dann keine gekauft habe – habe ich die Sportschuhe in Coburg gelassen. Das ist ein Euphemismus für Weggeschmissen. In Wirklichkeit haben die auch schon derart gerochen, dass es mir teilweise unangenehm war, sie in der Gegenwart von anderen auszuziehen. Und wenn man, siehe oben, in Hostels wohnt, dann wird viel vor anderen Leuten ausgezogen. Vor allem auch Schuhe. Und selbst Schuhe kaufen ist nett. Ich hab das auch mit der V. besprochen, die Leute sind ein bisschen bewanderter darin, das ganze Verkaufen nicht zu einer mühsamen Erfahrung zu machen, weil sie… nun. Ich weiß natürlich nicht wirklich, wie das ist. Sie sind einfach besser im miteinander reden, kommt mir vor und die Schuhverkäuferin ist mir so auch authentischer vorgekommen. Natürlich: vorgekommen. Ich hab da noch ein bisschen nachgedacht, weil sie, als ich mich dann entschieden hatte und es mit dem Zahlen ans Ende der Transaktion gegangen ist, gesagt hat, ja, auch ihr gefallen die olivgrünen besser als die schwarzen, gegen die ich mich zugunsten der olivgrünen entschieden hab. Und sagt sie das vielleicht einfach so, weil man das sagt, um die KäuferIn in dem Gefühl zu bestärken, sie habe da gerade eine gute Entscheidung getroffen? Weil oft kippt man ja schnell einmal in eine Post-Konsum-Depression, dass man schon wieder Geld ausgegeben hat und schon wieder ein Klumpert mehr hat. Und dann hilft das, ob authentisch oder freundlich ist in der Wirkung recht ähnlich.

Too many shoes on the dance floor!

Meine Sorge ist mehr, dass die olivgrünen Schuhe mit der beigen Hose und dem sandfarbenen Sakko um Aufmerksamkeit ringen, wer wohl den Ton am besten getroffen hätte, weil alle drei können nicht recht haben. Da hab ich auf jeden Fall eine Lektion gelernt, weil meine Garderobe nur beschränkt intern kompatibel ist: Da sind die Brauntöne, die ich nicht miteinander kombinieren kann und dann gibt s auf der anderen Seite die Jeans und den Pullover, die mich gemeinsam in Dunkelblau tunken. Was blöd ist, weil beides zusammen einfach mein wärmstes Outfit darstellt und ich bin schon wieder so weit im Süden, dass es hier so kühl ist, dass ich immer noch jedes Mal überrascht bin, wenn ich feststelle, welches Monat ist. Jetzt schau ich drauf, dass ich den Pullover mit der beigen Hose trage, dann tendiere ich aber zur weniger warmen Jacke… es ist alles nicht so einfach. Es ist etwas besser, wenn s warm ist. Das Grün meiner kurzen Hose schlagt sich nur mit zwei, drei T-Shirts aber da hab ich zum Glück eines meiner wenigen schwarzen Kleidungsstücke zur Alternative.

Wie dem auch sei, ich hab neue Schuhe und die sollen halbwegs wasserdicht sein, sie sind angenehm zu tragen, hübscher als die schwarzen und außerdem etwas leichter und weil sie insgesamt doch weniger stabil als die Laufschuhe sind, sind sie auch etwas besser einzupacken weil besser flachzudrücken, was ja auch kein Fehler ist. Eigentlich könnte ich fast auf die rauhledernen verzichten… aber dann wiederum hab ich im Südpazifikreiseführer einen Satz über französische Cafés gelesen, in denen ich auf Tahiti sitzen werde und dem regen Treiben im Hafen zuschauen werde. Dafür sind die rauhledernen vielleicht nicht schlecht.

Den Rucksack neu zu packen hat mir doch ein bisschen zu denken gegeben. Ich würde das wohl heute anders machen als vor einem halben Jahr. Da hab ich zumindest was gelernt. Gestern ist mir der Rucksack dann zunächst auch so leer vorgekommen, grad halb voll mit meinem Gewand und so… Am Weg zum Flughafen heute hab ich dann gemerkt, dass ich auch mein Handtuch in Coburg gelassen hab, was jetzt allerdings kein Euphemismus ist, sondern ein Unglück, das mich mental die Hände über dem Kopf zusammenschlagen lässt. Ausgerechnet das Handtuch vergisst er… Es ist so komisch, weil ich heute in der Früh noch die Zimmer kontrolliert habe, ob ich irgendwo was liegen gelassen habe: Strategisches Ausziehen, ein Zimmer nach dem anderen: Schlafzimmer – Check!, Badezimmer – Check!, Wohnzimmer – … mnja, bisschen komplizierter, weil ich da noch den Mist rausbringen muss. Aber als ich nach dem Badezimmercheck die Stufen ins Erdgeschoss runtergestiegen bin, hab ich mir echt gedacht, es ist so seltsam, dass ich das so mache, weil ich seh doch gar nicht richtig, was ich da anschaue, weil mir diese Zimmer so vertraut geworden sind, sie so von mir in Beschlag genommen worden sind, dass ich das gar nicht wirklich sehe, wie sie anders sein sollten, ohne mich. Oder was in der Art, ganz genau kann ich den Gedankengang jetzt nicht mehr rekonstruieren. Aber ich hab auf jeden Fall darauf reflektiert, dass ich hier die Zimmer checke und irgendwie muss ich auf irgendeiner Ebene festgestellt haben, dass ich das nicht ordentlich mache, weil ich da gerade mein hängendes Handtuch übersehe, während ich glaube, kontrolliert zu haben, nichts vergessen zu haben.

They didn’t even call the flight, did you hear them call the flight?“ Nicht nur, dass der Flug nicht ausgerufen wurde, das Gate war auch gesperrt, während wir geboarded sind. Haben. Eingestiegen sind.

Und jetzt bin ich sans Handtuch in Tassie. Auf der anderen Seite, abgesehen davon, dass das Handtuch liegen zu lassen für einen Reisenden schon ein schlechtes Omen ist, ich hatte auch schon seit einiger Zeit vor, mir ein anderes Handtuch zu kaufen. Weil es da diese leichten Handtücher gibt und während ich zwar oft einmal finde, dass ein Handtuch gar nicht so schwer ist, vor allem ein trockenes, sind diese leichten Handtücher doch deutlich, naja, leichter und insgesamt platzsparender. Und trocknen tun sie letztlich auch flotter. Als doch recht konservativer Adopteur von Innovation, hab ich halt einfach irgendwo ein normales Handtuch lieber als so eines aus irgendwelchen Weltraumfasern und halte sie deshalb ein bisschen für Unfug, eine Spielerei für überausgerüstete, ein Accessoire für Am-Puls-der-Zeit-Reisende, ein Gimmick.

Ausgerechnet das Handtuch.

Nevertheless. Ich werde jetzt einmal in den Outdoorshop gehen und mich nach einem Spaceagehandtuch umsehen.

Melbourne III: The Quiet Days

Ich bin jetzt schon wieder… Wahnsinn, die Zeit vergeht. Dabei ist alles ein bisschen auf Stillstand. Draußen ist s kalt und oft regnet s und stürmt s auch noch. Aber ich hab mich zumindest gesundheitlich erholt, mein Kopf ist schon wieder lange frei von Schleim und Rotz – das sind schon ziemliche Erfolge. Der dumpfe Kopf, die relative Taubheit gegenüber meinen Mitmenschen und das Gefühl, auch stets nur in der Lage zu sein, ihnen ebenso behäbig antworten zu können… Aber trotzdem bin ich nach wie vor nicht so richtig in Melbourne angekommen, im Gegenteil verkriech ich mich ein bisschen in der Gemütlichkeit des Eigenheims. Vielleicht hat mich die Krankheit geprägt, als ich mich nur zwischen Bett und Couch bewegt hab. Oder es handelt sich um Faulheit, mit der ich der einstündigen Odyssee eher vermeide, auf die ich mich machen muss, um in die Stadt zu kommen. Und nachdem ich daheim ein flottes Internet hab und mehr noch die Möglichkeit, The Wire endlich einmal nachzuholen, dann ist es verführerisch, mich weiterhin mit meinem Tee auf der Couch einzuwickeln. Immerhin bin ich von meinem Ingweraufguss wieder zu proper tea gewechselt. Und Milch steht im Zwei-Liter-Kanister im Kühlschrank, also auch hier quasi im Idealzustand eingependelt.

Im Übrigen hab ich mir noch am ersten Tag einen Sauerteig angerichtet, also ein Mehl mit einem Wasser an die Luft gestellt. Und jetzt mach ich schon mein eigenes Brot damit. Ich hab das immer ein bisschen belächelt, wenn mir FreundInnen, die sich für längere Zeit im Ausland eingerichtet haben, des fehlenden Brotes wegen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und metertief in die Geldtasche greifen, um einmal was anständig gebacken zu bekommen. Das erschien mir stets als einfaches Problem, also es erschien mir eine einfache Lösung für ein mitteltragisches Problem zu geben. Jetzt, zugegeben, zwei der drei Zutaten, die ein Brot braucht – Mehl, Wasser, Salz –hab ich in meinem Supermarkt mit den zehntausenden Produkten nicht ohne weiteres bekommen. Also Weizen- statt Roggenmehl gefunden und die Hausbrotgewürzmischung hab ich auch mit einer Handvoll Fenchelsamen und einem Löffel Selleriesalz ersetzt. Beim ersten Versuch hab ich ein bisschen zu tief in den Kümmel gegriffen, auf den hab ich in den Folgeversuchen erst einmal verzichtet. Allerdings es ist von der Konsistenz und vom Rhythmus und so insgesamt ganz gut gelungen, nein, zähle ich durchaus als Erfolg. Jetzt hab ich schon an Kimchi und Gingerbeer gedacht, weil es sind ja noch einige Wochen, da geht sich schon was aus, mit der Gärung…

Schaut hübsch aus, die Nummer eins. Ist mir leider verkümmelt.

