Off with the fairies

Wieder ein Flughafen, wieder ein Aufbruch. Diesmal bin ich aber wirklich etwas länger unterwegs und vielleicht ist das auch symbolisch irgendwie. Oder so herum: vielleicht will man da auch irgendwas symbolisches drin erkennen. Immerhin verlasse ich die Tropen, hab ich festgestellt, als ich mir heute Morgen beim Das-letzte-Mal-den-Strand-entlang-Gehen beinahe einen halbseitigen Sonnenbrand geholt hätte. Da setzen sich die Leute echt noch in die Sonne mit ihrer Joghurthaut! Das hat mich wirklich ein bisschen überrascht, dass Leute immer noch dieses Urlaubsbild haben, dass sie sich am ersten Tag mit einem Buch in den Sand setzen müssen. Und die, die sich nicht ganz der Illusion hingeben, dass das an sich eine gute Idee wäre, die schmieren sich eh zentimeterdick mit Sonnencreme ein, dass man die Molke kaum durchschimmern sieht. Man mag darin auch eine Arroganz sehen, weil ich doch seit Monaten unter Palmen schlender und deren ja längst indifferent geworden mögen… habe… sein. Aber ich hebe den Arm und strecke den Finger gen Himmel um das Augenmerk darauf zu lenken, dass ich das vor einem Jahr so ähnlich gesehen hätte. Und in der Tat hab ich kaum jemals Zeit am Strand verbracht und ich würde sogar sagen: das ist das erste Mal seit Australien, wo ich das mal probiert habe und dann wieder raus bin, weil ich das Meer ganz allein plötzlich als unheimlich empfunden habe, das erste Mal, dass ich an so einem Strand entlangspaziere und zumindest anderen Leuten dabei zusehe, wie sie sich dem Am-Strand-Sitzen hingeben. Also ja: immer noch dieses Urlaubsbild haben.

“To take a photograph is to participate in another person’s (or thing’s) mortality, vulnerability, mutability. Precisely by slicing out this moment and freezing it, all photographs testify to time’s relentless melt.” (Susan Sontag (1973) On Photography, p.19)

Vielleicht ist es auch, weil ich ja in meiner expliziten Strandsitzaversion seit Jahren die Sonne als den nächsten großen Public Health Faktor vorauszusagen versuche. Also, vorauszusagen versuchen geht so, dass man s einfach so lange sagt, bis es eintritt, nicht wahr. Ich denk mir, bevor sie Alkoholfolgenfotos auf Flaschen kleben, werden sie eher den Solarkrebs ins öffentliche Bewusstsein rücken. Aber scheinbar gibt s bei den Zigaretten eh noch genug zu tun. (Bravo, so nebenher, dass sich Österreich zu einem Verbot durchgerungen hat…)

Anyway. Sonnenbrand in Südthailand: Ich hab ja relativ schnell einmal viel Freude dran gehabt, dass die Massagesalons Aloe-Vera Massagen anbieten.

Aber sonst, ich mein, es fangt ja wirklich erst an. In den letzten Tagen sind die Restaurants langsam voll geworden, abends sitzen jetzt ein paar Leute vor den Bars aus denen lauter Neunzigerpop dröhnt, auch der Strand füllt sich wie gesagt und selbst unser Tauchboot war schon wirklich so voll, dass es sich langsam für meinen Tauchshop echt auszahlen wird, ihr eigenes Boot zum Laufen zu kriegen. Weil das ist so, dass in der Nebensaison, da fahren jeden Tag nur zwei, drei Boote raus, war mein Eindruck. Da mieten sich quasi die verschiedenen Tauchschulen dann bei denen ein, die sagen, dass sie sowieso fahren und das ist dann auch in Ordnung für alle. So ein Tauchboot ist ja quasi die halbe Miete, da muss ja auch eine Crew bezahlt werden und ein Tank und die ganzen Tanks erst. Weil dass ich hier die schicksten Tauchboote befahre, die ich in meiner kurzen Karriere bisher befahren habe, hab ich das schon gesagt? So, wo wir zwanzig Gäste sind oder was und nochmal zehn InstruktorInnen oder FührerInnen. Und dann die Boys, weil auch hier hat s Boys, irgendwer muss ja die schlecht bezahlte Arbeit machen… Und einen Kapitän und dann sind wir eh vierzig Leute auf so einem Boot. Und wir sind auch ein, zwei Stunden bis zu unseren Tauchstätten unterwegs. Und dann gibt s Snackereien und ein ordentliches Mittagessen, weil wer taucht brennt Kalorien oder zumindest wird man müde davon, weil man zu viel Stickstoff im Blut hat und ich nehm an, es transportiert dann weniger Sauerstoff? Das müsste man wohl nachschauen.

