Selamat Waisak

Am Samstag um drei Uhr aufstehen um einen Sonnenaufgang anzuschauen – das ist etwas, was man im Urlaub macht. Das passiert einem sonst nicht, nicht wenn man allein ist. Am Freitag bin ich dafür auf einen Sprung in so einem Geschäft gewesen. Mein Hotel ist zwar super gelobt worden dafür, wie viel Unterstützung man vom Besitzer für Planungen und für Ausflüge bekommt, aber weil grad nicht so Saison ist, war meistens nur einer, der darauf aufpasst, dass die Wasserlieferung im richtigen Gebäude ankommt. Ich bin also hier in der Nebenstraße dann in eine Tourismusinformation gegangen. Das ist ja auch interessant, dass das bei uns ein Qualitätssiegel hat, quasi: was offizielles. Und da bekommt man dann eben das. Aber hier schreibt sich das natürlich jede auf die Tür, die Programme für AusländerInnen parat hält. Also, wenn man zum Beispiel Ausflüge und Touren zu verkaufen hat. Beim Spazierengehen in den Tagen davor hab ich schon immer einmal Ausschau gehalten und dabei eine entdeckt, die mir sympathisch gewirkt hat und da bin ich dann also hin.

Dort hab ich als erstes gelernt, dass Waisak schon am Samstag gefeiert wird und zwar in den Sonntag hinein. Waisak, das hat mir noch L. gesagt, was ich für ein Glück hätte, weil da eben gerade dieses Fest gefeiert werden würde, wenn ich in Yogyakarta (Jogja) bin, irgendwas mit BuddhistInnen und Laternen. Natürlich hab ich mir eine Reihe von Nonnen und Mönchen vorgestellt, die Ich gehe mit meiner Laterne singen. Tatsächlich wird der Geburts-, Todes- und oder aber vor allem der Erleuchtungstag Buddhas gefeiert. Und dazu schreiben wir Wünsche auf Lampions, die wir dann in den Himmel steigen lassen. Ich weiß nicht, ob die Nonnen und Mönche das auch machen, aber das machen wir, die wir noch stärker im Weltlichen verhaftetet sind. Und ich hab mich gefragt, wer denn diese Wünsche liest – weil natürlich mit meinem kulturellen Hintergrund ist Wünsche formulieren und Hoffnung darauf haben, dass man diese Wünsche erfüllt bekommt sehr nah bei einander. Quasi dasselbe. Aber jetzt denk ich mir, vielleicht ist es eher was mit loslassen und die Wünsche gehen lassen. Dann hätte ich natürlich total die falschen Sachen draufgeschrieben…

Nun, ich hatte gedacht, Waisak sei erst am Sonntag. Was es ja auch ist, aber man feiert wohl hinein, nachdem es sich um eine Nacht-Sache handelt mit den Lampions und so. Als nächstes hab ich dann erfahren, dass der Ausflug, der mich das Fest nach Borobudur bringt, mich abends hinbringt und der Tempel selbst für die Zeremonie gesperrt ist. Na bravo. Also erst einmal: wie komm ich nach Borobudur und nach Prambanan, damit ich die Tempel tatsächlich anschauen kann. Im zweiten gibt s außerdem ein, aber nur Samstag, Dienstag und Donnerstag… Und wie schaut s aus mit den Ausflügen zum Vulkan. Und zum anderen Vulkan?

Ich bin lange in der Tourismusinformation gesessen. Aber es war nett, ich hatte eine nette Unterhaltung mit den TourismusinformantInnen und das hat ein bisschen geholfen, dass ich diese ganzen Überlegungen nicht nur im Kopf durchführen musste, sondern ein bisschen drüber reden konnte um meine Optionen abzuwägen. Allein Entscheidungen treffen, wo die Kosten plötzlich in den Millionenbereich schießen… das muss ich nicht haben. Aber natürlich, der Nachteil, wenn man sich diese Sachen mit Leuten durchdenkt, die einem diese Sachen auch verkaufen wollen: Ich hab dann einfach alles genommen und mich für beide Touren entschieden: Tempel und Tempel und dann nochmal den Tempel am Abend mit Lampions. Ja, ich mein, rechnet man s runter sind s ja trotzdem nur sechzig Euro, das ist e ok.