Aber ja, das sind meine ersten Go-tos, wenn ich das Gefühl habe, irgendwo einmal etwas mehr daheim zu sein, einige Zeit zu verbringen. Da hol ich mir sofort die Hefekulturen ins Haus.

Sonst ist auch nicht so viel. Ich geh mal im Park spazieren und schau den hübschen Enten (Anas superciliosa) am Merri Creek zu, wie sie die nachmittäglichen Sonnenstrahlen genießen. Ich fahr doch mal ins CBD, in den Zentralen Business Bezirk, und geh dort zum Chinesen auf ein gekochtes Huhn oder auf eine kleine Stadtpromenade mit Schaufensterbummel. Aber auch wenn dort die Action ist und sich die Leute vor den Zebrastreifen stauen, so aufregend ist das dort in Wahrheit auch nicht. Sonst geh ich im coolen Eck der Stadt mal mit V. und der Partie was trinken, letztes Wochenende dann sogar auf ein Konzert, wo erst Gordon Koang auf einer Art Banjo semi-traditionelles aus dem Süd-Sudan gespielt hat, gefolgt von Sweet Whirl, die über eine Smiths-ige Gitarre ihre Lyrik gesungen hat. Und manchmal erwisch ich am Nachmittag immer noch eine Folge Star Trek.

Interessant find ich im Fernsehen übrigens auch die Werbung… so viel Werbung im Fernsehen, es ist unglaublich. Total viel Werbung für Autos und unerwartet viel Werbung für Lebensversicherungen. Was auch spannend ist, weil ist ja ein bisschen ein sensibles Thema. Um ehrlich zu sein, ich bin mir nicht ganz sicher, ob das nicht vielleicht immer die gleiche Firma ist, die da ihre Versicherung anbietet. Und Hotelvergleichsportale. Das ist so, wofür ich alle zehn Minuten meinen Jean-Luc unterbrochen bekomme. Und weil ich merke, dass ich mir in den letzten Wochen dazu doch eine Handvoll zu viele Gedanken gemacht hab, hier meine Lieblingswerbungen:

Auf dem dritten Platz ist eine Werbung für Suzuki. Es scheint wichtig, jetzt before the end of financial year ein neues Auto zu kaufen, damit werden andauernd Autos beworben. Es ist anzunehmen, dass man das dann von der Steuer absetzen kann oder was in der Art. Ich bin auch schon gespannt, ob sich das mit Ende Juni dann schlagartig ändern oder einfach durch einen anderen Grund ersetzt werden wird. Ich hab jetzt aber wirklich lange nach ihr gesucht und das Video nicht gefunden. Es gibt eine Reihe andere Werbungen, dass ich mir die Frage stell, ob sie die eine absichtlich zurückhalten. Immerhin hab ich jetzt einige Suzukiwerbungen gesehen. Und ich finde die insgesamt nicht uncharmant.

Zweitplatziert hab ich einen Spot, der für Hilfe-beim-Renovieren-der-Küche-Annehmen wirbt. Der ist einfach und prägnant und ich mag den Slogan am Ende irgendwie. Ich mag auch die unaufgeregte Interaktion zwischen Frau und Mann, und ich mag, dass er nach nicht einmal zwanzig Sekunden auch schon wieder vorbei ist.

Aber die Nummer eins ist eine Werbung für so ein Konzept, wo man quasi ein Abonnement auf Essen abschließt, das mit Rezept und alles geliefert wird, damit man jeden Tag was anderes kochen kann und immer die Zutaten für alle diese Innovationen bei der Hand hat. Und einerseits hab ich einfach eeeewig gebraucht, bis ich Spag Bol verstanden habe, bis ich gemerkt habe, dass das eine Abkürzung ist. Und dann bin ich natürlich stolz, was verstanden zu haben. Aber ich liebe einfach die Frau und das Kind und ihr erschöpftes ugh!, insbesondere in der beschleunigten Montage. Ich mein, nein, ich find das ein furchtbares Konzept, dass sich die Leute ihren Einkauf mit der Post kommen lassen und ich frag mich wie lange das im Schnitt anhält, dass man sich wirklich dauernd an die Rezepte macht. Wie lange das dauert bis so ein Fitnesszentrumseffekt einsetzt und das ganze inoffiziell einfach verwässert, während das Abonnement noch bestehen bleibt.

Hier noch ein Foto vom nahen Merri Creek, an dem s hübsch eine Runde zu gehen ist. Ich hab hier eine Zeit lang mit den Einstellungen experimentiert, um gegen die Sonne zu fotografieren.

Letztlich ist immer was zu tun, grad so, dass ich nicht wirklich dazu komm, mir zu überlegen, wie ich weitermachen will im Leben. Was eine eventuelle Rückkehr nach Wien, nach Europa für mich bedeuten kann, was ich gerne machen will, was ich mir wünsch und was ich mir vorstellen kann. Nicht, dass das jetzt gleich ins Haus stehen würde. Was ich so höre, ist es wettermäßig dort auch nicht der Renner gerade, was dem einen der Winter ist den anderen die frühsommerliche Hitzewelle. Aber ein bisschen war schon immer gedacht, dass ich in der Fremde auch zum Nachdenken komme. Alles nicht so einfach, denn zum Grübeln komm ich auch am anderen Ende der Welt, merke ich. Oder ist es sogar mehr ein Brüten, weil „[f]ür echtes Grübeln ist es […] typisch, daß es gar nichts Konkretes gibt, über das man grübelt“ (Komm, süßer Tod). Hingegen schaut es ja so aus, „[d]aß du über alles gleichzeitig nachbrüten kannst. […] Weil beim Brüten kannst du es dir ja nicht aussuchen, über was du brütest. Das ist anders als zum Beispiel beim Denken, wo du es dir ein bißchen aussuchen kannst“ (Silentium!). Insofern brüte ich vielleicht ein bisschen über die Problemstellungen, aber komm bei Lösungsansätzen mehr ins Grübeln.

Krankenstand

Hat s mich gleich erwischt. Es ist nämlich ziemlich herbstlich geworden in Melbourne seit ich das letzte Mal hier gewesen bin. Als ich ankomm nieselt es vor sich hin, die MelbournerInnen tragen Mützen und Handschuhe. Da lach ich noch drüber.

Insgesamt lauft alles super. Also, naja. Aufgefallen ist mir schon gleich einmal, dass die ersten zwei Leute, mit denen ich geredet hab, mich gleich einmal nicht verstanden haben: die eine am Zoll und die nächste im Café. Ich mein, nicht, dass ich mich gar nicht hätte verständigen können, aber vielleicht hat meine Art, fröhlich vor mich hinzureden, die ich mir in Indonesien angewöhnt hab, weil ich mich dort ja gar nicht erst besonders auf die verbale Ebene verlassen hab, vielleicht ist das mit den Native Speakern weniger erfolgversprechend. Das war ein bisschen irritierend und hat mir von meinem Elan genommen, aber ich mein, ich hab s trotzdem geschafft, Kaffee zu bestellen. Nur geschmeckt hat er nicht. Und den Zoll beherrsche ich mittlerweile, quasi Westentasche. Pflanzenteile: sicher, ich trage ja Tee hin und her. Und ich geb immer noch brav meine dreckigen Schuhe an, weil so ganz gehen Urwaldschlamm und Vulkandreck auch nicht raus. Aber sind sie relativ sauber, fragt sie mich? Ja, sag ich, relativ sauber. Da, gradeaus, ab zum Ausgang.

Ich mein, der mittlere Abfall zwischen April und Mai ist wirklich nicht enorm, selbst zwischen April und Juni sind s keine zehn Grad.

Dann hab ich die J. quasi abgeklatscht bei ihr zuhause, schnell noch gemeinsam zu den Mistküblen, damit ich die auch finde, muss ich mal meinen Mist wegbringen, und dann eigentlich schon verabschiedet und hier sind die Schlüssel, viel Spaß, guten Flug, viel Vergnügen. Jetzt ist mir schon langsam die Kälte in die Knochen gekrochen und das wäre gar nicht so schlimm gewesen, weil ich mich bald mit Tee und Decken auf der Couch eingerichtet hab. Aber ich hab gemerkt dass nach einem Monat in Indonesien, inklusive Street Food und was nicht alles, nach einem Monat Indonesien ist es das Essen von der Mailayischen Fluglinie, dass mir die Flora zusammenhaut. Es ist ja so, dass man das schon merkt, ab und zu, beim Essen. So ein: hm, das bekommt mir vielleicht jetzt gar nicht so gut. Es schmeckt einfach weniger, als es schmecken könnte – nay: schmecken sollte.

