Quiet, quiet…

Ab und zu kommt jemand daher und prägt eine Phrase oder ein Wort und so kommt mir jedes Mal, wirklich jedes Mal, wenn mir dann die Lautfolge ins Ohr fährt, kommt mir dies ganze Szenerie in den Sinn. Das kommt nicht oft vor. Ich mein, Leute, die mit mir Zeit verbringen haben wahrscheinlich mich schon einmal feststellen gehört, dass „es da einen Sketch gäbe“, aber das ist meistens nur eine Assoziation, die durch ein Thema, einen Sachverhalt geweckt wird. Aber so wirklich eindringlich ist das einem Buben aus dem West Los Angeles Children’s Choir gelungen, der hier zirka bei Sekunde 78 sein Solo hat. Ich mein, das ganze Set-Up ist großartig und liebenswert, dass sich so viele Leute, so ernsthaft einer derartigen Spielerei hingeben, das gehört für mich zum Bewundernswertesten, was das Internet so zu bieten hat.

An die Björk denḱ ich dann eher schon bewusst, das ist mehr Wissen, als dass es in meinem Kopf so wirklich als ein greifbares Packerl bestehen würde, das jedes Mal aus der Quiet-Schublade fällt, wenn ich sie aufmache.

Melbourne III: The Quiet Days

Ich bin jetzt schon wieder… Wahnsinn, die Zeit vergeht. Dabei ist alles ein bisschen auf Stillstand. Draußen ist s kalt und oft regnet s und stürmt s auch noch. Aber ich hab mich zumindest gesundheitlich erholt, mein Kopf ist schon wieder lange frei von Schleim und Rotz – das sind schon ziemliche Erfolge. Der dumpfe Kopf, die relative Taubheit gegenüber meinen Mitmenschen und das Gefühl, auch stets nur in der Lage zu sein, ihnen ebenso behäbig antworten zu können… Aber trotzdem bin ich nach wie vor nicht so richtig in Melbourne angekommen, im Gegenteil verkriech ich mich ein bisschen in der Gemütlichkeit des Eigenheims. Vielleicht hat mich die Krankheit geprägt, als ich mich nur zwischen Bett und Couch bewegt hab. Oder es handelt sich um Faulheit, mit der ich der einstündigen Odyssee eher vermeide, auf die ich mich machen muss, um in die Stadt zu kommen. Und nachdem ich daheim ein flottes Internet hab und mehr noch die Möglichkeit, The Wire endlich einmal nachzuholen, dann ist es verführerisch, mich weiterhin mit meinem Tee auf der Couch einzuwickeln. Immerhin bin ich von meinem Ingweraufguss wieder zu proper tea gewechselt. Und Milch steht im Zwei-Liter-Kanister im Kühlschrank, also auch hier quasi im Idealzustand eingependelt.

Im Übrigen hab ich mir noch am ersten Tag einen Sauerteig angerichtet, also ein Mehl mit einem Wasser an die Luft gestellt. Und jetzt mach ich schon mein eigenes Brot damit. Ich hab das immer ein bisschen belächelt, wenn mir FreundInnen, die sich für längere Zeit im Ausland eingerichtet haben, des fehlenden Brotes wegen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und metertief in die Geldtasche greifen, um einmal was anständig gebacken zu bekommen. Das erschien mir stets als einfaches Problem, also es erschien mir eine einfache Lösung für ein mitteltragisches Problem zu geben. Jetzt, zugegeben, zwei der drei Zutaten, die ein Brot braucht – Mehl, Wasser, Salz –hab ich in meinem Supermarkt mit den zehntausenden Produkten nicht ohne weiteres bekommen. Also Weizen- statt Roggenmehl gefunden und die Hausbrotgewürzmischung hab ich auch mit einer Handvoll Fenchelsamen und einem Löffel Selleriesalz ersetzt. Beim ersten Versuch hab ich ein bisschen zu tief in den Kümmel gegriffen, auf den hab ich in den Folgeversuchen erst einmal verzichtet. Allerdings es ist von der Konsistenz und vom Rhythmus und so insgesamt ganz gut gelungen, nein, zähle ich durchaus als Erfolg. Jetzt hab ich schon an Kimchi und Gingerbeer gedacht, weil es sind ja noch einige Wochen, da geht sich schon was aus, mit der Gärung…

Schaut hübsch aus, die Nummer eins. Ist mir leider verkümmelt.

Aber ja, das sind meine ersten Go-tos, wenn ich das Gefühl habe, irgendwo einmal etwas mehr daheim zu sein, einige Zeit zu verbringen. Da hol ich mir sofort die Hefekulturen ins Haus.