Eine von diesen Seitenstraßen in Yogyakarta

Das ist insgesamt ein Problem, weil man ja gewohnt ist, ein bisschen knausrig zu sein, einfach aus Prinzip. Und dann hat der Taxifahrer gestern mit Hundeaugen gesagt, er kann mir keine zweitausend auf meine zwanzigtausend rausgeben. Und ich denk mir, du Hund! und ärger mich darüber, hier beschissen zu werden. Vielleicht ist es auch mehr das, dass es unangenehm ist, betrogen zu werden. Aber dann denkt man drüber nach und irgendwie ist es sofort etwas beschämend, für zwölf Cents doch etwas aufgewühlt zu sein. Das ist wahrscheinlich eine ganz gute Übung für den Umgang mit Geld allgemein.

Auf jeden Fall werde ich für das Geld von daheim abgeholt, zum Sonnenaufgang geführt, und darauf geschaut, dass ich nicht nur Borobudur – zu dem ich schon weiß, dass es um dreißigtausend auch einen öffentlichen Bus gibt – sondern auch Prambanan zu sehen bekomme, ist auch. Und Waisak von mittendrin erleben und alles das. Und zwischendurch sitz ich dafür etwa – warte einmal – neun Stunden im Bus. Natürlich, sag ich, natürlich machen wir das. Und dann nehm ich mir die Broschüre bitte noch mit, weil vielleicht will ich ja doch noch das blaue Feuer anschauen (nur in Java und in Irland – wird vielleicht eher Irland werden), dass dabei entsteht, wenn irgendwas mit Schwefel brennt unter irgendwelchen bestimmen Umständen. Die Vulkane sind, nun, der Bromo, der ist zugesperrt, weil da weiß man nicht so genau. Der raucht seit zwei Wochen, Touristen dürfen zehn Kilometer ran. Wenn das so gesagt wird, hab ich immer den Eindruck, dass da noch einige Einheimische dabei sind, die nach wie vor an den Hängen wohnen. Und der Mount Merapi der ist sowieso seit Jahren eigentlich gesperrt. Kann man trotzdem raufgehen, aber mit Guide und dauert wohl zwei Tage für rauf und runter. Skip.

Also steh ich auf um drei in der Früh. Es ist ein bisschen später geworden als gehofft mit dem Hinlegen, weil ich noch im Computer rumgetippt hab und dann hat der mal wieder das gemacht, wo er sagt, tut mir leid, ich hab null Bytes frei auf der Festplatte und wenn du was löschst, dann ist mir das egal, mach ich keinen Speicherplatz frei oder den freien Speicherplatz sofort wieder voll – kommt ja auf s selbe raus. Was machen wir denn da, ich kann nix speichern, nix auslagern, ich stürz jetzt einfach mal ab und beim Neustarten lass ich dich dann nicht mehr ins Betriebssystem hinein, weil dafür brauch ich auch irgendeinen Cache oder was, den ich nicht anlegen kann. Und dafür brauch ich dann zwei Stunden, dass ich das wieder fixe. Addio, Rocky I-IV, ihr habt mir dann doch noch Speicherplatz freigemacht. Na, war s auch halb zwölf.

Nach den dreieinhalb Stunden Schlaf steh ich also auf und setz mich ins Auto hinten rein. Ich hab einen schönen Rucksack gepackt mit Jause und Jacke und Kapperl und Sonnencreme. (Die Sonnencreme – by the way – ist mir unlängst im Rucksack ausgeronnen, war aber kein größeres Malheur.) Wir fahren noch ein bisschen in Jogja herum, ein paar Leute abholen, ein paar NiederländerInnen, immer diese NiederländerInnen, ein paar Deutsche. München. Das ist wohl auch so eine Stadt, wo man die Stadt sagt, wenn man gefragt wird, wo man herkommt. Oh ja, zwei FranzösInnen waren auch dabei. Und zwei – sorry – AsiatInnen. Ich stell mich hier nicht hin und sag mit irgendeinem Quantum an Selbstsicherheit: das waren ChinesInnen, wie ich das in Australien gemacht habe. Dafür ist hier zu viel los. Und es ist nur fair, dass beim Waisakfest am Abend die Mistress of Ceremony gefragt hat, ob Leute aus Indien da sind? Jaaaa! und aus China? Jaaaaa! Japan? Jaaaaa! Australien? Jaaa! Und dann Europa einfach als Europa? zusammengefasst hat. Man ist schon irgendwo anders unterwegs im Kopf, wenn man aus Europa kommt. Da vergisst man manchmal schon, dass es sehr viele andere Leute gibt.

Den Sonnenaufgang selbst kann man ja nicht hören, aber hier ruft ein Muezzin möglicherweise zum Morgengebet und/oder dazu auf, mit dem Frühstück aufzuhören. Außerdem Grillen und ein früh aufgestandener Aufkehrer.