Am nächsten Morgen war s dann fix, dass ich, körperlich angeschlagen durch die Neudekoration meiner Darmwände, mir in den herrschenden Temperaturen eine Verkühlung eingefangen hatte. Na und was man so tut, hab ich mir das erst einmal versucht mit Tee auszukurieren. Zwei Tage später sagt mir die Apothekerin in der Apotheke, dass sie mir da ein paar Antibiotika geben würde, das klinge gar nicht besonders gut, was ich ihr da zu erzählen hätte. Sie entlässt mich aber auch vorerst mit einem Spray für den Hals. Das sei das stärkste, was sie so habe. Und kein Wunder eigentlich, stelle ich später im Supermarkt fest, weil literally alles, was sie so hat, hat s dort auch, zwischen Erdäpfeln, Zitronen und Frühstücksflocken. Der Höhepunkt des Erstaunens ist für mich aber, dass Sellerie fünf Dollar pro Stück kostet und sich dabei auch noch anfühlt wie schon zwei Wochen im Kühlschrank rumgekugelt. Mach ich mir meine Suppen halt ohne.

So hab ich jetzt eine Woche mit Tee, Suppe und Thermophor verbracht und bin, wie halt normal, quasi ausgeheilt. Ich hust noch und mein Taschentuchbedarf ist wohl auch noch nicht ganz über den Zenit, aber ja, was man halt als gesund empfindet, wenn man sich schon ein paar Tage gefragt hat, ob das jemals wieder wird.

Symbolfoto. Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich J.s Wärmflasche gefunden hab, bis dahin hatte ich dann schon eine eigene. Ich bin noch auf der Suche nach den Geschirrtüchern.

Zuerst hab ich mir schon gedacht, wie praktisch, dass ich mich wenigstens ganz für mich hab und zurückziehen kann. Dass ich Couch und Fernseher hab und um zwei kommt eine Folge Sliders und um vier spielt s Star Trek TNG und dann noch eine Folge Voyager. Abgesehen von den vielen guten Filmen und Serien, die J. auf DVD rumstehen hat. Also ja, paradiesisch für eine Woche krank sein. Auf der anderen Seite merke ich, dass ich von der sozialen Isolation schon auch gleich wieder angeschlagen bin und insgesamt fühlt es sich ein bisschen nach Zuviel-des-Guten an. Und den Enthusiasmus, in dem ich noch aus Jakarta aufgebrochen bin, ist in einer Woche Krankenstand ein bisschen verkümmert.

Aber ja, es geht. Ich lese immer noch Harry Potter, da hab ich mir ganz schön was angetan mit dem Vorsatz. Weil ich finde auch, dass die gar nicht so gut sind. Vielleicht… also, nein, mit Sicherheit gehe ich falsch an die Bücher heran. Weil es sind Kinderbücher und sie stehen in einer netten britischen Tradition, ich sag jetzt mal Roal Dahl, wo alles in einer überzeichneten Welt passiert, eine Welt, wie sie vielleicht aus einer kindlichen Perspektive sein könnte, wo die Bösen böse sind und die Guten, naja, zumindest besser. Eine Welt in der Erwachsene oft boshaft und gemein zu Kindern sind und wo insgesamt keine großen Überlegungen über die großen Strukturen angestellt werden. Zumindest hat das so angefangen, jetzt hat sich die J. K. Rowling für die späteren Bücher mehr und für die Ergänzungen seit der Harry Potter Serie noch mehr angetan, um hier eine weltweite Welt zu entwerfen. Auch sind die Filme in einem überaus realistischen Stil verfilmt und überhaupt ist dem Ganzen der hyperbolische Anstrich der ersten Bände weitgehend genommen. Aber für eine realistische Welt klingt das alles furchtbar, wie sich die Damen und Herren Hexen und Zauberer sich ihre Wide-wide-wie-Welt gestalten: Kapitalismus und Nationalstaat, aber weder Bürokratie noch Rechtsstaat funktionieren ansatzweise. Und über so was ärger mich mich dann beim Lesen. Aber zugegebenerweise bin ich erst im vierten Band und ich hab vieles vergessen und je später (und dicker) die Bände sind, desto mehr hab ich damals scheinbar gar nicht so viel mitgenommen.

Einen kurzen Ausflug ins Internet später hab ich auch schon einen Stapel Papers, die ich mir zur ergänzenden Lektüre erst einmal abgelegt hab… In dem angeführten Band gibt s zum Beispiel „From Sexist to (sort-of) Feminist: Representations of Gender in the Harry Potter Series“. Das „to“ klingt ein bisschen danach, dass ich mir bis zum siebten Band nicht durchgehend die Haare raufen werde müssen?

Sonst back ich ein Brot, wenn s wahr ist. Das dauert halt ein bisschen. Aber was ich nicht mach, sind mir Gedanken. Weder nach vorne noch nach hinten. Ich schlaf jetzt einfach mal meine Verkühlung aus und irgendwie fühlt sich das unangenehm widerständig an, so gar nichts zu tun. Ein bisschen hat mich diese westliche Welt und Logik schon wieder eingefangen, noch bevor ich so wirklich über die Unterschiede zum Nachdenken gekommen bin, die mir den Alltag in Indonesien manchmal leichter gemacht haben. Aber zum Nachdenken hab ich derweil noch zu viel Rotz im Kopf.

Melbourne Comedy Festival II: Exfreundinnen und Agenten

Beim James Acaster waren sicher tausend Leute. Im Internet steht, dass die Veranstaltungshalle bis zu über zweitausend Leuten Platz bietet, je nach Bestuhlung. Das ist schon viel. Dass man von der Comedy reich werden kann hätte sie sich nicht gedacht, sagt die V. in meiner Begleitung. Wird der James auch nicht, glaub ich. Der spielt fünf mal vor den zweitausend Leuten in Melbourne und dann geht er wieder zurück und macht seine Runden in Großbritannien. Und auch für Mock the Week kriegt man keine Millionen.

Aber gut war er, das Programm für mich ein bisschen überraschend, weil erstens flucht er jetzt, wie der Eröffnungsgag zeigt, zweitens bekommen wir nicht die elaborierten Wortspielereien und die Metaebene von Bringing-an-Apple-to-an-Orchyard Routine sondern ziemlich privates, ziemlich schmerzhaftes, ziemlich persönliches über vergangene Beziehungen, einen unsensiblen Agenten und eine irritierende Psychotherapeutin. Er kriegt das ganz gut hin, find ich, das distanziert zu erzählen und nicht in die Falle des beleidigten Mannes, der sich darüber aufregt, dass die Welt nicht so läuft, wie er sich das vorstellt, tappt. Das war schon ganz ok. Und letztlich auch ein gutes Anschauungsbeispiel um V. darzustellen, was ich an der britischen Comedy so schätze bzw. warum das ein bisschen ein Sehnsuchtsort für mich ist: Weil ich dort so viele Leute sehe, die es schaffen, ihre psychischen Probleme auszudrücken, darzustellen und in gewisser Weise zu überwinden. Zumindest so weit, dass sie darüber öffentlich sprechen können. Und das ist ja immer schon was: Sich öffentlich hinzustellen und eine Wahrheit zu sagen, eine Empfindung auszudrücken, einen Standpunkt einzunehmen und sich definieren, als diese bisschen verbogene Person, als die man sich vielleicht wahrnimmt. Und zusätzlich noch ein Geschäft zu machen.

Da war die Fern Brady nicht viel anders, für die ich mir am letzten Tag des Festivals noch schnell eine Karte gekauft hab. Damit hab ich zwar nur europäische Comedians gesehen, aber ich war zumindest noch ein bei einer Frau. Von den Männer hat übrigens jeder einzelne zumindest eine Bemerkung über ihr jeweiliges privilege gemacht, über den Fakt, dass sie hier als weiße, middle-classed Männer auftreten. Und Melbourne ist da sehr sensibel, sie haben bspw. den Barry Humphrey Preis für das beste Programm umbenannt, nachdem der namengebende Barry, der seinerzeit die Gründung des Comedy Festivals maßgeblich unterstützt hat, seine Meinung zu Transgender ausgedrückt hat, die das Comedy Festival, bei dem gerade Cassie Workman, eine Transgenderperson, für den eben den Preis nominiert wurde, nicht unterstützen wollte.

Bei Fern Brady waren knapp hundertfünfzig Leute, aber es war ausverkauft. Es war auch das Programm, das am ehesten Stand-Up war. Weil sie stand halt da vorne und das Publikum saß vor ihr es war übersichtlich genug, dass sie immer wieder auf Reaktionen aus dem Publikum reagiert hat. Das Publikum direkt ansprechen, das hat sie sich auch nicht gegeben, aber das hat sie auch dazugesagt, dass sie sich das nicht geben will. Weil auch die Fern stellt sich vorne hin und sagt, dass sie Ängste und Unsicherheiten hat und mit Menschen in der Regel überfordert ist. Aber dann sagt sie auch, dass sie es satt hat, die britische Höflichkeit und die katholische Gesprächsverweigerung ihrer Familie. Daraus ergeben sich natürlich diverse Kapriolen. Und dann redet sie viel über ihre Sexualität und das find ich schwierig, find ich als Comedy schwierig. Oft ist das dann billiger Tabubruchhumor und nicht so aufregend. Ganz so schlimm war das jetzt auch gar nicht, insgesamt hat sie auch dabei eine gute Interaktion mit dem Publikum gehabt. Man hat gemerkt, dass sie aufgeregt und auch einfach schon müde war, vom Festival oder was auch immer. Sie hat zum Beispiel das Telefon liegen gehabt, auf dem sie presumably die verstrichene Zeit gecheckt hat. Und manchmal hat sie sich ein bisschen verirrt in ihren Routinen. Und sie hatte da „weniger Professionalität“, wenn man so will, als die anderen, die ich gesehen hab. So hat sie das alles ins Programm eingebaut und das hat dem ganzen eine gute Lebendigkeit gegeben.

