im flaschengrünen, tiefen See

Heute war ich im Aquarium von Kagoshima und das hat natürlich gleich einmal was problematisches. Ich bin ja ein großer Verteidiger von Zoos, weil abgesehen davon, dass dort heutzutage ja viel Forschung passiert,die in der Natur schwierig bis unmöglich wäre, find ich auch, dass es wichtig ist, heutzutage einmal ein Nilpferd in echt gesehen zu haben, bevor man in die Pubertät kommt. Oder einen Pinguin oder vor allem einen Tapir. Auf der anderen Seite geben Menschenaffen hinter Gittern mitunter ein trauriges Bild ab und da zieh ich ein bisschen meine Linie, die andere wo anders ziehen mögen. Und so bin ich heute in einer Delfinshow gesessen und das war schon interessant, aber gleichzeitig auch etwas deprimierend. Spätestens seit Free Willy schaut man ja einer Walverwandten auf die Rückenflosse um zu sehen, wie deprimiert sie vom Leben in Gefangenschaft ist und von den fünf, die da in dem Becken ihre Runden gedreht haben, waren alle ein bisschen geknickt. Immerhin muss ich sagen, war auch viel Information dabei (glaub ich, ich hab s ja nicht verstanden), das rechtfertigt s für mich durchaus ein bisschen. Es ist nicht nur Zirkus. Aber der Moderator hat viel geredet und soweit ich verstanden hab, ging s um die Fähigkeiten von Delfinen, verschiedene Formen und Größen zu unterscheiden. Und auch, dass sie fünf Meter aus dem Wasser springen können um ein Dingserl anzustoßen, das von der Decke hängt, dass sie synchrone Saltos machen können und dass sie quaken, wenn die Trainerin das richtige Handzeichen gibt. Und dass sie entweder so ins Wasser eintauchen können, dass es kaum spritzt oder so, dass ich nachher vollkommen nass war.

Kann man etwas gegen die Haltung von Quallen haben? Sehr aufregend und nur mittelmäßig auf dem Foto feststellbar, dass sie mit ihren fadendünnen Tentakel tatsächlich die Urzeitkrebse, die sie als Futter bekommen, gefangen und zur Unterseite von ihrem Körperdingsda geführt haben.

Noch deprimierender war allerdings, dass sie einen Walhai in einem Becken haben. Damit wird das Aquarium stark beworben und ich hab s mir kaum vorstellen können, dass das wirklich so ist. Ich hab mir gedacht, ok, das ist vielleicht ein Fenster ins Meer irgendwie, wo ein Zaun ist… Nein. Ich mein, ein kleiner, der war nicht länger als vier Meter. Aber er war in einem Becken, noch dazu im ersten Stock, aber dafür gibt s mehr logistische Anerkennung. Es war halt kaum Platz, dass er was anderes hat tun können, als ständig im Kreis zu schwimmen. Sein Blick ist vom Vorüberziehen der Stäbe… Dann ist eine Kindergruppe reingekommen und die waren alle wahnsinnig begeistert und dann frag ich mich, ob ich da für den armen Walhai nicht auch den Punkt machen soll, den ich für Meerkatzen, Pinguine und Gnus mache: Dass die Begeisterung von dreißig Kindern nicht irgendwo mehr wiegt. Und dass die BegleiterInnen vielleicht den Text vorgelesen haben, wo steht, dass man das Meer nicht verschmutzen soll, weil sonst die Fische alle sterben. Die Weißspitzenhaie, neben denen ich vor zwei Wochen noch geschwommen bin, sind in ihrem Becken überhaupt nur am Boden gelegen.

Keine einfachen Antworten

Ich bin ja schon allein deshalb ein bisschen auf der Seite, die die Kinder (und Erwachsenen) ihre Erfahrungen auf Kosten des großen Fischs machen lässt, damit mein Tauchhobby nicht nur elitär rüberkommt. Logistisch schwierig und ökologisch schlimmer, wenn wir unsere Haifische alle in ihrem Habitat sehen wollen würden. Hauptsache ich hab mir jetzt noch ein bisschen Tauchurlaub geplant, formulierte er einen holprigen Übergang mit moralisch zweifelhaftem Nachgeschmack. Und weil sich die Gelegenheit geboten hat, hab ich mir dafür auch gleich in einem der hiesigen riesigen Elektronikfachmärkten die Schutzschale für meine Kamera gekauft. Fünfzehn Tauchgänge hab ich gemacht, insgesamt ziemlich genau zwölf Stunden unter Wasser. Und kaum das lousy T-shirt vorzuweisen.

Aber damit ich s nicht vergesse und weil wir hier im Internet sind: Hier sind meine fünf besten Taucherinnerungen.