Aber ja, wo war ich? Im Bus. Im Bus Richtung Westen, halb vier. Um dreiviertel fünf stehen wir in Borobudur. Und ich weiß, ich hab nicht den Sonnenaufgang im Tempel gekauft, weil sie mir gesagt haben, das geht nicht für eine Person beziehungsweise schon, aber dafür schicken sie kein Auto, ich müssert hinten auf einem Moped sitzen für die eineinhalb Stunden raus und die eineinhalb Stunden zurück. Insofern, thank you m’am. Aber jetzt um zehn vor fünf steigen alle aus nur ich krieg ein Not you vom Fahrer. Not me, then. Ich werde nämlich auf einen Hügel geführt, der eine Aussichtsplattform ist und der es geschafft hat, Eintritt dafür zu verlangen, dass man in die Richtung von Borobudur schauen kann und die Sonne mehr oder weniger dahinter aufgeht. Ich solle nicht glauben, dass ich von dort die ganzen Details des Tempels erkennen werde, haben sie schon zu mir in der Tourismusinformation gesagt. Nachdem meine Kenntnis des Tempels überhaupt minimal ist, hab ich ihn gar nicht so recht entdeckt von meiner Aussichtsplattform. Aber immerhin bin ich um fünf der erste und nehm mir den Sitzplatz, den mir der Standorterklärer nahelegt. Und der Sonnenaufgang ist tatsächlich sehr schön. Die Sonne geht weniger hinter dem Tempel auf, oder was ich, als es heller wird vermute, dass der Tempel sein könnte, sondern hinter dem Mount Merapi, was e super ist. Mit dem Fernglas (!) sehe ich (glaube ich zu sehen), dass Rauch aus dem Krater aufsteigt und auch an manchen Stellen der Hänge sehe ich Schwaden in den Morgenhimmel aufsteigen. Kann auch einfach ein Morgennebel oder so was gewesen sein, aber tatsächlich ist der ganz gut aktiv. Und die gute Venus tut ihrem Namen total die Ehre und rast ebenfalls über Merapi hinaus in den Himmel. Wohl: rast, so schnell ist die auch schon wieder in den Wolken verschwunden. Und natürlich im vermehrten Tageslicht.

Ich mein, ich hab die Einstellungen in meiner Kamera-App eindeutig nicht gut unter Kontrolle. Wenn ich an dem Tag was gelernt hab, dann auf jeden Fall, dass ein Telefon als Fotoapparat seine Grenzen hat. Trotzdem schön: Venus über Vulkan.

Es ist schön, weil es so Klischeebilder vom Regenwald erzeugt, der im Morgennebel steht. Ich glaub ja, am glücklichsten sind wir, die UrlauberInnen, wenn wir Fotos von Dingen machen können, die den Fotos, die wir von den Dingen bereits einmal gesehen haben, möglichst ähnlich sind. Anders lässt es sich nicht erklären, dass ich unlängst dutzende Fotos von Reihern gemacht habe, die auf den Schultern von Wasserbüffeln balancieren, die ihrerseits im Reisfeld stehen. Und an diesem Samstag habe ich mehr als zweihundert Fotos von Tempeln und Regenwald im Morgendunst gemacht. Zurückgehalten habe ich mich bei den betenden BuddhistInnen in ihren orangen Roben. Das ist auch so Klischee und die Nonnen und Mönchen stört das auch nicht wirklich, auf jeden Fall haben da ein paar Leute wie wild geklickert, von so zwei Handlang entfernt, als der eine Mönch in Borobudur eine Stupa angefasst hat. Das ist auch so Klischee, aber mir zu viel. Das bekopftuchte Mädchen, die mit vor zwei Wochen lachend auf ihrem Pferd entgegengekommen ist, da hab ich mir auch gedacht, das wär schon ein Foto wert gewesen, irgendwie. Auch wenn s halt ultra-klischee ist, aber so lernt man s halt bei der World Press Photo.

Classic morgendlicher Urwald

Aber ja, alles nicht so einfach. Wenn man so einem Sonnenaufgang zuschaut kommt man halt manchmal ein bisschen ins Nachdenken. Oft weiß man ja gar nicht, was man tun soll mit so etwas einfachem, so etwas alltäglichem. Wie man dem die Bedeutung verleiht, die man ihm ja bereits gegeben hat, indem man um drei in der Früh aus dem Bett gestiegen ist. Am besten noch ein paar Fotos machen.