Symbolfoto, weil von 2014. Aber vor der Town Hall ist eine Tafel, auf der jeden Abend in zwei solchen Spalten alle der an dem Tag stattfindenden Programme aufgelistet sind. Für den Überblick, wie viel hier tatsächlich los ist.

Der James Acaster hat übrigens den Preis für s beste Programm gewonnen. Und das find ich ok, auch aus meiner eigenen Auswahl. Ich hab den David O’Doherty zwar jetzt mindestens so gut gefunden wie den James, aber das Programm selbst war vom James Acaster wahrscheinlich das bessere. Es war stringenter und es war interessanter von der Balance aus Privatem und Öffentlichem. Ist das, frag ich mich natürlich, soll das ausschlaggebend sein in der Bewertung eines Comedyprogramms? Er hat auch Brexit nicht erwähnt, zumindest nicht wortwörtlich. Den David fand ich sympathischer von den beiden und seine Routinen, nicht zuletzt die Songs, liebevoller. Insgesamt hab ich s aber auf jeden Fall aufregend gefunden, wie viel los ist in Melbourne um das Festival herum und wie viele Leute sich dafür interessieren. Beneidenswert. Da werde ich s jetzt doch einmal auch nach Edinburgh müssen… Natürlich bedauer ich, keine AustralierInnen gesehen zu haben. Und überhaupt, nur die letzten vier Tage erlebt zu haben. Aber natürlich überwiegt die Freude, gesehen zu haben, was ich gesehen hab. Es ist ja normalerweise mehr eine virtuelle Begeisterung, wenn ich die Leute im Fernsehen und im Radio bekomme, da ist es schon eine besondere Freude die ich hier entwickeln kann. Wie gesagt, bisschen Sehnsuchtsort.

Melbourne Comedy Festival I: The Dangers of Stand-up Comedy

In Melbourne macht man gerade Comedy Festival. Also, man macht Comedy Festival seit Mitte April, aber jetzt bin ich erst wieder da und hab die Zeit das Comedy Festival zu besuchen. Ich hab mir vor einem Monat am Weg nach Neuseeland Karten für zwei Veranstaltungen gekauft: Den James Acaster und den Phill Jupitus. Der James Acaster ist einfach sehr witzig, da kann man nichts sagen, da braucht s eigentlich keine weitere Erklärung.

Und der Phill Jupitus, naja, ich hatte da ein paar verschiedene Comedians in der engeren Auswahl und irgendwie mag ich den. Im Fernsehen find ich ihn ganz sympathisch und sein Instagram lässt darauf schließen, dass er viel Zeit in Dundee und Umgebung verbringt und das find ich auch gut. Beim Acaster bin ich morgen, gestern war ich beim Jupitus.

So hat das Programm angefangen, Jupitus in Hut und Sakko, den Rücken zum Saal, während das Publikum langsam die Plätze eingenommen hat.

Leider fand ich den Phill Jupitus dann gar nicht besonders besonders. Viel von seinem Programm war einfach er am Blödeln. Das heißt: er hat Witze über s Essen gemacht und darüber, dass er gerne isst (weil er ist dick und dann ist das lustig) und er hat viel einfach geschrien. Das kann er, er kann ganz gut laut sein, das will ich ihm gar nicht nehmen. Und er hat ganz gut Stimmen gemacht in seinen Anekdoten. Aber insgesamt war das Programm mager, die Geschichten, die den Faden durch das Programm gezogen haben, waren halt einfach zwei Erlebnisse aus der jüngeren Vergangenheit, um die herum er seine Erzählungen gesponnen hat. Und ich hab ihn ein bisschen vor mir gesehen, wie er im Flugzeug sitzt, zwanzig Stunden Flug vor sich und sein Programm zusammenstellt. Der ist ja ein alter Hase, für den ist das kein Problem. Aber für mich halt ein bisschen eine Enttäuschung.

Ich war dann heute beim David O’Doherty, spontan gestern beim Nachhausekommen noch eingekauft, weil den hatte ich auch in jener engeren Auswahl. Und da kann man schon sehen, wie sich einer Mühe gegeben hat, ich würde jetzt auch sagen: ist kein neues Programm, aber muss ja nicht sein. Es war auf jeden Fall ausgewogener, und man hat gemerkt, dass da Gedanken drin sind, Beobachtungen und Überlegungen, wahrscheinlich schon mehr mit Publikum abgetestet und insgesamt weniger shouty. Und natürlich macht der Musik auch, da kann man auch nicht einfach nur hin- und herimprovisieren. Hat mir gut gefallen. Das dürfte insgesamt absehbar gewesen sein, weil da waren heute mindestens fünfhundert Leute. Beim Jupitus gestern vielleicht die Hälfte, wenn überhaupt. Und beide machen drei Abende. Und keiner der beiden hat auf eine Brexit Routine verzichtet. Interessant, weil der DO’D natürlich eine andere Perspektive hat und nicht „nur“ genervt darüber ist, dass seit zwei Jahren kein anderes Thema in der Politik vorkommt sondern das etwas ist, was the fragile peace in my country gefährdet.

Ich find auch immer schön, wenn jemand von den Inseln in Euro rechnet. (Wobei ich gelernt hab, dass die IrInnen ungern in einen gemeinsamen Topf geworfen werden mit den GroßbritannierInnen.) In seinem Programm hat der DO’D dann vierhundert Euro auf zwölfhundert Dollar umgerechnet, was einfach falsch ist, aber nachdem s nicht wirklich ein Witz war, könnte ich nicht sagen, ob ich der einzige war, der sich darüber gewundert hat.

Am Weg ins Theater bin ich übrigens dem Joe Lycett auf der Straße begegnet. „Begegnet“. Ich bin ihm ein Stück auf der Straße hinterhergelaufen.

Und, ergänzend, möchte ich hinzufügen, dass ich am Abend vorher, auf dem Weg zum Phill, möglicherweise die DeAnne Smith gesehen hab. Aber wiederum nur von hinten und in dem Fall literally bloß eine blonde Frau in Jeansjacke, die die Schläfen hochrasiert hatte. Aber wenn, hätte ich mich auf jeden Fall gefreut.

Departure

Jetzt sitz ich wieder am Flughafen in Christchurch. Da ist einiges an Zeit vergangen, seit ich hier das letzte Mal ein bisschen abwartend gesessen bin. Da war es fünf in der Früh, jetzt ist es fünf am Abend und ich hab noch vier Stunden. Aber ich hab eine clevere Abkürzung genommen und war dann ein bisschen zu faul, nochmal in die Stadt zu fahren. Hier hab ich Strom und Netzwerk und bin gar nicht so schlecht daran, die Fehlerchen auszubeulen, die sich in den letzten Wochen in meinem Computer manifestiert haben.

Hier stellen sich die an, die auf die Fähre wollen, mit der ich eben in Picton angekommen bin und die sich wieder auf den Weg zurück nach Wellington macht.

Es ist interessant, wie Neuseeland jetzt ein Urlaub in meinem Urlaub war. Oder vielleicht mehr: Eine Reise im Rahmen meiner Reise. Immerhin: nach Melbourne komme ich „zurück“ und ich sehe einigen entspannten Tagen entgegen. Letztlich ist in Neuseeland jetzt auch schon ein bisschen viel Herbst angekommen und ich hab den einen Pullover, den ich mit hab, schon ein bisschen als Standardausrüstung angehabt. Da erwarte ich mir von Australien doch noch ein bisschen Wärme und Sonnenschein für die kommende Woche.

Ich hab in der letzten Woche nicht nur mehr Orte besucht, als ich bisher in dem Zeitrahmen geschafft habe, ich habe auch einen ganzen Haufen Fotos gemacht, die durchzuarbeiten ein bisschen abschreckend ist. Es ist zumindest Arbeit. Und dann natürlich werden neue Pläne geschmiedet über die weiteren Abenteuer des kleinen Teehäferls da draußen in der Welt.