Wenn die Sonne scheint und ich schau vom Boot ins Wasser, dann laufen die Strahlen so an einem Punkt zusammen. Wenn die Sonne hinter mir steht, ist dieser Punkt ziemlich dort wo meine Augen sind. Das kann man sicher mit einer Handvoll Oberstufenphysik erklären…

Na und das war jetzt auch voll, zuletzt. Und ja, da mischen sich dann die ÖsterreicherInnen (im Restaurant unverkennbar dank der Phrase can we pay?) und die SpanierInnen und die Deutschen und die SchweizerInnen und zwischendurch einmal drei Inder oder eine Chinesin. Aber eher noch das ganze Boot voll mit SchwedInnen. Das ist ja auch ein bisschen eine Überraschung, wenn die plötzlich in der Gruppe auftauchen. (Witzig übrigens, dass ich am Flughafen total viele ItalienerInnen zu hören bekomme, was am Boot nie vorgekommen ist.) Manchmal catern gewisse Destinationen schon sehr eine bestimmte Nationalität, dass am Hafen groß ein Swedish Restaurant angeschrieben und Schilder groß zum Snus Geschäft verweisen, das kommt unerwartet. Aber ich nehm an, das sind halt, so wie meine PolInnen, Leute, die sich sagen, na, machen wir halt ein schwedisches Restaurant auf einer thailändischen Insel auf, weil ich hab keine Lust mehr auf kalte Füße.

Aber wenn s Boot so voll ist, ist es mir eh fast gleich, wer da ist, bin ich schnell ein bisschen am Rückzug. Ich drück mich gerne ein bisschen bei den InstruktorInnen herum, einerseits, weil das überall die coolen Mädels und Burschen sind, aber auch, weil ich s interessant find, wie die das so machen und wie ihre Biografien so ausschauen. Ich mein, manchmal bin ich auch sehr umständlich, wenn ich einmal von einer ein bisserl sehr hingerissen bin, kommt ja auch vor. Da bin ich schnell wieder sehr verloren. Und dann gibt s die, die s mit der Lässigkeit vielleicht einmal ansatzweise übertreiben, je nach Tätowierungen, Gehabe und sonstigem Körperschmuck, denen geh ich ja dann auch einmal absichtlich ein bisschen aus dem Weg. Zu meiner Überraschung hebt ein kurzes Gespräch über der Frage in welchem Kübel der Anzug zu waschen wäre oder wo jetzt wieder das Spülmittel für die Masken sei, das erste Douche-Urteil dann doch oft als falsch auf. I guess das ist ein bisschen Teil von dieser Erfahrung, wo ich nach dem zweiten Tag einen anderen Eindruck hab als nach dem ersten und wo der dritte dann noch eine Überraschung bietet, die am vierten relativiert wird…

Das einzige, was mit einiger Sicherheit passiert, ist, dass sich die Haie nicht gezeigt haben. Oder die Mantas. Oder die Walhaie. Also alles was so unter die Kategorie der pelagial creatures fällt, quasi die echten MeeresbewohnerInnen, nicht nur die Rifffischchen. Aber da gibt s natürlich die Plätze, wo man sagt, da kommen sie vorbei, hier lassen sich die fünf Mantas putzen, hier hängen die Schwarzspitzenriffhaie üblicherweise vorbei und dort ist heute von wegen Planktonströmung vielleicht ein guter Tag, dass ein Walhai vorbeischaut. Und da starr ich dann einmal eine halbe Stunde lang into the blue, wie man sagt, und kann meine Aufregung über die Möglichkeit buchstäblich am Finimeter ablesen, weil Spannung braucht Luft. Aber halt Mal für Mal nix gewesen. Und da kann man sich da natürlich nicht beschweren. Aber wenn mich eine Instruktorin fragt, wie mein Tauchgang war dann zöger ich vielleicht doch so ein bisschen, weil ich quasi „nur das übliche“ zu sehen bekommen habe, obwohl ich ein bisschen auf pelagisches gespitzt hab. Sagt sie I believe you have expectations. Und sie meint das, glaub ich, als etwas negatives. Und das ist aus dem Buch: Leute, die die gleichen Wörter verwenden, aber etwas anderes damit meinen. Hab ich mich gefragt, ob das vielleicht was buddhistisches ist, weil da ist ja das ganze mit den Ansprüchen und den Erwartungen, die dann allesamt ständig enttäuscht werden und nie passiert da, was man gerne hätte… das spielt ja eine andere Rolle dort. Aber wie gesagt, eigentlich sind in der Gegend die Leute ja muslimisch und ich weiß nicht, wie der Islam mit dem Terror enttäuschter Erwartungshaltungen umgeht.

Die Muräne / Fletscht die Zähne / Und macht von tief aus ihrem Trichter / Von unten rauf böse Gesichter.

Und ja, das war eine thailändische Instruktorin. Das ist ja überhaupt so ein Ding, dass relativ wenige Einheimische in den (presumably) besser bezahlten Jobs arbeiten. Ist natürlich ernüchternd, dass von dem Tauchtourismus dann wieder die europäischen AussteigerInnen profitieren. Und natürlich haben auch die Restaurants und die Hotels und die Tourguides was davon, wenn jemand auf seinen Tauchurlaub vorbeikommt. Aber mein Geld ist zumindest vor allem an meine PolInnen gegangen. So wirklich ist mir das auch erst aufgefallen, wie mir die PolInnen den Wale als Guide mitgeschickt haben, der auf Ko Lanta aufgewachsen ist und der da für ihn selbst überraschend nämlich, plötzlich ein Tauchguide geworden ist. Aber natürlich bin ich dann, als ich ersteinmal draufgeschaut hab, eh schon wieder draufgekommen, dass es viel mehr thailändische InstruktorInnen gibt, als ich zuerst gedacht hab. Nur dass ich die halt nicht bemerkt hab, weil die weniger mit den Touris am Sonnendeck abhängen und eher vielleicht mit den Boys. Sagen wir ein Drittel.