Um sechs herum werde ich dann auch schnell nach Borobudur geschupft. Jetzt, ein bisschen ein Hintergrund: Buddhistische Tempelanlage – die größte, wie gerne betont wird – ihrer Art. Im neunten Jahrhundert zirka ist das erbaut worden und aber relativ schnell wieder stehengelassen worden. Wie gesagt, kaum sechs- bis siebenhundert Jahre später gab s ja gar keine BuddhistInnen mehr in Java. Und jetzt ist die ganze Gegend aber vorher schon weitgehend verlassen worden, vermutet wird der eine oder andere Vulkanausbruch, wegen dem die BewohnerInnen das Land weitgehend aufgegeben hätten. Im neunzehnten Jahrhundert haben dann verschiedene europäische Expeditionen den Tempel entdeckt, freigelegt (von Dschungel und Vulkanasche) und zu dokumentieren begonnen. Und halt auch renoviert oder wiederhergestellt. Man sieht das ein bisschen, wie manche Teile einfach neuer sind als andere.

Und manche Stellen sind auch offensichtlich nur provisorisch wiederhergestellt. Interessant ist aber auf jeden Fall, dass die Borobudur’schen Reliefe eine seltene Quelle für die Kleidung der javanesischen Nobilität im neunten Jahrhundert sind.
Am Morgen dreht eine Gruppe BuddhistInnen ihre Runde um den Tempel. Eine Gruppe TouristInnen wartet geduldig, bis sie durchgezogen sind und den Zugang zum Tempel freigeben.

Also, der Tempel hat drei Ebenen, sagt die Broschüre, die den drei äh… die Kāmadhātu, Rūpadhātu und Ārūpyadhātu entsprechen. Um ehrlich zu sein, erschließt sich mir das jetzt nicht ohne weiteres, nicht aus der Broschüre, aber auch nicht wirklich aus der Wikipedia. Die Ebenen repräsentieren verschiedene „Welten“, in denen der Mensch mehr oder weniger seinen Sinnen unterworfen ist bis zur Befreiung durch die Erleuchtung in Ārūpyadhātu. Dementsprechend ist diese auch die letzte, oberste Ebene, wo nur noch Stupas und Buddhastatuen stehen. Die Zwischenebene fand ich am interessantesten, weil da sind viele Reliefs, die verschiedene Geschichten aus dem Ramayana zeigen. Also, da gibt s zum Beispiel diese Geschichte wo der gegen den Affenkönig kämpft. Oder wo der Krishna was besonders cleveres macht. Aber ich hab keine FührerIn und bin in diesen Geschichten ja nicht besonders bewandert. Aber ich mag den Stil der Darstellungen ganz gern, in denen die Szenen doch oft ganz lebendig werden, auch wenn ich die Geschichte nicht genau kenne.

Statuen, Stupas und Reliefe auf der Ostseite von Borobudur. Man sieht, dass die Sonne langsam hochkommt.

Auf der obersten Ebene laufen ein paar Europäerinnen in weißen Hemden mit Blumen in der Hand ihre Runden, andere sitzen im Lotus und schauen auf den Urwald oder die Innenseite ihrer Augenlider. Ein einzelner Mönch zieht die Aufmerksamkeit eines Spiegelreflexkamerabesitzers auf sich, der das wiederum ruhig mit sich geschehen lässt, obwohl scheinbar niemand mehr ein Foto macht sondern es gleich vier, fünf Mal klickern lässt, bevor er den Finger wieder vom Auslöser nimmt. Andere wecken die Aufmerksamkeit von SchülerInnen, die von ihren LehrerInnen geschickt werden, um ihr Englisch an TouristInnen auszuprobieren. Das ist mir hier mittlerweile auch schon öfter passiert ist aber in der Regel ganz nett. Ich hätte ein, zwei Tipps zur Fragengestaltung und Interviewführung, aber ist ja nicht mein Job. Nein, die machen das super und in irgendwelchen Englischklassen laufen jetzt Videos von mir, wie ich davon erzähle, wie nett ich die IndonesierInnen finde, wie fröhlich und offenherzig. Sama sama.

In ihrer Repetitivität und Schlichtheit wirkt eine buddhistische Tempelanlage auch tausend Jahre später zeitgemäß. Dazwischen ein Hinweisschild, sich nicht auf die Stupas zu setzen.