Nordinsel

Jetzt hat es dann doch wieder zu regnen angefangen. Aber glücklicherweise bin ich den Großteil des gestrigen Tages im Bus gesessen und bin dort zum ersten Mal seit einigen Tagen, so scheint es mir, wieder zum Sitzen und Nichtstun gekommen. Die vergangene Woche auf der Nordinsel hat mich doch ziemlich auf Trab gehalten. Im besten Sinn, würde ich sagen. Zuerst war ich eben ein paar Tage auf Waiheke, eine Wochenenddestination für AucklanderInnen: Wälder, Weinberge und weite Strände in vielleicht vierzig Minuten mit der Fähre zu erreichbar. Dort war ich einige Tage in einem sympathischen Hostel zwischen FranzösInnen, ArgentinierInnen und zwei Italienern, die sich viel ums Essen gekümmert haben. Ein bisschen wollte ich dort gar nicht mehr weg, das gebe ich gerne zu. Es herrschte eine sehr umgängliche Stimmung, entspannt, gelassen, persönlich. Man lädt sich ein, man umarmt einander, irgendwer macht irgendwo eine Musik. Ich bin kaum in der Lage, die Situation zu schildern, würde man mir mein Interesse mit meinen eigenen Worten wecken wollen, ich würde mich winden, um meiner Abneigung den notwendigen Ausdruck zu verleihen. Aber es war nett, es hat s gut getroffen und ich hab es genießen können, so gut ich halt genießen kann. Denn sind wir uns ehrlich: Wenn mir das so einfach wäre, mit dem Genießen, ich müsste vielleicht gar nicht hinaus in die Welt fahren. Und es war auch wichtig, dass A. dort war, die Schweizer Psychotherapeutin, mit der ich zwischendurch ein bisschen auf eine Metaebene gestiegen bin, angesichts der Hütte voll Savoir Vivre. Allem seine Zeit, und auch wieder loszulassen war nicht das schlechteste.

Inselidylle

Und ich hab gelernt, dass wenn man sich Pariserinnen mitunter als Pariserinnen vorstellen und nicht schlichterweise als Französinnen. Und ich merke, ja, da reagiere ich anders drauf. Nicht viel anders, weil ich merke auch, meine Frankophilie steht ein wenig im Wildwuchs.

Am Sonntag der Zeitumstellung bin ich dann später als gedacht aber durchaus rechtzeitig zur Fähre gewandert und bin in der Half Moon Bay von K. abgeholt worden. Als ich in meiner ersten Half Moon Bay gestanden bin, hab ich mir noch gedacht, was für ein poetischer Name für diese Bucht. Aber es ist ein relativ generischer Name für eine Bucht. Letztlich ist jede Bucht ein bisschen ein Halbmond, are they not? Vielleicht ist das auch einfach das, dass ich als Binnenbub aufgewachsen bin und deshalb jede Bucht noch ein bisschen etwas besonderes ist und ein Allerweltsname kränkt meine vor Wunder strahlenden Augen.

K. hat mich abgeholt und dann sind wir vier Tage lang mit dem Auto einer Freundin, die ob eben geborenem Kind ihren Sportflitzer eh nicht fahren kann, auf der Nordinsel rumgedüst – Abenteuer galore! Weil mit dem Auto ist man schon anders unterwegs als mit dem Bus. Allerdings haben wir auch festgestellt, dass ich mit dem Auto anders unterwegs bin, als es für die Felgen gut ist und nach einer halben Stunde war klar, auch wenn sie auch gerne bisschen BeifahrerInnensitz gemacht hätte, das ist nicht die entspannendere Position für sie.

„Monty“, aber wir haben den Namen nie verwendet.

Ich lass das jetzt aber mal aus, weil wir waren so viel unterwegs und ich hab die Namen oft erst behalten, nachdem wir schon wieder in der nächsten Stadt waren. Wir sind im geothermalen Wasser gesessen, haben Pasta gekocht, sind auf den Berg gegangen und in einander Begleitung haben wir uns sogar in eine cultural performance in einer Māorisiedlung gesetzt. Und das war letztlich gar nicht einmal so schlecht und vor allem gar nicht einmal so unangenehm, wie man – wie ich – das mit Sicherheit angenommen hätte.

Tee für vier Dollar ist an der Grenze zur Unverschämtheit, aber dann echten Tee, das ganze Ornament und mehr Untertassen than you can shake a stick at, das ist dann schon wieder ok.

Gestern haben wir uns verabschiedet, K. ist zurück nach Auckland und heute in der Bay of Islands, wo s sehr schön sein soll. Ich bin in den Süden gefahren und bin gestern Abend im verregneten Wellington angekommen. Nach einem kleinen Spaziergang (d.h. vom Bus zur Herberge) durch die nasse Dunkelheit bin ich in meinem angenehm unkomplizierten Hostel angekommen und bin dann gar nicht mehr von meinem Bett aufgestanden. Den heutigen Vormittag habe ich damit verbracht, meine Sachen und dann auch meine Wandersocken zu waschen. Neuseeland neigt sich für mich. Mit etwas Glück seh ich übermorgen noch einen Wal und dann sitz ich schon wieder im Flugzeug nach Melbourne. Das fühlt sich ein bisschen an, als würde ich nachhause fahren, auf jeden Fall zurück in vertrautere Umgebung. Ich glaube, es ist einfach, dass ich nicht viel mehr Plan habe, als zwei, drei Abende im Melbourne Comedy Festival, aber nicht weiter als April…

The one where he talks about birds – again

Ich glaub, Neuseeland ist eine zweite Vogelfolge wert. Immerhin waren Vögel ja die dominante Lebensform, bevor die ersten Menschen ihre Fußstapfen in den Sand getreten haben. Und erst die Europäischen EinwandererInnen (Pākehā) haben ihre Säugetiere mitgebracht: Den einen haben sie die einheimische Flora großflächig umgestaltet, nämlich Schafen und Kühen – für die ganze Landschaften mit europäischen Gräsern bepflanzt wurden –, die anderen haben von sich aus die vorhandene Fauna aufgemischt. Letzteres in erster Linie Ratten, Mäuse, Katzen, Hunde, Opossums, Frettchen und Marder. Und weil die neuseeländischen Vögel zum Teil nicht einmal ihre Nester in den Bäumen gebaut haben, haben sich eingeschleppten Allesfresserchen und die ihnen nachgeschleppten Jäger über das Federvieh hergemacht, dass es buchstäblich die Hälfte auch getan hätte.

Es gibt dieses hübsche Poster neuseeländischer Vögel. Besonders witzig ist, dass in der Legende auch die Größenverhältnisse angegeben sind.

Und weil der Mensch lernt oder zumindest angesichts der ausgerotteten Tier- und Pflanzenarten eine gewisse Reue an den Tag legt, versucht man heute, Reservate zu schaffen, zu denen die Vögeltöter keinen Zugang haben. Das Paradebeispiel ist die Geschichte von „Old Blue“, die Anfang der Achtziger das letzte Weibchen einer kleinen Vogelart (Petroica traversi) auf Chatham Island war und die, dank enormer Bemühungen, zur Stammmutter von heute etwa zweihunderfünfzig Chatham-Schnäppern wurde. Das gelingt weil Neuseeland ja viele Inseln ist, die mehr oder weniger gut kontrollierbar sind und da macht man ein Reservat quasi nach dem anderen und schafft den Vögeln dort Lebensraum. Und sie ist man in Neuseeland auch durchaus stolz auf die lokale Vogelwelt, die ja doch in vieler Hinsicht was besonderes, was eigenes und was herausragendes ist. Quasi: die Beuteltiere Neuseelands. Und man kann dementsprechend kaum irgendwo um die Ecke gehen, ohne irgendwo schemenhaften Kiwiabbildungen gegenüberzutreten.

Einer der imposantesten und sicherlich für die frühe Besiedelung durch die Māori nicht unwesentlichen Vögel, ist der Moa (Dinornis). Zur (unmerklichen) Schonung des gesamteuropäischen Karmas, waren sie leider schon ausgestorben, bevor Abel Tasman hier sechzehnzweiundvierzig seinen europäischen Fuß an Land gesetzt hat. Ach, hätten wir doch bloß heute noch eine Handvoll Moas bei der Hand, würde die ganze Diskussion über die Lächerlichkeit gefiederte Dinosaurier nur ein halbes Gespräch und einen deutlichen Fingerzeig dauern. Ein drei Meter großer Vogel mit Horrorklauen sollte jedeR SkeptikerIn zumindest das lächerliche Argument des „gefiederten Huhns“ entkräften.

Die feinen Illustrationen urzeitlicher Tiere Heinrich Harders.

Im Museum von Christchurch lerne ich, dass man Moas heute in sechs bis neun Arten unterscheidet, die aber allesamt vor vierhundertfünfzig Jahren ihre jeweils letzten Eier gelegt haben. Interessant ist außerdem, dass wie so oft Unklarheit über die Verwandtschaftsverhältnisse besteht. Ich höre immer wieder, dass die nahen Verwandten der Moas die Kiwis und der Strauß sind. Und ich stelle mich und meine Behauptungen einmal mehr auf die wackeligen Beine, eines welchen, der sich in seinen Quelle auf Wikipedia beschränkt: Die nächsten Verwandten der Moas, so sagt man heute, wohnen in Mexiko und nennen sich Steißhühner (Tinamiformes). Das Lesen des Artikels macht sich vor allem für jene bezahlt, die gerne ihr Wissen über ausstülpbare Vogelpenisse erweitern möchten. Hingegen sind Kiwis, Emus, Kasuare und gar der Vogel Strauß, eher Cousinen als genetische Geschwister der Moas.