(5) Zuerst einmal eine Taucherinnerung, die gar nicht unter Wasser stattgefunden hat. Tahiti hab ich ziemlich gut erwischt, was die Walsaison betrifft. Man würde eigentlich bereits mit mehr Walaction rechnen, hat es immer wieder geheißen, aber so richtig wollten sie sich nicht zeigen. Vielleicht, hat s einmal geheißen, sei das Wasser zu warm, weil es wäre wohl ein Grad wärmer als üblich und deshalb würden die Wale noch ein wenig in ihren antarktischen Gewässern abwarten. Wale sind ja auch eher individualistische Tiere und jetzt nicht Gänse, die im Schwarm migrieren, deshalb war schon ab und zu mal einer zu sehen. Einmal sind wir auf dem Weg zu Tauchstelle sogar einem begegnet, von dem wir ein bisschen Schwanzflosse zu sehen bekommen haben. Die Möglichkeit sei gegeben gewesen, dass uns der beim Tauchen überrasche, hieß es, weil die Tauchstelle läge auf dem Weg. War aber nicht. Aber immerhin einen Wal gesehen ohne dass ich zwei Stunden Seekrankheit erleiden musste. Und die Hoffnung, beim Tauchen vielleicht von einem Wal besucht zu werden, die hat den ganzen Tauchgang ziemlich aufregend gemacht.

(4) Meinen ersten Hai hab ich leider gar nicht gesehen. Das war auf meinem ersten Ausflug, meinem ersten explorativen, meinem ersten Freizeittauchgang. Da war ich schon ein bisschen enttäuscht, als ich an der Oberfläche gehört hab, dass ich in die falsche Richtung geschaut hab, als da ein Grauer Riffhai (Carcharhinus amblyrhynchos) auf einen Sprung aus dem Blau des Meeres bei uns vorbeigeschaut hat. Auf Mo’orea bin ich dann immer wieder Haien begegnet, immerhin hat sich mein Tauchverein auch als Haispezialisten identifiziert und das Haienbegegnen war so ein bisschen das Ziel. Also, alles Riffhaie, da muss man sich nicht besonders fürchten. Ich mein, nicht, dass man überhaupt muss. Alles in allem, war der eine Barracuda, der uns da mal verfolgt hat, wesentlich unheimlicher als alle meine Haibegegnungen. Zu sehen gibt s insbesondere Weißspitzenhai (Triaenodon obesus) und Schwarzspitzenhai (Carcharhinus melanopterus), aber besonders sind eine Handvoll Zitronenhaie (Negaprion acutidens) die in einem Katalog durchnummeriert sind, mit ihren Erkennungszeichen und ihren Charaktereigenschaften. Und dann war da noch einer, bei dem man ein bisschen aufpassen sollte, weil die eigentlich aus tieferen Gewässern sind und ihre Unsicherheit so knapp unter der Oberfläche gerne einmal mit ein bisschen Fremdaggression kompensieren. Hat man uns erklärt. Während so ein Schwarzspitzenhai gerade einmal zwei Meter lang wird und der Weißspitzenhai noch etwas kleiner bleibt, wird so ein Zitronenhai fast drei Meter lang und das kann einen schon ein bisschen schrecken, wenn einem so einer plötzlich ins Blickfeld gerät. Wie man für seinen Open Water Diver lernt, wirken Objekte unter Wasser wegen der Lichtbrechung auch noch etwa ein Drittel größer und Viertel näher. Da hab ich mich schon ein bisschen so gedreht, dass ich ihm nicht den Rücken zuwende. Mehr erschreckt hab ich mich tatsächlich, als mich ein Schwarzspitzenhai rechts überholt hat und tatsächlich einfach einmal so in mein Blickfeld hineingeschwommen ist. Und dann noch ein zweiter. Und wieder zurück auf Tahiti war ich dann nochmal im Vallée Blanche, da wo wir im Boot vom Wal überrascht wurden. Das weiße Tal ist so ein bisschen ironisch für ein Stückchen Sandstrand unter Wasser zwischen der Lagune und dem bisschen Meer zwischen Tahiti und Mo’orea. Und warum das so attraktiv für die Riffhaie ist, das weiß ich auch nicht. Ein Grund ist sicherlich, weil dort ab und zu mal ein Tauchverein eine Kiste mit Fischstückchen deponiert und die zum Naschen vorbeischauen. Aber ob die Haie nur für einen free lunch vorbeikommen oder ob die nicht auch vorher schon lieber über weißen Sand geschwommen sind als graues Riff, kann ich nicht beantworten. Ähnliches Hairepertoire wie auf Mo’orea, aber durch die Anfütterung halt wirklich dicht. Fast ein bisschen weniger beeindruckend, wenn sie einem links und rechts so um die Ohren sausen. Aber schön sind sie schon. Lemonshark dudududu-dudu…