Sonst ist auch nicht so viel. Ich geh mal im Park spazieren und schau den hübschen Enten (Anas superciliosa) am Merri Creek zu, wie sie die nachmittäglichen Sonnenstrahlen genießen. Ich fahr doch mal ins CBD, in den Zentralen Business Bezirk, und geh dort zum Chinesen auf ein gekochtes Huhn oder auf eine kleine Stadtpromenade mit Schaufensterbummel. Aber auch wenn dort die Action ist und sich die Leute vor den Zebrastreifen stauen, so aufregend ist das dort in Wahrheit auch nicht. Sonst geh ich im coolen Eck der Stadt mal mit V. und der Partie was trinken, letztes Wochenende dann sogar auf ein Konzert, wo erst Gordon Koang auf einer Art Banjo semi-traditionelles aus dem Süd-Sudan gespielt hat, gefolgt von Sweet Whirl, die über eine Smiths-ige Gitarre ihre Lyrik gesungen hat. Und manchmal erwisch ich am Nachmittag immer noch eine Folge Star Trek.

Interessant find ich im Fernsehen übrigens auch die Werbung… so viel Werbung im Fernsehen, es ist unglaublich. Total viel Werbung für Autos und unerwartet viel Werbung für Lebensversicherungen. Was auch spannend ist, weil ist ja ein bisschen ein sensibles Thema. Um ehrlich zu sein, ich bin mir nicht ganz sicher, ob das nicht vielleicht immer die gleiche Firma ist, die da ihre Versicherung anbietet. Und Hotelvergleichsportale. Das ist so, wofür ich alle zehn Minuten meinen Jean-Luc unterbrochen bekomme. Und weil ich merke, dass ich mir in den letzten Wochen dazu doch eine Handvoll zu viele Gedanken gemacht hab, hier meine Lieblingswerbungen:

Auf dem dritten Platz ist eine Werbung für Suzuki. Es scheint wichtig, jetzt before the end of financial year ein neues Auto zu kaufen, damit werden andauernd Autos beworben. Es ist anzunehmen, dass man das dann von der Steuer absetzen kann oder was in der Art. Ich bin auch schon gespannt, ob sich das mit Ende Juni dann schlagartig ändern oder einfach durch einen anderen Grund ersetzt werden wird. Ich hab jetzt aber wirklich lange nach ihr gesucht und das Video nicht gefunden. Es gibt eine Reihe andere Werbungen, dass ich mir die Frage stell, ob sie die eine absichtlich zurückhalten. Immerhin hab ich jetzt einige Suzukiwerbungen gesehen. Und ich finde die insgesamt nicht uncharmant.

Zweitplatziert hab ich einen Spot, der für Hilfe-beim-Renovieren-der-Küche-Annehmen wirbt. Der ist einfach und prägnant und ich mag den Slogan am Ende irgendwie. Ich mag auch die unaufgeregte Interaktion zwischen Frau und Mann, und ich mag, dass er nach nicht einmal zwanzig Sekunden auch schon wieder vorbei ist.

Aber die Nummer eins ist eine Werbung für so ein Konzept, wo man quasi ein Abonnement auf Essen abschließt, das mit Rezept und alles geliefert wird, damit man jeden Tag was anderes kochen kann und immer die Zutaten für alle diese Innovationen bei der Hand hat. Und einerseits hab ich einfach eeeewig gebraucht, bis ich Spag Bol verstanden habe, bis ich gemerkt habe, dass das eine Abkürzung ist. Und dann bin ich natürlich stolz, was verstanden zu haben. Aber ich liebe einfach die Frau und das Kind und ihr erschöpftes ugh!, insbesondere in der beschleunigten Montage. Ich mein, nein, ich find das ein furchtbares Konzept, dass sich die Leute ihren Einkauf mit der Post kommen lassen und ich frag mich wie lange das im Schnitt anhält, dass man sich wirklich dauernd an die Rezepte macht. Wie lange das dauert bis so ein Fitnesszentrumseffekt einsetzt und das ganze inoffiziell einfach verwässert, während das Abonnement noch bestehen bleibt.

Hier noch ein Foto vom nahen Merri Creek, an dem s hübsch eine Runde zu gehen ist. Ich hab hier eine Zeit lang mit den Einstellungen experimentiert, um gegen die Sonne zu fotografieren.