Die ersten Tage in Neuseeland bekomme ich außer den allgegenwärtigen Stockenten (Anas platyrhynchos) ehrlicherweise nicht viele Vögel zu Gesicht. Vielleicht, dass ab und zu einmal einem Paradieskasarka begegne, der auf Māori Pūtangitangi (Tadorna variegata) heißt. Ein Kasarka, das ist im Wesentlichen etwas zwischen Gans und Ente. Die Weibchen sind mit ihrem weißen Kopf eher die auffälligen, wohingegen mir die dunkel gehaltenen Männchen mir wahrscheinlich kaum aufgefallen wären. Wenn also überhaupt, dann hab ich wohl mal ein vereinzeltes Pärchen gesehen oder was. Meine erste größere Gruppe hab ich am Strand von Oban auf Rakiura (Steward Island, aber ich hab so lange gebraucht, bis ich mir den Māori Namen gemerkt hab, dass ich den jetzt verwende) gesehen, dort sind sie gemeinsam am Spielplatz gelegen, bevor sie sich daran gemacht haben, vom Rasen zu naschen.

Die sind so herzig, weil sie so pausbackig-verschmitzt dreinschauen!

Dann ist mir ein Purpurhuhn namens Pūkeko (Porphyrio melanotus) über den Weg gelaufen. Die sind, wie ich lerne, bekannt für ihre Hinterhältigkeit, zumindest in der Māori Mythologie. Nachdem ich jetzt ein bisschen darüber nachgedacht hab und mir das von der Verbreitungslandkarte bestätigen habe lassen, werde ich mein erstes Pūkeko wohl noch im botanischen Garten in Melbourne gesehen haben. Das hat bei mir schon Faszination ausgelöst, weil schön sind die eigentlich nicht, aber halt doch fantastisch, kann ich mir nicht helfen. Mittlerweile hab ich auch hier das eine oder andere rumstaksen gesehen und ich mag die Rumstaksevögel ja gern.

Tatsächlich in Neuseeland habe ich einen Gelbaugenpinguin (Megadyptes antipodes) gesehen. Einen. Das war in Oamaru und ich hab mir einen Sonnenbrand dabei geholt. Zuerst waren wir auf der Suche nach den Zwergpinguinen (Eudyptula minor), aber für die haben sie Eintritt verlangt. Und für beide Pinguinarten hat gegolten, dass sie tagsüber im Meer unterwegs sind und am Abend nachhause kommen um sich in ihren Höhlen zu verstecken. Wir sind dann über den Berg drüber geklettert – mehr ein Hügel tatsächlich, darauf hat die Innsbruckerin bestanden – um auf der anderen Seite den Strand der Gelbaugenpinguine zu finden. Was wir dort gefunden haben waren Paua Muscheln und ich habe in der Elster (Pica pica) mein Totemtier entdeckt: Ich hab s einfach nicht geschafft, diese Muscheln liegen zu lassen, und es ist wirklich mehr gewesen, weil sie so hübsch perlmuttern schimmern. Ein gutes Dutzend hab ich gesammelt, wie Römerhelme ineinander gestapelt und bald einen parallel laufenden, internen Konflikt aufgerissen, weil es gibt nichts wenig unsinnigeres, als beim Backpackern Muscheln mit sich herumschleppen. Ich sammel ja auch regelmäßig mal Federn auf, aber die sind wenigstens von berufswegen leicht und selbst die schmeiß ich regelmäßig weg, wenn ich wo eine finde, die ich nicht mehr zuzuordnen weiß. Gerade für die Paua Muscheln gibt es ja als warnendes Vorbild jenes ältere Paar, das ganze Haus voll hatte, das sie dann nach Christchurch ins Museum gestellt haben. So hab ich wenigstens immer vor Augen gehabt, wohin das führen würde, sollte ich nicht in der Lage sein, die Dinger liegen zu lassen. Letzten Endes hab ich zuerst ein paar und dann die anderen auch noch liegen gelassen. Und die eine, die ich seit dem bei mir trage, stinkt so sehr, dass ich sie eh öfter bereue als nicht. In den Bergen hab ich die Gelegenheit, das ganze Hostel für mich selbst zu haben, einmal genutzt, um sie auszukochen. Aber nach dem vierten Mal hat sich immer noch nicht allzu viel getan, bis auf dass die Außenschale jetzt hässlich ist.

Fred und Myrtle in ihrem Muschelhaus

Am Gelbaugenpinguinstrand haben wir außerdem einen Haufen Seehunde Seelöwen (Phocarctos hookeri) angetroffen, die gerade dort in der Sonne herumliegen. Angeblich sind die auch am Land mitunter schneller als ich, aber das hab ich erst nachher gelernt und zweifle ich seit dem auch an. Es ist einfach schwer vorstellbar, dass Tiere, die so gut in Gemütlichkeit zu sein scheinen, insgeheim SprinterInnen sein sollten. Was sie auf jeden Fall haben, sind ziemliche Klauen an den Hinterbeinen. So nah dran waren wir dann doch. Hätten wir nicht sein sollen, hat die Dame uns gesagt, die um dreiviertel Vier gekommen ist um uns zu sagen, dass wir seit halb eigentlich nicht mehr da sein sollten. Weil nämlich: wenn die Pinguine sich nicht sicher fühlen, dann kommen sie einfach nicht nachhause. Und das sind sie dann auch nicht, zumindest nicht innerhalb der neunzig Minuten, die wir in der Nachmittagssonne gestanden sind, über die faulen Robben Seelöwen lästernd, denen wir die vermeintliche Angst der Pinguine in die Schuhe geschoben haben.

Hier wird gewarnt, wo wir gesucht haben.

Wirklich mit den Vögeln hat es dann erst auf Rakiura angefangen. Rakiura ist im Süden von Neuseeland, die „dritte Insel“, wie einige Lustige sagen, aber viele dürften das nicht sein. Insgesamt wohnen nicht einmal vierhundert Leute in Oban, dem einzigen Ort der Insel, kaum sechshundert insgesamt auf der Insel. Dafür gibt es aber große Bemühungen, den Ratten, Opossums und was sonst noch am Vogeltöten und Eierpecken ist, auf der Insel den Garaus zu machen. Ich war etwas überrascht, dass es im Supermarkt so viel Katzenfutter zur Auswahl gab, aber hey!, sollen sie zumindest gut gefüttert sein, vielleicht gehen sie dann weniger auf die Vögelchen.

Der erste Vogel, dem ich auf meiner Dreitageswanderung begegnet bin, war ein Tūī (Prosthemadera novaeseelandiae). Und eigentlich hab ich ihn zuerst gehört und erst dann gesehen. Der Tūī ist ein Honigfresser, die kennen wir noch aus Australien. Und er hat – sehr witzig – ein weißes Federbüschel am Hals hängen, bisschen wie ein aufwendiges Mascherl. Und er singt ausgiebig und eindrucksvoll. Ich bin vor dem Baum gestanden, in dem er auf und ab gehüpft ist und war natürlich ganz hin und weg: drei Tage Wanderung vor mir und dementsprechend viel Energie, Enthusiasmus und Trockenheit in den Schuhen. Da ist jedes Naturerlebnis gleich noch einmal so erlebnisreich.

Tūī y yo

Auf Māori Beach bin ich dann meinen ersten Austernfressern (Haematopus finschi) begegnet. Nachdem auch diese Vögel Staksen zu ihrer vornehmlichen Fortbewegungsmethode ausgewählt haben, sind sie mir natürlich von vornherein nah am Herzen. Außerdem haben sie einen sehr roten Schnabel und ein im Vorbeigehen durchaus beobachtbares Sozialleben. Während ich ihnen zugeschaut hab, ist der eine eindeutig dem anderen ständig leicht unterwürfig hinterhergelaufen, hat nie den Schnabel in den Sand gesteckt, wo nicht zuerst der andere schon gebohrt hatte. Und dann ist er auch noch lautstark verjagt worden, weil laut können sie auch werden.

Ebenfalls mir bereits aus Australien bekannt ist der Fantail, zu Deutsch kompakt Neuseelandfächerschwanz (Rhipidura fuliginosa) genannt oder halt auf Māori Pīwakawaka. Und die gewinnen fast im Herzigsein. Den ersten hab ich auf einem Parkplatz in Cairns gesehen, wo er minutenlang vor mir auf und ab gehüpft ist und – nomen/omen/etc. – den Schwanz wie ein ganz ein kleiner Pfau aufgefächert hatte und damit hin- und hergewippt hat. Witzig auch, und da ist der neuseeländische nicht viel anders, dass Willie Wagtail (Rhipidura leucophrys – und interessant, weil die wagtails sind eigentlich Stelzen, der Name also nicht nur ein fahrlässiger Ausflug in den Kolloquialismus, eine falsche Zuschreibung auch noch!), wie der australische Fächerschwanz heißt, auf dem ansonsten dunklen Kopf deutliche weiße Streifen über den Augen hat. Wie man vom Orca und dem Marienkäfer weiß, verwechselt man dadurch leicht einmal, wo tatsächlich die Augen sind und es gibt ihm eine gewisse, wie ich finde, Strenge. Vielleicht sehe ich mehr buschige Augenbrauen als Augen…

Auf Rakiura gibt es dann noch – ich bin ganz offenbar in der Herzigkeitsabteilung der neuseeländischen Vogelwelt gelandet – den South Island Robin (Petroica australis). Und jetzt reicht s mir schon langsam mit den blöden deutschen Namen! Weil, natürlich war ich jetzt gespannt, wie der bei uns genannt wird, nachdem ein Robin ja ein Rotkehlchen ist. Und man sieht ihm natürlich sofort die Ähnlichkeit zu unserem Rotkehlchen an, auch wenn ihm die bezeichnende Kehlchenfarbe fehlt. Und ja, auf deutsch wird er Langbeinschnäpper genannt. Unsexy! Aber korrekt. Weil wie uns Wikipedia.de lehrt (ja, übrigens, wider den Uploadfilter und all das!), dass „[d]ie Schnäpper […] nicht […] mit den auch in Europa verbreiteten Fliegenschnäpper [zu denen das Rotkehlchen gehört, Anm.] (Muscicapidae) [zu verwechseln sind], mit denen Sie [sic!] nur fern verwandt sind.“

Kleiner, neugieriger Kakaruai.