Und zwischendurch wieder ein Franzose, mit dem ich mich gleich wieder gern unterhalten hab. Den haben sie uns als Fotografen mit an Bord gegeben und… ja. Schwer zu sagen. Ich hab ja dann mal gedacht, ob das mit den FranzösInnen vielleicht auch mehr so ist, wie mit den AmerikanerInnen, dass die, die man im Ausland trifft, eh nett und rücksichtsvoll und witzig sind. Oder auch nur, dass mir bei den einen wie den anderen die sympathischen eher auffallen als die anstrengenden. Auf jeden Fall ist er selbst in den kleinen Unterhaltungen, die wir so zwischendurch haben so angenehm französisch.

Bei diesem Typen hab ich mir übrigens schon vor ein paar Jahren mal so diese Idee aufgerissen, dass alte Franzosen irgendwie einen sehr speziellen Charme haben können. (Aus „Jodorowsky’s Dune“)

Mah, und meine Zehe hat sich wieder erholt, nachdem ich sie mit Karacho gegen den Gehsteigabgrenzungsboller gestoßen hab, manchmal drückt s immer noch unangenehm, wenn ich sie blöd erwische. Da frag ich mich dann, was man sich alles verletzen kann, wie unbemerkt man sich die Zehe brechen kann. Mehr Problem macht allerdings die Haut, weil da muss man sagen, das Tauchen, die Sonne und das Meer, das verlangt schon seinen Zoll. Die Haare hab ich sogar halbwegs im Griff, das schicke Boot erlaubt ja, dass ich mir nach jedem Tauchgang schnell einmal ein bisschen das Salz rausspühl. Aber ständig trockene Hände, meine Nagelbetten sind ausgefranst wie Rotwild im Frühling! Es ist wirklich nicht einfach. Da hab ich mir am letzten Tag noch eine Ölmassage gekauft, da hab ich mir gedacht, das hilft vielleicht. Auf jeden Fall bin ich unter den Schraubstockhänden der Masseurin beinahe gestorben, während sie und die Kollegin herzhaft über mein Ächzen und Stöhnen gelacht haben.

Und dann noch zwei, drei Sachen, die ich schon ein bisschen mit mir herumtrage, so aus: verschleppte Irrtümer. Wasser scheint man im Buddhismus quer durch die Bank als Opfer zu geben, was ich als bisschen brutale Opfergabe für die Atombombenopfer empfunden habe, ist gar nicht spezifisch in Erinnerung an deren qualvolles Verdursten. Ich mein, der Springbrunnen immer noch, aber vielleicht nicht unbedingt die Wasser.

Ah ja. Das andere war mehr so was, wo ich sag: oh schau, die progressive, emanzipatorische Kraft des Nationalismus, quelle surprise! Dass ich aber um die halbe Welt fahren sollte, für so ein Bild. Jetzt kann man natürlich sagen, die österreichische Herrschaft über die östlichen Nachbarn, das war vielleicht schon was anderes als die japanische Besetzung Koreas, natürlich sind die Rahmenbedingungen da ganz was anderes. Aber aus einer – sagmaramal –tschechischen Perspektive wird man da vielleicht auch leichter eine emanzipatorische Kraft dahinter erkennen. Wie gesagt, was sicher anders ist und weshalb ich mich dem koreanischen Nationalismus näher empfinde, ist, dass er halt nach wie vor ein progressives Ziel verfolgt in der Vereinigung der zwei Hälften Koreas. Und das ist ja etwas, was auf beiden Seiten ein Ziel ist, das – so scheint s mir – die entlang der Kalter-Krieg-Dichotomie gespaltene Politik der beiden Staaten transzendiert. Auf der anderen Seite gibt es in Mitteleuropa kaum ein Land, wo ich aus dem distanzierten (und österreichisch getrübten) Perspektive sagten würde, dass die ein besonders elegantes Verhältnis zum Nationalismus hätten. Serbien, Kroatien, Ungarn, Polen… Und ich mein zuhause ja auch nicht jetzt besonders. Das kann schon sein, dass das damit zu tun hat, dass sich die Fantasie vom eigenen Nationalstaat kaum jemals hat so wirklich umsetzen lassen. Ein Gefühl der Fremdbestimmung vom nächsten abgelöst. Aber ich nehme an, da sind wir auch wieder ein bisschen bei den unterschiedlichen Voraussetzungen.

Manchmal kommen wir einfach zu weit weg vom Boot wieder an die Oberfläche. Aber immerhin ist die Szenerie ja ganz hübsch, durch die ich da strampeln muss.

Währenddessen zieht ein ziemliches Gewitter über den Flughafen von Krabi. Da sind ein paar recht beeindruckende Blitze nah genug eingeschlagen, dass wir den Donner quasi zeitgleich bekommen haben. Umso eindrucksvoller, als die Hauptbeleuchtung ausgefallen ist. Hinter mir sitzt ein spanisches Pärchen, die vorher laut irgendwelche spanischen Talkshows geschaut haben, aber als sie dann beim fünften, sechsten Blitz zum jammern begonnen hat („Ay!“), da hat er dann angefangen psch-psch zu machen. Hab ich mir auch gedacht, das ist schon ein männliches Verhalten.