(3) Haie sind mit ihrer glatten Eleganz mehr so die Dobermänner des Meeres. Wobei die Ähnlichkeit wahrscheinlich eher andersherum zu erklären ist. Kalt und stromlinienförmig sind sie. Man sieht sich irgendwie satt an ihnen, wenn man nicht ein Zehnjähriger mit Gewaltsublimationsbedarf ist. Auf der anderen Seite haben mich die Schildkröten immer mehr durch ihr Verhalten beeindruckt. Und das wiederum hat wohl mehr damit zu tun, dass sie einen Hals haben und sowas wie Arme und sowas wie Beine und wenn man an Land nicht unbedingt eine Schildkröte als seinen nächsten Verwandten identifizieren würde, so gibt s unter Wasser weniger Auswahl. Und dann sieht man einmal eine Schildkröte, die sich mit ihrer Flosse am Riff abstößt, während sie nach irgendwas schnappt, das dort wächst. Eine andere hat sich vielleicht für auf ein Nickerchen in eine kleine Riffeinbuchtung hineingekuschelt. Und sie haben einen sympathischen, wenngleich extrem gleichgültig wirkenden Blick. Und eine himmlische Leichtigkeit, mit der sie sich durch s Wasser bewegen. Ich mein, „Eleganz“ ist vielleicht ein Begriff, den ich etwas überstrapaziere, wenn ich mich an meine Taucherlebnisse erinnere. Aber es gibt einfach nicht genügend Varianz in der Begrifflichkeit! Unter Wasser wirken alle Bewegungen ein bisschen präziser, ein bisschen bedachter. Ohne die Haftung an einem Boden merkt man schnell einmal die physikalische Wahrheit, dass jeder Impuls einen Gegenimpuls auslöst, am eigenen Körper. Um so mehr Bewunderung hab ich deshalb übrig für jene Lebewesen, die ihre Energie so einzusetzen wissen, dass es sie nicht bei jeder Drehung fire– und daunehaut.

(2) Als TaucherIn ist man zu Gast unter Wasser. Nicht nur, dass man das wegen der oben angemerkten Plumpheit schnell einmal am eigenen Körper merkt, aber die Oberste Direktive ist: wir sind zum Schauen da. Wir schauen drauf, dass wir nicht auf die Korallen treten, wir schauen drauf, dass wir keine Muscheln mitnehmen, wir schauen drauf, dass wir nichts berühren, dass wir nichts füttern, dass wir keinen Mist hinterlassen. Jetzt ist das wie bei allen Regeln, dass man auch einmal eine Ausnahme macht, ohne, dass man die ganze Regel sofort kübeln muss. Und während ich das stille Schweben im Wasser als die größte Herausforderung sehe und ich diesem Status der Nichteinmischung meine größte Aufmerksamkeit widme, muss ich zugeben, dass die eine oder andere haptische Erfahrung zu den besten Erinnerungen gehört, die ich unter Wasser gemacht hab. Auf dem einen Tauchgang sind wir besonders vielen Seeanemonen begegnet und ich hab den Tauchlehrer gesehen, wie er immer wieder einmal mit dem Finger durch die Anemone gestrichen hat. Ich hab mir einerseits natürlich gedacht, n-n-n: macht man nicht und auf der anderen Seite aber natürlich die Neugier, weil ich von den Seeanemonen doch nur weiß, dass sie doch irgendeine Verteidigungsgiftigkeit besitzen, weil sie doch den dagegen immunen Clownfisch beschützen, der sich in ihnen versteckt. Also Rätsel über Rätsel und die löst man am besten durch Experimentation. Hab ich bei der nächsten Gelegenheit also vorsichtig meinen Finger in die Seeanemone gesteckt und siehe da: es war ein bisschen wie wenn dutzende kleine Saugnäpfe von meiner Haut naschen. Also, das war nicht „ein bisschen wie“ sondern das war ziemlich genau, was passiert ist, das Gefühl ist so fremd, dass ein Gleichnis nicht viel weiterhilft. Nach einem anderen Tauchgang hat ein Sohn seiner Mutter die Erfahrung als weird but nice beschrieben und besser könnt ich s auch nicht sagen.