Interessant ist, dass ich hier am Eingang einen Sarong bekomme, weil ich in kurzen Hosen unterwegs bin und es warad wegen dem Respekt. Ich mein, interessant, weil ich das sonst nur aus Kirchen und Moscheen kenne (war ich überhaupt jemals in einer Synagoge?) und da sind s dann eher die Frauen, die ein Tuch für um die Schultern oder für über den Kopf bekommen. Aber hier sind die Männerwaden nicht gerne gesehen und das entspricht in Wahrheit ja eh meiner üblichen Herangehensweise an Shorts, insofern hab ich echt kein Problem damit. Dann wiederum muss das auch nicht einfach umgedrehter Sexismus sein, kann ja auch sein, dass Frauenwaden gar nicht besonders als der Respektlosigkeit im Stande betrachtet werden. Man weiß ja nie so recht bei den Religiösen. Nachdem ich mit einer Tour unterwegs bin, muss ich mich ein bisschen am Riemen halten und auch wenn ich gerne ein Stündchen mehr gehabt hätte, vielleicht um einen Sprung ins archäologische Museum zu schauen, muss ich mich letztlich sputen, mach noch zwei Fotos von den Elefanten und dann sitzen wir schon wieder im Bus auf dem Weg nach Prambanan.

Ein langer Weg nach Prambanan

Prambanan ist ein weniger gut in Schuss als Borobudur. Auf den zweiten Blick. Auf den erste ist es viel eindrucksvoller und löst mir gleich einmal eine Gänsehaut aus. Dabei ist es ja schon elf oder so und es wird langsam richtig warm. Der Broschüre nach ist Prambanan ebenfalls im neunten Jahrhundert gebaut worden. Ich hab irgendwo gelesen, dass es besonders sei, dass er als Hindutempel gleich drei Göttern geweiht ist, wo die angeblich sonst auf eine Gottheit fokussieren. Aber hier stehen drei Tempel für Brahma, Vishnu und Shiva. Schöpfer, Erhalter und Zerstörer. Und das ist doch sehr gewöhnungsbedürftig, wenngleich die Notwendigkeit vom Ende, das kann ich schon auch ein bisschen anerkennen, und dass Shiva damit so eine Neutralität besitzt zeugt von einer sehr unterschiedlichen Weltsicht. Nicht nur das, Shivas Tempel ist tatsächlich der große in der Mitte. Außerdem stehen den großen Tempeln noch drei kleinere gegenüber, die den Vehikeln der drei Gottheiten geweiht sind. Es ist alles sehr fremd. Aber auf den Tempeln der drei Götter sind wieder Geschichten in Reliefs erzählt und an die halte ich mich. Außerdem bin ich, ähnlich wie in Borobudur, schon fasziniert von den Steinen, von diesen riesigen Anlagen aus rohem Stein, der hier seit über tausend Jahren im Urwald steht. Und ja, auch diese Anlage ist schnell einmal verlassen worden, nachdem sie erbaut wurde und erst in den letzten hundert Jahren wieder aufgebaut worden. Um die Haupttempel herum stehen hunderte kleine Tempel, die nahezu alle komplett zerstört sind und deren Wiederaufbau ein fortlaufender Prozess ist. Außerdem war da vor nicht all zu langer Zeit ein Erdbeben, das hat auch in den großen Tempeln nochmal einiges ins Wanken gebracht.

Schneller, aber mit einer ähnlichen Regelmäßigkeit wie die buddhistischen Klanghölzer, fallen hier die Hämmerchen. Es klingt insgesamt mehr nach Wiederaufbau als nach Renovierung.

Die Tempel sind jetzt nicht ganz anders als Borobudur. Ein bisschen extravaganter von der Architektur, so gibt s zum Beispiel Dächer. Aber sonst laufen auch hier hinduistische Sagen in Reliefen ab. Außerdem gibt s die Geschichte von einer Prinzessin oder was, die mit einem Prinzen oder was wettet, dass er nicht tausend Tempel in einer Nacht bauen kann. Und er kriegt dann Hilfe von Dämonen – und steigt trotzdem irgendwie als der Held aus. Als die Nacht nahezu vorbei ist, merkt sie, dass sich das ausgehen wird und macht irgendwie ein Licht und dadurch wachen die Hähne auf und fangen zum Krähen an und da denken die Dämonen „Hoppala, ist schon Morgenstund“ und vertschüssen sich. Und er verwandelt sie dann noch in den tausendsten Tempel. Irgendwie so. Ich krieg das ja nur nebenher mit, von denen, die sich am Eingang eine Tourguide gekauft haben.

Schnelle Zusammenfassung: Von der Ästhetik unverkennbare Ähnlichkeiten. In der untersten Reihe Brahma, Shiva und Vishnu (v.l.n.r., und dass von denen tatsächlich zwei nach links und zwei nach rechts schauen war total unabsichtlich).