Und dann war ich in Bangkok. Ja nur auf einen Sprung, nur auf eine Nacht, weil eigentlich bin ich in meiner zweiundfünfzigstündigen Reisebewegung von Ko Lanta nach Eriwan. Aber da ist die erste Übernachtung eben in Bangkok gewesen. Und da komm ich mit meinem letzten Geld, mit meinem vorletzten Geld, vom Flughafen zu meinem Hotel gefahren und dann ist da eine Hallowe’en Veranstaltung. Aber schau mich an, nachdem ich mich ein bisschen hergerichtet hab und kurz am Bett ausgestreckt hab, geh ich tatsächlich runter und unterhalte mich ein bisschen aus dem Hintergrund und dann doch noch mitten am Tisch mit den anderen Gästen.

Da sind dann wieder einmal zwei weiße Südafrikaner und das ist einfach nicht so einfach. Weil die Ding, die damals in Neuseeland begeistert auf Afrikaans geflucht hat, die war gut enthusiastisch über Streetfood und politische Graswurzelbewegungen und so, da konnte ich gut mit. Aber mit den Männern zu reden, die sagen, dass, ja, die Situation ist halt nicht besonders gut in Südafrika, weil sie zur Zeit für alle Stellen nachgereiht werden, weil Schwarze halt bevorzugt eingestellt werden. Ich seh schon ein, dass da eine Generation von SüdafrikanerInnen aufwächst, denen „ihr“ Südafrika in so einem Turnaround zerbröselt und die da eine Suppe serviert bekommen, die ihnen das Leben schwer macht. Oder wie auch immer man das betrachten möchte. Vielleicht ist das aber was, wo wir allesamt mehr hinschauen müssten, weil da offenbar eine weiße Mittelschicht ganz klar ihre Privilegien abgeben muss. Aber so hab ich schnell das Gefühl, ein bisschen in der Brisanz zu tappen, nachdem ich doch nur gefragt habe, warum sie seit drei Wochen im Hostel neben dem Flughafen wohnen. Und sie haben ja auch nicht einmal den Eindruck von Rassisten gemacht, aber das hat vielleicht in einem südafrikanischen Kontext alles ein bisschen eine andere Bedeutung. Ich mein, über die Formulierung opposite colour war ich schon etwas überrascht. Und wenngleich ich da also schnell einmal aufs Nachhaken verzichtet hab, erschien mir das schon sehr als ein Zeichen dafür, dass es da doch noch sehr dichotom zuginge, in der alltäglichen Politik Südafrikas.

Nächster Tag mit der S7 zum Flughafen in Novosibirsk. Das war ganz gemütlich, der längste Flug wahrscheinlich, auf dem ich kein Unterhaltungsprogramm hatte. Nicht einmal so einen Monitor, auf dem man sieht, wo man gerade drüberfliegt. Ich hab dann viel aus dem Fenster geschaut und das war schon aufregend, weil ich kurz nach Start draufgekommen bin, dass wir ja irgendwie über die Himalayas fliegen müssten. Und weil ich nicht genau weiß, wo Novosibirsk liegt hab ich zuerst gedacht, dass ich mich wohl leider auf die falsche Flugzeugseite eingecheckt hätte. Aber dann hatte ich doch ein paar Berge bei mir und dann hatte ich noch mehr Berge und vielleicht war irgendwas davon ja tatsächlich… also irgendwas davon war sicherlich der Himalaya. Und dann sind wir über Wüsten geflogen und das war auch beeindruckend, weil da einfach nur Steppe rumgelegen ist. Bevor ich mich dann wieder meinem Steven King gewidmet hab.

Ja, also… keine Ahnung. Aber viel andere Gebirge gibt s ja nicht am Weg. Wir werden ja nicht über den Mounteverest geflogen sein.

In Novosibirsk stand gleich neben der Tür dann ein bepelzmützter Sicherheitsbeamter, das hat mir schon einmal gut gefallen. Aber was noch etwas schräger war, dass in dem Schlauch, der vom Flugzeug in den -hafen geführt hat, für ein Reisebüro geworben wurde, die sich anextour nennen. Grad für ein russisches Reisebüro ist das irgendwie auch nicht unbrisant. Dann haben sie mich durch eine Passkontrolle geschickt, warum auch immer, da war eine Beamte mit Sternen an den Schultern, die meinen Pass genommen hat und mich dann auf Russisch was gefragt hat, was ich ihr nicht wirklich beantworten konnte. Dann hat sie ein bisschen telefoniert, mich eigentlich nicht mehr angeschaut und ich hab mir nur gedacht, wie sowjet-kafka ich hier verwaltet werde. Wie authentisch! Sie hat dann einen Rückruf bekommen und schnell meinen Pass durchgeblättert und mich nach Russland hineingestempelt. Was ich nicht ganz verstehe, weil ich mich ja eh nur im Transitbereich aufhalten darf ohne Visum. Aber natürlich freu ich mich auch ein bisschen darüber, da einen Stempel hineinbekommen zu haben. Novosibirsk drängt sich doch auf in meine Reiseberichte aufgenommen zu werden und wenn ich nur irgendwo am Flughafen rumlungern werde, beschallt mit Nena (99 Luftballons), Ace of Base (Wheel of Fortune), Cindy Lauper (Girls Just Wanna Have Fun) et al., fein synkopiert mit etwas leiserem Russischpop aus dem Café daneben. Bis sie mich morgen nach Eriwan schupfen.