Auf jeden Fall hatte ich einige sehr nette Begegnungen mit – nennen wir sie bei ihrem Māori Namen – Kakaruai. Insbesondere auf Ulva Island, wo ich nach meiner Dreitagstour einen Ausflug hingemacht hab. Da hat uns schon der sympathische Skipper Peter darauf aufmerksam gemacht, dass, wenn wir uns langsam bewegen, regelmäßig stehenbleiben auf unseren Spaziergängen, dann kämen die Vögel zu uns, weil sie in uns eine Nahrungsmittelquelle sehen. Und sie seien nicht hinter unserem lunch her, sie sind hinter den Insekten her, die wir aufscheuchen, wenn wir beim Gehen den Boden aufwühlen. Das war dann auch so, dass da einmal drei kleine Kakaruai um mich herum gehüpft sind und hinter mir im Boden gepickt haben. Natürlich ist jede Bewegung zu viel und der Griff nach der Kamera ist unmöglich, ohne sie zu verjagen. Insofern steh ich dann und schau und freu mich. Eine Führerin hat etwas später einen Kakaruai angelockt, indem sie diese Zigaretten-austreten-Bewegung gemacht und damit ein leckeres Würmchen freigelegt hat.

Auf dem Boot in Richtung Ulva Island kann man schon aus einer gewissen Distanz die Māori-Fruchttaube oder Kererū (Hemiphaga novaeseelandiae) erkennen, die in hohen Bögen aus dem Wald herausfliegt und sich dann wieder in denselben fallen lässt. Ich hab keine Ahnung, was sie dabei machen… Auf der Wanderung ist mir allerdings einmal eine mitten am Weg gesessen. Riesiges Ding. Wir schauen uns kurz an, bevor sie sich auf den nächsten Baum gehievt hat. Dabei wirkt sie wahnsinnig sauber. Weil halt weiße Federn machen schnell einmal den Eindruck, dass es sich umein besonders sauberes Tier handelt und dann der bunt schillernde Kopf, auch ziemlich cool. Sie machen ein ziemlich lautes Geräusch beim Fliegen, wobei ich mir nicht ganz einig war gemeinsam mit einem fellow Tourengeher, ob sie das Geräusch einfach mit den Flügel machen oder tatsächlich irgendwie aus dem Schnabel heraus.

Schwer vorstellbar, die Innenstadt voll mit diesen Vögeln. Aber wie so oft finde ich, es wäre einen Versuch wert…

Nachdem mich der Mitwanderer eines Abends auf die Geräusche einer Eule aufmerksam gemacht hat, die wir allerdings nur zu hören bekommen haben, bin ich natürlich versucht, ihm zu glauben, dass das tatsächlich ein Laut ist, den die Taube macht. Andererseits gibt s nur eine Eule in Neuseeland und dass da draußen eine Eule zu hören war, das hätte ich vielleicht auch knapp so erraten. Allerdings nennen sie ihre Eule Morepork (Ninox novaeseelandiae), was sie onomatopoetisch erklären. Ist interessant, weil man möchte das ja gerne für indigene Namen annehmen, aber die Māori nennen sie Ruru. Mit etwas Fantasie und wenn man sich nicht abends über einen Vogel amüsieren möchte, der mehr Schweinefleisch verlangt, dann geht sich für Ruru allerdings auch eine mehr oder weniger onomatopoetische Erklärung aus. An ihrem deutschen Namen lässt sich dann auch erkennen, dass es sich natürlich gar nicht um eine Eule sondern um ein Kauz handelt. Einen Neuseeland-Kuckuckskauz. Und jetzt halt dich fest: „Sein tiefer zweisilbige [sic!] Ruf ‚buh-buk‘ erinnert an einen Kuckuck.“ Meine like-the-city-Bemerkungist leider von niemandem aufgegriffen worden. „Was bis du für eine software engineer, wenn du deine Scheibenweltreferenzen nicht parat hast?“, hab ich nicht gesagt.

Morepork in Terry Pratchetts Wappen.

Was wir nicht gesehen haben, ist der Kiwi (Apteryx). Also, ich hab ihn nicht gesehen. Der anstrengende Deutsche hat einen gesehen und vielleicht der eine oder die andere WandererIn ebenfalls. Aber die tragen auch nicht das Attribut anstrengend vor sich her und haben deswegen auch weitgehend ihren Schnabel ob diverser Kiwisichtungen gehalten. Ich hab einen gehört, mitten in der Nacht und in Folge die Hälfte der BettenlagerliegerInnen aufspringend und sich Kiwigeräuschbestätigungen zuraunend erlebt. Aber raus sind tatsächlich nur wenige mit ihren roten Lampen. Und soweit ich das im Halbschlaf mitbekommen hab, haben die auch keine Kiwis erwischt. Ich hab in der selben Nacht ein Reh (Odocoileus virginianus) gesehen, als ich auf einen Sprung meinen Urin raustragen war. Die haben sie dort ausgesetzt, damit die JägerInnen was zu schießen haben. Anschließend hatte ich tagelang Sting im Kopf, weil mein Unterbewusstsein der Meinung gewesen war, dass es unsinnig sei, mit dem roten Licht den Kiwis hinterherzujagen. Letztlich eignet sich Roxanne aber eh schlecht für einen Ohrwurm, so melodiös ist das wirklich nicht.

Kiwidarstellung am Infoboard der Bunkers Backpackers in Oban

Während man auf Rakiura auf Schritt und Tritt Rattenfallen findet, ist es auf Ulva Island bereits gelungen, die Jäger auszurotten und deshalb ist das dort ein ziemliches Paradies für Vögel. Es ist nicht ganz so abgesichert, wie Codfish Island, das westlich von Rakiura liegt. Dort gibt es eine von zwei übriggebliebenen Kākāpō Populationen (Strigops habroptila). Ich habe ähnliche Sicherheitsvorkehrungen für Ulva erwartet, aber letztlich war ich nicht unglücklich, dass außer dem Hinweis, dass wir bitte unsere allfälligen Ratten auf Rakiura lassen sollen, keine besonderen Maßnahmen getroffen wurden. Ich hab sogar einen Apfel mitgehabt, obwohl wir auch keine Samen auf die Insel mitnehmen sollten. Aber dann wiederum lässt sich aus einem Industrieapfel wohl eh kaum ein echter Setzling ziehen, oder irr ich mich? Vorauseilend wie eh und je habe ich den Apfel jedoch unangebissen wieder zurückgebracht.

Hier ist die Kakapo-Folge von Last Chance to See, in der ich zum ersten Mal von dem Vogel gehört hab (und die unheimlichen Wetas, riesige neuseeländische Insekten, ca. 17:15). Last Chance to See, nur zur Ergänzung, hat neunzehnneundundachzig als ein Projekt von Douglas Adams und Mark Carwardine angefangen, in dem er dem Aussterben-nahe Tiere aufgesucht hat. Stephen Fry hat sich zwanzig Jahre später mit Mark und einem BBC Budget auf seine Spuren begeben. Ich beginne hier ca. bei der Hälfte, wo sie sich aus Invercargill nach Codfish aufmachen.

Auf Ulva hab ich noch eine Wekaralle oder einfach Weka (Gallirallus australis) gesehen. Kann man leicht mit einem Kiwi verwechseln und so lange hab ich mich dann doch damit beschäftigt, der Weka beim Baden zuzusehen, um ihren Schnabel ins Bild zu bekommen – in meinen Augen der einzige sichere Test, ob es sich nicht doch um einen der dreißig bis vierzig Kiwis handeln sollte, die auf Ulva leben. War nicht. Und dann springt die Weka auf und ratz fatz in den Busch. Und aus dem Geäst fliegt mir ein Kākā entgegen. Oh ja, großer, dunkler Kākā (Nestor meridionalis), der sich eineinhalb Meter mir gegenüber auf einem Ast niederlässt und mich mit seinen schwarzen Augen mustert. Das war schon beeindruckend, irgendwie hatte ich doch ein anderes Gefühl von Intelligenz in Anbetracht dieser Augen, als wenn mich, sagen wir, ein Fliegenschnäpper betrachtet. Ist auch herzig, aber das ist fast eine Begegnung.

Sie haben schon ein schönes Federkleid, die Wekas, ganz ehrlich. Viel zu sehen gibt s trotzdem nicht.