Letztlich ist immer was zu tun, grad so, dass ich nicht wirklich dazu komm, mir zu überlegen, wie ich weitermachen will im Leben. Was eine eventuelle Rückkehr nach Wien, nach Europa für mich bedeuten kann, was ich gerne machen will, was ich mir wünsch und was ich mir vorstellen kann. Nicht, dass das jetzt gleich ins Haus stehen würde. Was ich so höre, ist es wettermäßig dort auch nicht der Renner gerade, was dem einen der Winter ist den anderen die frühsommerliche Hitzewelle. Aber ein bisschen war schon immer gedacht, dass ich in der Fremde auch zum Nachdenken komme. Alles nicht so einfach, denn zum Grübeln komm ich auch am anderen Ende der Welt, merke ich. Oder ist es sogar mehr ein Brüten, weil „[f]ür echtes Grübeln ist es […] typisch, daß es gar nichts Konkretes gibt, über das man grübelt“ (Komm, süßer Tod). Hingegen schaut es ja so aus, „[d]aß du über alles gleichzeitig nachbrüten kannst. […] Weil beim Brüten kannst du es dir ja nicht aussuchen, über was du brütest. Das ist anders als zum Beispiel beim Denken, wo du es dir ein bißchen aussuchen kannst“ (Silentium!). Insofern brüte ich vielleicht ein bisschen über die Problemstellungen, aber komm bei Lösungsansätzen mehr ins Grübeln.

Krankenstand

Hat s mich gleich erwischt. Es ist nämlich ziemlich herbstlich geworden in Melbourne seit ich das letzte Mal hier gewesen bin. Als ich ankomm nieselt es vor sich hin, die MelbournerInnen tragen Mützen und Handschuhe. Da lach ich noch drüber.

Insgesamt lauft alles super. Also, naja. Aufgefallen ist mir schon gleich einmal, dass die ersten zwei Leute, mit denen ich geredet hab, mich gleich einmal nicht verstanden haben: die eine am Zoll und die nächste im Café. Ich mein, nicht, dass ich mich gar nicht hätte verständigen können, aber vielleicht hat meine Art, fröhlich vor mich hinzureden, die ich mir in Indonesien angewöhnt hab, weil ich mich dort ja gar nicht erst besonders auf die verbale Ebene verlassen hab, vielleicht ist das mit den Native Speakern weniger erfolgversprechend. Das war ein bisschen irritierend und hat mir von meinem Elan genommen, aber ich mein, ich hab s trotzdem geschafft, Kaffee zu bestellen. Nur geschmeckt hat er nicht. Und den Zoll beherrsche ich mittlerweile, quasi Westentasche. Pflanzenteile: sicher, ich trage ja Tee hin und her. Und ich geb immer noch brav meine dreckigen Schuhe an, weil so ganz gehen Urwaldschlamm und Vulkandreck auch nicht raus. Aber sind sie relativ sauber, fragt sie mich? Ja, sag ich, relativ sauber. Da, gradeaus, ab zum Ausgang.

Ich mein, der mittlere Abfall zwischen April und Mai ist wirklich nicht enorm, selbst zwischen April und Juni sind s keine zehn Grad.

Dann hab ich die J. quasi abgeklatscht bei ihr zuhause, schnell noch gemeinsam zu den Mistküblen, damit ich die auch finde, muss ich mal meinen Mist wegbringen, und dann eigentlich schon verabschiedet und hier sind die Schlüssel, viel Spaß, guten Flug, viel Vergnügen. Jetzt ist mir schon langsam die Kälte in die Knochen gekrochen und das wäre gar nicht so schlimm gewesen, weil ich mich bald mit Tee und Decken auf der Couch eingerichtet hab. Aber ich hab gemerkt dass nach einem Monat in Indonesien, inklusive Street Food und was nicht alles, nach einem Monat Indonesien ist es das Essen von der Mailayischen Fluglinie, dass mir die Flora zusammenhaut. Es ist ja so, dass man das schon merkt, ab und zu, beim Essen. So ein: hm, das bekommt mir vielleicht jetzt gar nicht so gut. Es schmeckt einfach weniger, als es schmecken könnte – nay: schmecken sollte.

Am nächsten Morgen war s dann fix, dass ich, körperlich angeschlagen durch die Neudekoration meiner Darmwände, mir in den herrschenden Temperaturen eine Verkühlung eingefangen hatte. Na und was man so tut, hab ich mir das erst einmal versucht mit Tee auszukurieren. Zwei Tage später sagt mir die Apothekerin in der Apotheke, dass sie mir da ein paar Antibiotika geben würde, das klinge gar nicht besonders gut, was ich ihr da zu erzählen hätte. Sie entlässt mich aber auch vorerst mit einem Spray für den Hals. Das sei das stärkste, was sie so habe. Und kein Wunder eigentlich, stelle ich später im Supermarkt fest, weil literally alles, was sie so hat, hat s dort auch, zwischen Erdäpfeln, Zitronen und Frühstücksflocken. Der Höhepunkt des Erstaunens ist für mich aber, dass Sellerie fünf Dollar pro Stück kostet und sich dabei auch noch anfühlt wie schon zwei Wochen im Kühlschrank rumgekugelt. Mach ich mir meine Suppen halt ohne.