Wenn FranzösInnen Witze über Deutsche machen

Ein zum Beispiel französischer Handelsreisender kommt in einer deutschen Stadt an und nimmt sich ein Hotel zur Übernachtung. Um elf in der Nacht klingelt das Telefon in der Rezeption. Der Herr Handelsreisende fühlt sich lärmtechnisch belästigt und möchte gerne ein anderes Zimmer. Kein Problem, heißt s von der Rezeption, machen wir sofort.
Aber eine Stunde später ruft der Handelsreisende wieder an der Rezeption an, selbes Problem, bitte anderes Zimmer, kein Problem, wird erledigt.
Stunde später: selbe Sache und der Handelsreisende wechselt sein Zimmer.
Am nächsten Tag stellt sich dem Handelsreisenden beim Frühstück der Hotelmanager vor und entschuldigt sich für die gestörte Nachtruhe. Ja, er habe sich dann einmal damit abgefunden und habe gut geschlafen, aber er sei doch sehr von dem permanenten Eisenbahnverkehr irritiert gewesen.
Wie, sagt der Manager, nein, die Eisenbahn sei keinesfalls in der Nähe des Hotels, er wisse nicht, wodurch sich der Herr Handelsreisende… Aber ganz sicher, unterbricht der Handelsreisende, die ganze Nacht habe er die Eisenbahn vorbeischnaufen hören. Ah, sagt der ihm ein Licht aufgehende Hotelmanager, nein, das sei wohl nicht die Eisenbahn gewesen. Hinter dem Hotel stehe jedoch eine Ziegelsteinmanufaktur und dort reichen die deutschen ArbeiterInnen einander die Ziegelsteine, höflich, begleitet von einem ständigen
Bitteschön-dankeschön-bitteschön-dankeschön-bitteschön-dankeschön…

Cyrill, der Tauchlehrer

…aber keine Euro

Eigentlich ist es erstaunlich, dass das hier Tahiti heißt, würde doch Tahit’ viel französischer klingen. Und sonst klingt alles sehr französisch. Vielleicht ist es einfach das, was mich heute so müde macht. Oder es ist das, dass ich doch jetzt einen Tag hinterher bin und ich den langen dreiundzwanzigsten Juli kaum geschlafen habe. Kaum im Flugzeug, kaum in Auckland, kaum im Flugzeug. Und jetzt hab ich zwar heute vierzehn Stunden geschlafen, aber ich bin trotzdem schon wieder müde wie nix und es ist grad einmal halb acht.

Es war sehr schön bis jetzt, ankommen mit Blumenkranz. Naja, hab ich mir gedacht, aber das lass ich halt einmal mit mir passieren. Immerhin besteht das Empfangskomitee aus europäischstämmigen FranzösInnen in Flip-Flops, das reduziert die Exotik. Der Flughafen ist herzig, ich freu mich über die Schlange für die InhaberInnen von EU-Pässen. In der stehen wir dann mit den Einheimischen, was ich auch finde, dass die Exotik reduziert. Dass mein Immigrationszettel, für den ich mir so viel überlegt habe, mir von dem Beamten schnell einmal abgenommen und ohne ihn Anzusehen oder mir noch weitere Fragen zu stellen abgelegt wird, wird am Abend von meinen MitbewohnerInnen mit, ja, die FranzösInnen, denen ist das wurscht, kommentiert.

Im Haus sind außer mir ein Portugiese, ein halber Belgier und der Rest FranzösInnen. Inklusive der zweiten Hälfte des Belgiers. Es ist gleich ein netter Abend, weil die Gruppe miteinander vertraut ist und, ich würde sagen, dass das auch mitspielt: es sind halt FranzösInnen. Vornehmlich merkt man das daran, dass plötzlich Käse, Würste und Baguette herumgereicht wird, dann wird ein Wein aufgemacht und mehr Wurst. Und getschickt wird, wie ich es seit Indonesien nicht mehr gesehen habe. Ich mein, es ist nicht nur Klischee, was hier bedient wird, es gibt auch Bier und als es später wird, wird noch eine Pizza aufgetaut und es mischt sich dergestalt mir allgemeinem Hostelverhalten.