Aus dem Aquarium in Kagoshima. Vielleicht ist die Technik der Seeanemone ähnlich wie bei dem Seestern, der sich mit seinen Saugnäpfchen von der Aquariumswand nascht. Die biologische Verwandtschaft hört, wie ich eben nachgeschaut hab, bei den „Gewebetieren“ auf. Die Verwandtschaft zur Seeanemone ist also nicht näher als zu mir…

(1) Und ganz oben auf der Hitliste der Taucherfahrungen die akustische Erfahrung: hab ich einen Wal singen gehört. Es hat niemand besonders damit gerechnet, es wurde zwar immer wieder von Walen geredet, einfach weil Saison ist, aber zwanzig Minuten unter Wasser deutet mir der Tauchanführer, ich solle mal ins Meer hören und nachdem ich seine Gestik entziffert hab, hab ich tatsächlich sanft den Walgesang gehört. Der müsse so ein bis zwei Kilometer entfernt gewesen sein, hat s nachher geheißen. Aber ich war einfach überrascht, dass ich das so hören kann. Ich erinnere mich noch, als ich das erste Mal Walgesang gehört hab (das war auf einer Schallplatte, die einem Micky Maus Heft beigelegt war) und ich mir gedacht hab, dass das doch sicher irgendwie behandelt sein muss, damit man das hören kann. Diesen Gedanken hab ich nie so wirklich relativiert. Bis jetzt. Und jetzt hab ich mir noch gedacht, dass da sicher irgendwo der Ursprung für Sirenengesang drin steckt. Weil irgendeine alte GriechIn wird mal versucht haben, irgendwo einen Krebs hochzutauchen und dabei einen Wal gehört haben. Natürlich ohne ihn zu sehen. Ja, wer singt denn da so schön?, wird man sich gefragt haben. Na, das wird ja wohl eine halbnackte Frau mit einem Fischschwanz sein, war die naheliegende Antwort. Für mich kam der Gedanke vor allem, weil es ja durchaus gefährlich ist, in die Stille des Meeres hineinzuhören: Dafür muss man nämlich die Luft anhalten, weil sonst hat man die Ohren ständig mit dem eigenen Geblubber voll. Und was sie einem sagen, andauernd einbläuen ist, dass man nicht mit dem Atmen aufhören soll unter Wasser. Das hat vor allem damit zu tun, dass es einem die Lunge nicht zerreißt, wenn man sich in der Vertikalen bewegt und sich die Luft dort aufgrund des abfallenden Drucks im Quadrat aufbläht. Und natürlich ersticken, aber da kann man sich vielleicht eher auf den Instinkt verlassen. Jetzt liege ich also im Meer und halte meine Luft, um nochmal diesen Walgesang zu erwischen, weil das wirklich sehr schön ist, in so einer akustisch sonst eher unaufregenden Stunde, jemanden singen zu hören. Ich hab auch nichts mehr gehört.

Die Regeln der Internethitparaden geben mir die Möglichkeit, hier noch ein honorable mention unterzubringen: In der Tauchschule auf Tahiti waren die coolsten Mädels und Jungs und ich bin ja doch viel mit denen abgehangen, also jetzt nicht privat, aber so vorher/nachher ein bisschen auf dem Gelände rumsitzen, wenn grad Zeit ist. Und manche haben ein passables Englisch gesprochen und mit denen hatte ich auch nette Unterhaltungen. Und andere hatten weniger Englisch parat und da war alles ein wenig schwieriger. Die Lisa zum Beispiel, die hat gerade die Ausbildung zur Ausbildnerin gemacht und hat die schwierige Aufgabe bekommen, einen auszubilden, mit dem sie nicht viel gemeinsame Sprache teilt. Abgesehen davon, dass ich die ganze Tauchterminologie eh nicht kannte und von mir aus wäre es wurscht gewesen, ob ich jetzt den französischen oder den englischen Begriff für den Schlauch der von der Flasche zum Mundstück führt lerne. Aber so war da zu Beginn auf jeden Fall einmal wenig optionales Geplauder. Und auch wenn es unter Wasser überhaupt erst einmal etwas einfacher erscheint, weil man da ja eh nicht miteinander reden kann, setzt sich da mitunter die mangelnde Einschätzung des Gegenüber von der Oberfläche fort und dann ist man vielleicht weiterhin ein bisschen komisch. Es ist dann ein bisschen besser geworden, wenn man einander ein wenig einzuschätzen lernt und man sich nicht mehr so viel über die Fehler Sorgen macht, die man beim Reden vielleicht macht. Und dann gab s einen Moment, mein erster explorativer Tauchgang, wo sie mein Buddy gewesen ist und ich weiß nicht mehr was ich gedeutet hab, aber sie hat auf jeden Fall lachen müssen und das war einfach ein guter Moment, und ich hab mir gedacht, wie praktisch, dass ich mir das nonverbale Tauchen als Hobby ausgesucht hab. Abgesehen davon, dass es lustig ist, jemanden unter Wasser lachen zu sehen.