So hab ich jetzt eine Woche mit Tee, Suppe und Thermophor verbracht und bin, wie halt normal, quasi ausgeheilt. Ich hust noch und mein Taschentuchbedarf ist wohl auch noch nicht ganz über den Zenit, aber ja, was man halt als gesund empfindet, wenn man sich schon ein paar Tage gefragt hat, ob das jemals wieder wird.

Symbolfoto. Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich J.s Wärmflasche gefunden hab, bis dahin hatte ich dann schon eine eigene. Ich bin noch auf der Suche nach den Geschirrtüchern.

Zuerst hab ich mir schon gedacht, wie praktisch, dass ich mich wenigstens ganz für mich hab und zurückziehen kann. Dass ich Couch und Fernseher hab und um zwei kommt eine Folge Sliders und um vier spielt s Star Trek TNG und dann noch eine Folge Voyager. Abgesehen von den vielen guten Filmen und Serien, die J. auf DVD rumstehen hat. Also ja, paradiesisch für eine Woche krank sein. Auf der anderen Seite merke ich, dass ich von der sozialen Isolation schon auch gleich wieder angeschlagen bin und insgesamt fühlt es sich ein bisschen nach Zuviel-des-Guten an. Und den Enthusiasmus, in dem ich noch aus Jakarta aufgebrochen bin, ist in einer Woche Krankenstand ein bisschen verkümmert.

Aber ja, es geht. Ich lese immer noch Harry Potter, da hab ich mir ganz schön was angetan mit dem Vorsatz. Weil ich finde auch, dass die gar nicht so gut sind. Vielleicht… also, nein, mit Sicherheit gehe ich falsch an die Bücher heran. Weil es sind Kinderbücher und sie stehen in einer netten britischen Tradition, ich sag jetzt mal Roal Dahl, wo alles in einer überzeichneten Welt passiert, eine Welt, wie sie vielleicht aus einer kindlichen Perspektive sein könnte, wo die Bösen böse sind und die Guten, naja, zumindest besser. Eine Welt in der Erwachsene oft boshaft und gemein zu Kindern sind und wo insgesamt keine großen Überlegungen über die großen Strukturen angestellt werden. Zumindest hat das so angefangen, jetzt hat sich die J. K. Rowling für die späteren Bücher mehr und für die Ergänzungen seit der Harry Potter Serie noch mehr angetan, um hier eine weltweite Welt zu entwerfen. Auch sind die Filme in einem überaus realistischen Stil verfilmt und überhaupt ist dem Ganzen der hyperbolische Anstrich der ersten Bände weitgehend genommen. Aber für eine realistische Welt klingt das alles furchtbar, wie sich die Damen und Herren Hexen und Zauberer sich ihre Wide-wide-wie-Welt gestalten: Kapitalismus und Nationalstaat, aber weder Bürokratie noch Rechtsstaat funktionieren ansatzweise. Und über so was ärger mich mich dann beim Lesen. Aber zugegebenerweise bin ich erst im vierten Band und ich hab vieles vergessen und je später (und dicker) die Bände sind, desto mehr hab ich damals scheinbar gar nicht so viel mitgenommen.

Einen kurzen Ausflug ins Internet später hab ich auch schon einen Stapel Papers, die ich mir zur ergänzenden Lektüre erst einmal abgelegt hab… In dem angeführten Band gibt s zum Beispiel „From Sexist to (sort-of) Feminist: Representations of Gender in the Harry Potter Series“. Das „to“ klingt ein bisschen danach, dass ich mir bis zum siebten Band nicht durchgehend die Haare raufen werde müssen?

Sonst back ich ein Brot, wenn s wahr ist. Das dauert halt ein bisschen. Aber was ich nicht mach, sind mir Gedanken. Weder nach vorne noch nach hinten. Ich schlaf jetzt einfach mal meine Verkühlung aus und irgendwie fühlt sich das unangenehm widerständig an, so gar nichts zu tun. Ein bisschen hat mich diese westliche Welt und Logik schon wieder eingefangen, noch bevor ich so wirklich über die Unterschiede zum Nachdenken gekommen bin, die mir den Alltag in Indonesien manchmal leichter gemacht haben. Aber zum Nachdenken hab ich derweil noch zu viel Rotz im Kopf.