Und ich sitze dabei und höre zu und es geht so. Ich mein, ich verstehe zirka was geredet wird, wenn ich aufpasse. Ich krieg mit, wenn wo ein Witz erzählt wird, aber ich versteh ihn in der Regel nicht. Es ist interessant, denke ich mir zwischendurch, wie lange man über dasselbe Thema kann. Sowas fallt einem wahrscheinlich mehr auf, wenn man die Details nicht versteht. Dass dann jemand Eeewigkeiten über VeganerInnen und Honigkonsum reden kann. Oder… eines… der… anderen Themen. Ich merke, es ist doch nur wenig hängengeblieben. Ich mein, die Hälfte der Unterhaltung bestand wahrscheinlich eh aus doppelbödige Bemerkungen, über die zuerst minutenlang gekudert wurde, bevor sie unter Soundeffekten und Handbewegungen dem Portugiesen und mir erklärt worden sind. Es gibt scheinbar kaum ein Phonem, das im Französischen nicht sexuell konnotiert ist, das habe ich auf jeden Fall gelernt. Dann wieder werden Kinderlieder angestimmt und ich darf unterbringen, dass ich auch mit Le coq est mort aufgewachsen bin.

Tahiti ist so entspannt, dass die Kirchturmuhren ohne Zeiger auskommen

Dann haben die FranzösInnen sich ans Portugiesischlernen gemacht und bei geh in orsch, weil sowas lernt man, wenn man spontan ein paar Floskeln einer neuen Sprache lernt. Noch dazu scheint das ja in romanischen Sprachen insgesamt eine gebräuchliche Formulierung zu sein, die auch mit einem fuck off übersetzt worden ist, was aber dann letztlich doch auch näher am Ausgangsmaterial ins Portugiesische zu übersetzen war. Jedenfalls wurde in der näheren Analyse der Syntax der Scheinwerfer auf jenen Teil der Formulierung geworfen, der Richtung und Ziel der empfohlenen Bewegung bezeichne, nämlich up the ass. Und das hat die eine nicht sofort verstanden und wiederholt: Up ze aas? Und dann, erfreut darüber, verstanden zu haben, wiederholt hat: Up ze aas! Und ob ihrer unschuldigen Freude über eine eher analytische Erkenntnis, hat dieser Moment das ganze Gespräch um ein vielfaches ordinärer gemacht und der Sprachunterricht hat auch schnell zu einem Ende gefunden.

Und jetzt muss man auch dazu sagen, selbst wenn das jetzt kindisch rüberkommt, das waren keine Teenager, die mit mir Brot und Schmäh geteilt haben. Das sind fertige MedizinerInnen gewesen und ein Tischler und der Portugiese ist seit Europa mit dem Schiff unterwegs über Panama und so. Also durchaus Menschen mit Lebenserfahrung.

Dann hab ich mich hingelegt und hab noch überlegt, noch was zu lesen. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich diese Entscheidung noch bewusst getroffen habe oder ob sich s einfach nicht ausgegangen ist, aber ich bin dann schlagartig eingeschlafen und bin einmal um sechs aufgewacht, als die Hähne zu schreien begonnen haben – umgedreht und weitergeschlafen. Um zehn haben vielleicht einmal Hunde gebellt. Und um zwölf ist es langsam zu warm geworden, um weiterzuschlafen und ich hab mein schwitziges Gesicht aus dem Polster geklaubt und in den Tagesablauf gehievt.

Mit der notwendigen Portion an Adrenalin hat mich die Küchenschabe versorgt, die mir beim Zähneputzen aus dem Abfluss gekrochen ist. Die dürfte, hab ich nachher rekonstruiert, als das In-Wörtern-Denken wieder zurückgekommen ist, von oben in den Abfluss bekrochen sein und nicht wirklich aus dem Kanal gekommen sein. Davor reiß ich auf jeden Fall mal den Wasserhahn auf und dreh in nach links, in einem Versuch die Schabe zu verbrühen… Letztlich hab ich sie einfach mal weggespühlt und diesen Abflussstopper wieder eingesetzt. Brrr. Groß war sie schon, oder vielleicht war das nur, weil ich mit der Zahnbürste in dem Moment so mundfixiert war, dass ich mich so geschreckt und derart geekelt hab.

Danach schlag ich mir eine frisch vom Baum gefallene Maracuja in den Fertigporridge, und hab mit meinem besten Französisch der Christine, zu deren Mittagessen ich mich dazugesetzt hab, versucht zu erklären, woraus Porridge besteht und mich dann noch ein wenig mit dem Portugiesen unterhalten. Der kommt gerade vom Surfen zurück. Oder etwas genauer gesagt hat er nach dem Surfen ein bisschen mit der Haushälterin geflirtet, das heißt, so oder so ist sein muskulöser, braungebrannter Seefahreroberkörper so richtig aufgebufft als er sich zu mir setzt, der ich in mit rotem Kopf und schweißbenetzten T-Shirt im Schatten sitze und Harry Potter (jaja, ich bin jetzt im letzten Band, das hat jetzt bald ein Ende) lese. Quasi seine Antithese erlebe ich einen kleinen Anfall von Identitätskrise. Wir plaudern über das Rumfahren und das Zuhausesein und ich merke, ich streue ein wenig Angeberwörter in meine Erzählung, sage awesome, wenn etwas hübsch war und beschriebe eine angenehme Atmosphäre als mellow, weil er hat sich eine Jazzzigarette gedreht und das ist so ein bisschen ein Kifferwort für gemütlich. Er erzählt von seinen Plänen, davon, in Bali ein Hostel aufzumachen, im ruhigeren Eck, wo er jemanden mit der passenden Immobilie kenne. Das ist aber noch weit hin, sag ich, weil er doch zwischendurch noch Pläne für Neuseeland und Australien hat. Ja, sagt er, aber er findet, das ist gut, die Zukunft mit Plänen auszugestalten, keeps him going. Mhm, sag ich, und versuche einen humorvollen Kommentar darüber zu machen, dass ich jetzt schon seit einigen Jahren versuche, ohne Ziel im Leben zurecht zu kommen. Aber nachdem der Witz verlangt, dass ich ihm widerspreche, scheitere ich an der Pointe, wo ich doch keinesfalls behaupten kann, dass mir das gut getan hätte.