In der Umgebung von Prambanan beziehungsweise auf dem Gelände, das man mit seiner Eintrittskarte betreten kann, sind noch drei andere Tempelanlagen zu finden, zwei davon sind sicher buddhistisch, bei der dritten weiß ich jetzt nicht auswendig… aber durch die bin ich schon nahezu am durchlaufen, weil zwei Stunden schon wieder knapp sind. Interessant vielleicht, dass im Sewu Tempel, der ebenfalls von vielen dutzenden kleinen, sich im Wiederaufbau befindlichen Tempeln umgeben ist, keine einzige Buddhastatue findet, wenngleich einige Stellen eindeutig dafür gedacht sind. Auch hier wird bereits eine Bühne für Weisak aufgebaut und die Tänzerinnen proben gerade ihren Auftritt als ich Richtung Ausgang haste. Für die zwei Kasuare bleib ich nochmal stehen, aber so richtig foto opportunity ergibt sich nicht.

Und wenn Prambanan schlechter beisammen ist als Borobudur, dann ist trotzdem Sewu nachmal schlechter beisammen als Prambanan.

Und dann geht s heim. Ich schlaf wohl schon ein bisschen im Bus. Als ich im Hotel abgesetzt werde ist es halb eins, ich bin seit zehn Stunden wach und merke, dass ich eigentlich nichts gegessen habe. Ich dusch mich kurz und schau dann, dass ich ein Mittagessen finde. Das ist nicht so leicht, im Ramadan, vor allem, weil ich mich ein bisschen ziere in die Lokale zu gehen, in denen Nasi Goreng bereits vierzigtausend kostet. Fünfundzwanzig zahle ich dann in einem seltsamen Lokal, in dem ich der einzige Gast bin und die beiden BesitzerInnen so überschwänglich freundlich über meinen Besuch sind, dass ich kurz an ihrer Gesundheit zweifel. Während ich esse setzen sie sich wieder an ihren Fernseher. Wie so oft ist der Übergang zwischen Wohn- und Geschäftsbereich nicht ganz deutlich gezogen, das ganze Vorderbühne-Hinterbühne Konzept ist hier weniger deutlich ausgeprägt.

Um drei sitze ich wieder im Bus und werde wieder nach Borobudur geschupft. Das dauert jetzt etwas länger, weil der Verkehr am Nachmittag deutlich intensiver ist als in der Früh. Ich nicke an meinem Fensterplatz immer wieder ein. O, wie sind mir die BackpackerInnengeschichten nicht abgegangen in den letzten Wochen: Um mich herum unterhalten sich Deutsche und HolländerInnen über ihre Abenteuer, unterstreichen, wie lange sie schon unterwegs sind, wie unglaublich Nepal gewesen ist, wie superbillig sie gestern gegessen hätten und wie sehr sie sich auf Bali freuen. Wegen Nepal mache ich mir ein paar Notizen und stöpsel mich dann in meine sowieso vernachlässigten Podcasts ein. Das schlimmste am Reisen sind die anderen Reisenden. Zumindest hier im Bus habe ich keine Lust, mit irgendjemandem in Kontakt zu treten.

In Adam Buxtons Podcast empfiehlt James Acaster beispielsweise Surface to Air Missive.

Es ist schon dunkel geworden, aber wir kurven immer noch ganz schön in Borobudur herum, drehen ein paar Mal um, steigen aus und wieder ein. Die BackpackerInnen lachen, wünschen sich Bier und lästern über schlechte Organisation. Auch in meinen Augen könnten sie uns auch ein bisschen auf dem Laufenden halten, ich hab Verständnis dafür, dass hier improvisiert wird, dass wir andere Leute treffen sollen, dass es dunkel ist und viel los und überhaupt findet das einmal im Jahr statt und dieses Jahr haben sie auch noch ein neues Programm gestaltet, bei dem die TouristInnen ihre eigene Veranstaltung bekommen bevor die echten BuddhistInnen dann ihre eigene Feier um Mitternacht begehen. Und dann natürlich Stress, weil s nicht so läuft wie s soll. Ich habe Verständnis und überhaupt gehen mir die lachenden EuropäerInnen mehr auf die Nerven als nicht und natürlich solidarisiere ich mich im Stillen mit den OrganisatorInnen aus der Tourismusinformation.