Natürlich, der Name, das ist schon schwierig. Auf Rakiura bin ich auf einen Aussichtshügel gestiegen und da kommt mir eine vielleicht Sechsjährige entgegen, die mir mitteilt, dass weiter vorne ein guter Ausblick ist und dass da Bänke sind und ihr Vater. Und ich war gerade dabei, in den Bäumen zwei Kākās zu finden, die ich an ihrem Flügelschlag und Gekrächze dort vermutete. Und in dem Moment seh ich auch den einen und sag zu ihr, dass da oben, also, wenn sie von hier da rauf schaue… Es ist nicht so einfach – insbesondere einem Kind gegenüber – festzustellen, dass da in den Bäumen ein Kākā zu sehen sei. Noch dazu war ich mir zu dem Zeitpunkt gar nicht sicher, ob s da nicht verschiedene Unterarten gäbe, ich dachte, das irgendwo auf einem Poster gelesen zu haben. Und man will ja einer Sechsjährigen keinen Unsinn erzählen. Bin mir nicht ganz sicher, ob sie sie gesehen hat, aber ich bin mit Vater und Tochter am Nachmittag auf der Fähre gewesen und da hat sie auch noch gerne mit mir geplaudert.

Die zwei Kākās in den Ästen über mir waren schon toll, aber natürlich, dass ich zwei Stunden später einem im Wald gegenüberstehen würde, das hab ich mir da noch nicht gedacht. Und es war auch nur ein Moment, weil mit zwei drei Sätzen ist der der Vogel dann von Baum zu Baum gesprungen und so schnell konnte ich mich gar nicht umdrehen ist er auch schon wieder in den Wald entflogen gewesen. Deshalb heißt er wohl auch Waldpapagei.

Bittersüßer Schmerz, wenn die Begegnung mit einem Kākā zu Ende geht

Im Wald von Ulva hab ich auch noch einen Schwarm Ziegensittiche gesehen, die durch das Geäst geflogen sind, Kākāriki (Cyanoramphus novaezelandiae). Während die Bedeutung des Māori Namens wie die des englischen Namens sich darauf beschränkt, den roten Tupfer hervorzuheben, bezieht sich die deutsche, tendenziell uncharmante Bezeichnung auf ihre Laute, die angeblich an meckernde Ziegen erinnern. Kann ich nicht sagen, ich hab sie wohl bisher nur das eine oder andere Mal auf Bäumen gesehen, hauptsächlich im Flug eigentlich.

Als ich mich schließlich von Rakiura wieder verabschiedet hab, hab ich vom Pier aus noch einen Albatros (Diomedea epomophora) im Wasser schwimmen gesehen und es war ein bisschen eine Epiphanie, was so dieses Größenverhältnis zwischen Möwe und Albatros betrifft. Es war ein bisschen wie den Raben oben an der Devil’s Staircase zu sehen, der mir so deutlich den Unterschied zwischen Krähe und Rabe reingedrückt hat. Der Albatros hat s dem Fischer schwer gemacht, dessen Köder der Albatros sofort hinterher geschwammflattert ist – so mit Hilfe seiner Flügel an der Wasseroberfläche entlanglaufend. Und dann sitzt der Albatros geduldig, bis der Herr Fischer den Köder wieder aus dem Wasser zieht und dann ist er wieder zur Stelle. Als dann ein relativ großer Hai von unter dem Pier hervor geschwommen ist, hat s dem Albatros allerdings schnell gereicht und er hat sich auf weiteres aus dem Wasser erhoben.

Im Gegensatz zu Sting macht J. Cleese aus einem einzigen Wort einen Ohrwurm

Die letzten Beobachtungen hab ich dann in Arthur’s Pass gemacht. Zurückblickend war die Aussicht, dort Keas (Nestor notabilis) zu sehen wohl mindestens zu fünfzig Prozent dafür ausschlaggebend, dass ich mir den Aufwand gegeben habe, dorthin zu kommen. Interessanterweise hab ich noch sehr gut in Erinnerung, wie gleichgültig ich den Keas in Schönbrunn gegenüber gewesen bin, als ich sie dort zum ersten Mal gesehen hab. Sie kommen wohl nicht ganz dorthin, wo meine Papageienerwartungen sie gerne empfangen hätte. Mal angefangen damit, dass sie farblich nicht irrsinnig aufregend sind, leben sie in den Bergen, tun sich auch mit Schnee ok und sie sind am Ende auch noch Aasfresser. Also, wenn sich die Gelegenheit bietet, ich glaube, sie sind sehr opportunistische Esser. In Schönbrunn war dann diese Plakette, wie intelligent sie sind und dass sie zusammenarbeiten, um Probleme zu lösen und all das. Hat mich alles wenig beeindruckt. Aber seit dem hat sich wohl doch einiges getan. Meinem ersten Kea bin ich am ersten Abend über die Straße gefolgt und halb in einen Busch gekrochen, bis ich mir überlegt habe, was allfällige Passanten über mein wirres tun im Halbdunkeln denken mögen. Ich hab den Kea in dem Busch auch nicht mehr gefunden, aber ich nehme an, er ist irgendwo belustigt auf einem Baum gesessen.

Von der Qualität spielt diese Aufnahme in der Kategorie meiner Versuche, Wasserfälle aufzunehmen. Aber der Ruf des Keas ist doch so eigenartig, dass es sich auszahlt ihn zwischen dem abendlichen Gezwitscher, dem allgemeinen Rauschen und der einen oder anderen Windbö herauszuhören.

Zu hören sind die Keas schnell einmal gewesen, vor allem abends, aber auch tagsüber hat man immer wieder ihre Rufe gehört. Beim Spazierengehen ist dann einmal einer einige Meter über mir vorübergeflogen, so dass ich die rote Musterung an der Flügelunterseite zu sehen bekommen habe. Und am zweiten Abend hab ich dann einen ganzen Schwarm beobachtet. Jemand hatte geschnittene Äpfel auf einem Rasen ausgeschüttet und das ist eigentlich gar nicht ok. Don’t feed the kea!, informieren einen die Schilder. Und wer sich die Mühe macht kann auch die rezente Geschichte eines mit Lebensmittelvergiftung eingelieferten Keas lesen, der glücklicherweise unlängst wieder in die Freiheit entlassen werden konnte.

Reines Glück, den Kea mit den offenen Flügeln erwischt zu haben. Ein Handytelefon ist wirklich nicht dafür geeignet, im Halbdunklen Fotos von Vögeln zu machen.

Für mich war das natürlich trotzdem nicht so schlecht, weil das ein gutes Dutzend Vögel angelockt hatte, die jetzt vor mir durch die Wiese spaziert sind, um sich die besten Apfelstücke herauszupicken. Wiederum am eindrucksvollsten war es, als ein relativ großes Exemplar einen Meter neben mir gelandet ist. Das ist einfach ein witziges Erlebnis, wenn man so mittendrin ist, dass die Vögel auf einen zu kommen oder zumindest einen soweit ignorieren, dass sie einen dann erstaunt, weil ebenfalls entsprechend unerwartet, beäugen.

Bei meinem Spaziergang den Pass entlang war aber vor allem ein Vogel präsent und der zunächst auch mehr über seinen Gesang. Und wer versteckt sich da im Gäst? Der Maori-Glockenhonigfresser (Anthornis melanura). Ein Gefühl für Namen, die deutschen BiologInnen. Vielleicht sollte man das mal den SprachverteidigerInnen unter die Nase halten, dass das Deutsche immer schon weniger auf Ästhetik denn auf Exaktheit Wert gelegt zu haben scheint. Denn immerhin, soviel muss ich ihnen lassen, weiß ich anhand des Namens, dass ich hier wieder einen Honigfresser zu Gesicht bekommen habe. Das weiß ich natürlich bei Bellbird ebensowenig wie bei Korimako, wie er auf Māori genannt wird.

Ich hätte die Honigfresser ja insgesamt mehr nach ihrem Gesang benannt und nicht nach ihrer Lieblingsspeise. Der Korimako hat wenigstens die Glockerl in seinem Namen.

Zwei hab ich noch, abschließend, nämlich aus der Raubvogelkategorie. Da gibt s den Maorifalken (Falco novaeseelandiae) – die oben erwähnten BiologInnen scheinen da wesentlich öfter zum „Maori“ als zum „Neuseeland“ Präfix gegriffen zu haben. Das ist der einzige neuseeländische Falke und damit hab ich sicher ab und zu einen gesehen. Den Blick aus dem Autobus hab ich nämlich immer wieder etwas raubvogelartiges über den Wäldern und Feldern kreisen gesehen. Nie wirklich aus der Nähe, aber vom Verhalten her halt eindeutig Raubvogel.

Leider ausgeschlossen ist, dass ich ihn mit dem Haastadler (Harpagornis moorei) verwechsle, weil der hat sich gemeinsam mit den Moas bereits vor einigen Jahrhunderten aus unserer Welt verabschiedet. Der größte Greifvogel der Neuzeit mit einer Flügelspannweite von drei Metern, bis zu achtzehn Kilo schwer… Eine der Wandernden hat gemeint, think Gandalf. Weil im Gegensatz zum Herrn Pratchett sitzen die Herr der Ringe Referenzen hier ganz locker.

Zur besseren Veranschaulichung der Größe des Haastadlers muss man sich hier wohl die beiden Leute aus dem obigen Moabild mit hineindenken. Sonst gefallen mir die Moas vom Herrn Harder ja besser, mit ihrer statischen Körperhaltung, ihren strammen Beinen und ihren Sockenpuppenköpfen.