Dann gehe ich zur Marina und schau mir die Boote an. Mei, was haben die Leute Boote. Auf einem Boot steht als Heimathafen Basel drauf und das macht mich ein bisschen kichern. Insgesamt bin ich aber durchaus beeindruckt, in einem Fall fast etwas ehrfürchtig, weil da so viel Boot ist und drei Masten und das ist doch ein ziemliches Bild, selbst wenn da goldene Schnörkel in die weiße… Hülle. Chassis? Wie sagt man zur Außenseite eines Boots? Breitseite. Bug, Rumpf, Heck. Über das Heck hängt auf jeden Fall eine mehrere Quadratmeter große Flagge der britischen Handelsmarine. Wo drei viertel rot sind und nur oben im Eck, wo man sich auf der australischen Flagge der Geschichte und auf der amerikanischen Flagge der politischen Geographie versichern kann, dort oben in der Ecke halt ein Union Jack hängt. Ist, wie ich gerade lerne, halt die Flagge, die sich auch private beziehungsweise zivile Schiffe mit britischer Affiliation dranhängen.

Nachdem ich mir ein bisschen die Boote angeschaut habe, das klare Wasser bewundert und ein bisschen in der Fisch- und Vogelwelt gestöbert habe, setz mich dann ins Restaurant wo die Leute essen gehen, die mit ihrer Yacht nach Tahiti gekommen sind. Ab fünf ist Happy Hour, aber ich trinke bloß schnell ein kleines Bier in der Social Anxiety Hour und grübel ein wenig über das Leben das ich führe, während sich um mich herum mehr und mehr YachtbesitzerInnen in Korbstühlen niederlassen.

Schon wieder Abend. Hier geht die Sonne des 24. Juli endgültig unter, hinter dem Horizont ist schon der 25. Vor dem Horizont ist Mo’orea, die Nachbarinsel von Tahiti.

Auf dem Heimweg hab ich mich dann noch mit einer letzten, etwas konkreteren Krise auseinandersetzen müssen, weil ich, als ich am frühen Nachmittag fröhlich in Richtung Marina losspaziert bin, mir nicht markiert geschweige denn gemerkt habe, wo meine Unterkunft ist. Und das ist mir zwischendurch schon mal eingefallen, dass ich da noch suchen werde müssen, aber ganz der Optimist habe ich mir gedacht, dass das schon werde. Und es wurde ja auch, aber die zehn Minuten, die ich dann im Dunklen die Straße auf und ab gelaufen bin und Abzweigung gesucht hab, sind mir durchaus länger vorgekommen. Ein-, zweimal kurz hab ich mir gedacht, dass ich schon ein Dillo bin. Dann wiederum ist mir auch zweimal Hilfe angeboten worden, nur leider: die Adresse, die ich von meinem Hostel hab, ist nicht die Adresse vom Hostel. Das hat ein junger Mann bestätigt und ich bin so zumindest ein bisschen zum Französischreden gekommen. Und ja, nein, die Adresse, die ich hab, da dürfte die Besitzerin wohnen, das ist den Berg rauf. Aber mit dem Wissen, dass ich nur zwanzig Meter vom Meer wohne (weil da ist einfach dauernd die Brandung bei mir daheim) und die Straße kurz nach meiner Einfahrt eine Kurve landeinwärts macht, konnte ich meine Suche eh schon ganz gut einschränken. Weil dank der Inselgeographie gibt s im Wesentlichen nur die eine Straße, die um die Insel herumführt. Und auf der anderen Seite hatte ich mir den einen Supermarkt gemerkt, also war verlaufen insgesamt nicht wirklich. Was mir nicht gefallen hat, das waren wieder einmal die Hunde. Weil ich hab dann zwei Seitengassen probiert, aus denen ich schnell wieder raus bin, weil die wie blöd gebellt haben. Da war sogar der Zaun und trotzdem, hab ich mir gedacht, nah, probier ich lieber eine andere aus – halt ohne zu wissen, dass es die nicht ist. Aber die dritte war dann ohne Hund und die war s dann auch. Also eh problemlos. Ich bin trotzdem kurz unter die Dusche gesprungen, weil mein Hirn dann doch ein bisschen Erleichterungshormone ausgeschüttet hat, die offensichtlich nebenher ein wenig Schweiß produzieren.

Abendbrandung

Um zwölf aufzustehen und dann trotzdem den ganzen Tag ein bisschen wie im Traum herumlaufen, das ist unerwartet gewesen. Aber was trotz allem ziemlich gut war, dass ich französisch rede. Ich mein, es ist holprig und manchmal fehlt ein essenzielles Vokabel. Aber im Großen und Ganzen verwende ich Verbformen wie sie mir in den Sinn kommen, also wie sie sich richtig anfühlen. So wo der Kommunikationsaspekt dann wichtiger ist als die Korrektheit. Und das ist ein ziemlicher Schritt.