Wir haben s dann irgendwann geschafft, bekommen unsere Snacks und das angekündigte Wasser. Um uns herum ist Kirtagsstimmung, Leute verkaufen (und kaufen) Fastfood, Getränke und Spielzeug. Unsere Snacks sind weitgehend unidentifizierbar, auch beim Essen selbst kann ich nicht wirklich sagen, was es ist, Reis, Fleisch, Fisch, Gemüse… keine Ansatzpunkte. Nachdem wir aufgegessen haben gehen wir gemeinsam in die Festivalzone. Hier sind schön schon die Reihen für uns vorbereitet und lassen wir uns auf dem Boden nieder, jede bekommt ihr Platzerl auf ausgelegtem Plastik. Ich glaub kurz, dass das schon die Lampions sind, irgendwie, aber dann sehe ich doch alle auf ihrem Plastik sitzen und außerdem die Lampions, die neben mir in der Wiese wie riesige Tortillas aussehen. Jetzt: Am Boden sitzen tu ich nicht viel und dafür braucht man Übung. Ich sitze lange – und wie ich sagen möchte: mutig – im Schneidersitz auf meinem Plastik, strecke meinen Scheitel zum Himmel und dann atme ich in den Schmerz. Ich weiß nicht genau, wo das herkommt, aber ohne besonderen Kontext würde ich an dieser Stelle sagen, dass ich in einem katholischen Land aufgewachsen bin und selbst, wenn ich das familiär nicht wirklich miterlebt habe, schon gar nicht katholisch, ist für mich offenbar diese ganze Zeremoniegeschichte stark mit Disziplinierung assoziiert. Vielleicht ist es nur der Satz, den ein Professor mal gesagt hat, über die Leistung der katholischen Kirche, dass sie den MitteleuropäerInnen über Jahrhunderte beigebracht hat, still zu sitzen. Und dann denk ich mir eben: muss so sein. Brav sitzen und das bisschen Schmerz, das, hm, naja, das mache sich noch belohnt irgendwie. Irgendwas mit Fokus oder mit… was weiß ich schon. Ganz furchtbar eigentlich. Gleichzeitig bin ich überrascht aber auch irgendwie stolz, wie lange mir das gelingt, doch konzentriert zu sitzen, während irgendwo vor mir aber unersichtlich für mich, ein Mann und eine Frau songcontestartig die Zeremonie einleiten. Also das waren jetzt erst einmal keine BuddhistInnen da vorne sondern eben UnterhalterInnen. Aber nach der ihrer überschwenglichen Begrüßung (s.o.) und einigen einführenden Worten zum Ablauf des Abends, haben sie dann auch an den buddhistischen Mönch übergeben, der jetzt dann eine zwanzigminütige Meditation anleitet. Und an der ersten Anleitung, die er mit dem feinsten Cary Grant Akzent ins Mikrophon spricht, scheitere ich: sitze gemütlich, sodass du nicht angespannt bist, dass dir nichts weh tut, frei von Belastungen. Ich bin von meinem Sitzen leider schon etwas überspannt, und rutsche die ersten Minuten ein bisschen herum, ob da noch was zu retten ist, aber in Wahrheit finde ich gar nicht erst in eine lockere Haltung hinein. Den Mond zu visualisieren und meine Gedanken ruhig zu stellen geht sich dementsprechend auch nicht wirklich aus. Und dann wünschen wir allen lebenden Wesen, dass sie erfolgreich und zufrieden sein mögen, bevor wir uns selbst auch alles gute wünschen und da denk ich dann daran, dass ich auf mein Wunschpickerl, dass wir dann mit den Lampions in den Himmel steigen lassen werden, natürlich nur Dinge geschrieben habe, die ich mir für mich selbst wünsche und nicht auch nur daran gedacht habe, mir für andere etwas zu wünschen. Pffff. Dabei bin ich mir schon erwachsen vorgekommen, weil ich nicht Gelddruckerei, Waschmaschine oder Unendlich viele Wünsche geschrieben hab.

Wie aufgefädelt warten wir auf Waisak.

Na und als dann alle wieder zu sich kommen bekommen wir noch dreimal gesagt, wie das mit den Lampions funktioniert. Die Lampions sind große Papierröhren, die oben rechteckig zugeklebt sind und unten einen runden Metallring haben, in dessen Mitte eine Kerze aufgespannt ist. Erster Schritt ist den Lampion auf Löcher zu überprüfen. Zweitens, Kerze anzünden. Die Frau, die uns von vorne die Anleitung gibt, mahnt uns zur Vorsicht, because we are playing with fire. Nein, denke ich, we are not playing with fire. Wir verwenden ein Feuer und wir sind sehr vorsichtig dabei. (Es brennt dann auch tatsächlich weniger ab, als ich gedacht habe.) Dritter Punkt: Laterne halten, während sie sich mit der heißen Luft füllt. Zwei Personen halten oben, zwei unten. Das tun wir nicht wirklich, aber er kippt uns trotzdem nicht um. Wir haben aber auch eine von den TourismusinformiererInnen bei uns, die hat das letztes Jahr schon gemacht, quasi Profi. Und dann sollen wir den Lampion noch eine Minute länger halten als wir glauben, dass es notwendig sei und dann zählt die Lautsprecherstimme auf null runter. Leider auf Indonesisch und ich hab mir so oft gedacht, ich sollte die Zahlen von eins bis zehn zumindest einmal angeschaut haben. Nachdem wir nicht einmal sicher sind, ob sie von zehn runterzählt und unsere Informiererin irgendwo strawanzen ist, müssen wir warten, bis um uns herum die ersten Lampions aufsteigen und lassen dann auch unseren los.