Gewöhnungsbedürfnisse

Ich hab letztens festgestellt, dass ich jetzt endlich die Autos von dort erwarte von wo sie kommen. Oder eben nicht und mich über die Straße gehen lassen. In Sydney gibt s Bodenbeschriftungen, wie ich sie in London auch in Erinnerung hab, die einem sagen, wo man schauen soll, wenn man über die Straße will und sie überraschen mich nicht. Nach einem halben Jahr in Australien, Neuseeland und Indonesien, wo sie überall auf der linken Seite fahren, hab ich s endlich in der Intuition, dass ich richtig schau. Selbst mitten auf der Straße, auch wenn das manchmal unübersichtlich ist, schau ich tendenziell auf die richtigen Fahrbahnen. Was ich schon mache, ist, dass ich manchmal zum Beispiel zuerst nach links schau, als ob von dort der früheste potenzielle Kollidor heranbrausen würde, aber dann schau ich auf die andere Fahrspur, also auf die weiter entfernte.

Das ist jetzt vielleicht nicht super interessant gewesen. Aber seit einer Woche denke ich jedes Mal, wenn ich über die Straße gehe, dass ich das jetzt intus hab und jetzt muss es einmal raus.

Auf der anderen Seite merke ich mehr denn je, dass ich immer noch Probleme hab, die Leute, nämlich die AustralierInnen in der einfachsten Alltagskommunikation zu verstehen. Also schon den Großteil. Mir fällt das… aber das führt jetzt schon ins Nächste. Also, wie gesagt: schon das meiste, ja, ja. Aber dann sagen sie zwischendurch ein Wort und das versteh ich nicht und manchmal kann man dann den ganzen Satz kübeln. So zum Beispiel am Flughafen in Hobart, als mich die Frau beim Einchecken fragt, whether I wanted a seat at the exit. Ja, witzig, gell, sollte man glauben, der Satz wäre nicht zu schwer und nicht einmal besonders überraschend im Kontext. Aber wenn ich da irgendwo das Wort Sydney drin verstehe, dann passen die anderen Laute nicht mehr in die Worte, zu denen sie eigentlich gehören und dann stehe süß lächelnd da und frage leise sorry.

Und das ist ja gleich der nächste Punkt, von wegen Gewöhnungsbedürfnisse: Die Damen und Herren in den britisch kolonisierten Ländern des fernen Südens sagen ja alle brav, wie wir s in der Schule gelernt und nie wirklich verwendet haben pardon wenn sie was nicht verstanden haben. Es ist ja eigentlich nicht so, dass ich Sachen, die ich in der Schule gelernt hab nicht auch brav bis zum heutigen Tag an- und verwenden würde. Und ich hatte sogar eine Phase, in der ich mich der leidigen sorries entledigen wollte und auch im deutschsprachigen Alltag lieber einmal pardon gesagt hab, aber halt weniger ein britisches paard’n eher ein französisches p’rdoo. Aber hier werde ich regelmäßig von unerwarteten pardon Äußerungen überrascht, weil ich s einfach von Mal zu Mal vergesse.

Na und weil ich s oben angerissen hab: Ich bemüh mich ja schon um Französisch. Aber das ist mehr das worauf das hinausgeführt hätte, weil angerissen hab ich vielmehr, dass ich zwar AustralierInnen im Großen und Ganzen schon versteh, wen ich gar nicht verstehe, dass sind FranzösInnen. Und es ist wirklich erstaunlich, weil immerhin ist das auch etwas, was ich in der Schule gelernt hab und ich mein, nicht dass ich irre gut war, aber zumindest im Verstehen und Vokabular und so, das ist prinzipiell… Ich will sagen, ich tu mir de facto leichter, ItalienerInnen zu verstehen. Weil denen versteh ich manchmal Wörter, die sie sagen, ich verstehe aber vor allem die Melodie eher, eher Satzstrukturen und Stimmungen. Ich hab in der Regel keine Ahnung, was FranzösInnen neben mir reden. Es ist bedrückend, aber ich kann die Sprache überhaupt nicht fassen. Und das ist schade, weil ich hab da ja durchaus ein Faible für, für das Französische. Das ist insbesondere beachtenswert, als mir schnell einmal eine Gänsehaut passiert, wenn mir sonst jemand mit nationalem Gschistigschasti kommt. Und hier konstruiere ich freudig einen nationalen Idealtypus, und dann diagnostizier ich mir auch noch einen Mangel an dem, was ich mir als konstituierend für das französisches Ego zurechtlege: Anspruch, Entschlossenheit, Selbstverständlichkeit, Widerstand und Revolution. Aber ja, ich nehme an, deshalb fahr ich da jetzt hin, also zumindest sprachlich wird Tahiti da ein bisschen eine Herausforderung werden, eine Herausforderung, auf die ich mich aber gerne einlasse. Und he: Tahiti.

Woran ich mich abschließend relativ schnell gewöhnt hab, wie man Sidney Sydney schreibt.