Ma!, die Hintergrundmusik, die hätte ich schon wieder komplett vergessen gehabt. Öffentliche Veranstaltungen laufen überall nach dem gleichen, anstrengenden Schema ab.

Eine Zeitlang stehe ich einfach da und denke mir, dass das wirklich ganz hübsch ist, auch wenn Borobudur wirklich nur entfernt eine Rolle spielt – quite literally ist Borobudur so weit weg, dass ich von meinem Platz aus nur die Spitze, die Erleuchtungsebene sehe. Es ist hübsch. Dann gestehe ich mir leise ein, dass ich ja wohl auch kein Herz aus Stein habe und hole mein Telefon um auch ein paar Fotos zu machen. Natürlich hab ich den Moment ein bisschen verpasst und überhaupt sind meine Einstellungen nicht ideal dafür, in der Nacht zu fotografieren. Da schallt es über die Lautsprecher, dass wir einen zweiten Lampion steigen lassen werden, nachdem das das erste Mal schon so gut funktioniert hat. Überraschung! Die Tourismusinformiererin meint, das sei wohl, weil die Regierung Leute vorbeigeschickt hat, die da drüben mit der Drohne filmen und die haben vielleicht auch erst ihre Kameraeinstellungen an die Situation anpassen müssen. So hat sie s nicht gesagt, weil sie wusste ja nicht, dass ich diese Schwierigkeiten hatte. Also Nummer zwei. Jetzt acht Leute an einen Lampion, heißt es, aber niemand hält sich daran. Wir finden ein Loch an unserem Lampion, neuer Lampion, alles kein Problem. Ich hoffe, die BuddhistInnen hatten dann später noch genügend Lampions.

Als die Regierung dann ihre Aufnahmen im Kasten hat und ich ob in den Himmel steigenden Lichtern doch ein bisschen schwummrig bin (das war schon schön), erklingt, offensichtlich von schlechtem Weihnachtspop inspiriert, Happy Weisak Day aus den Lautsprechern und wir verlassen das Festivalgelände: Vor den BuddhistInnen hat noch eine zweite Gruppe TouristInnen einen Platz zum Lampions-steige-Lassen gekauft. Hunderttausend hat das pro Person gekostet. Da kriegt der Borobudurpark ganz schön was zusammengesponsort an dem Abend.

Dabei, ich fand schon am Vormittag witzig, als ich gesehen hab, dass es einen Einheimischeneingang und einen TouristInneneingang gibt. Der eine Eintritt kostet fünfundzwanzig Dollar, der andere fünfzehntausend Rupien, das ist etwa ein Euro. Das find ich aber total ok, ich finde das schön, dass man sagt: wir wollen das auch für unsere Bevölkerung erschwinglich machen, die sollen das auch sehen. Jetzt ist Borobudur nicht unbedingt ein nationales Symbol, weil tausend Jahre alter Buddhismus ist nicht wirklich etwas, auf dem der Indonesische Staat aufbaut. Aber es ist die meistbesuchteste Attraktion in Indonesien und da ist es nur fair, wenn die IndonesierInnen das auch einmal gesehen haben. Fix. Das ist als wie wenn der ORF mal seinen Bildungsauftrag wahrnehmen würde und im Kulturprogramm eine kommentierte Version von Sound of Music spielen würde, mit international besetztem Diskussionsgremium nachher.

Und beides zweisprachig angeschrieben.

Dabei, ein bisschen skeptisch war ich schon, als unser Busfahrer gesagt hat: gebt s mir das Geld, dann muss sich niemand anstellen, ich hol euch die Tickets für alle gemeinsam. Aber in Wahrheit wird der nur ein bisschen vom Wechselkurs mitgeschnitten haben und nicht wirklich Einheimischentickets für uns bekommen haben. Weil wir haben in beiden Parks auch Willkommensdrinks bekommen (Tee, Kaffee, Wasser – ich vergesse immer, dass man hier am gern schwarzen Jasmintee trinkt, der mit Milch nicht viel besser ist als ohne) und die sind in den fünfzehntausend nicht mit inbegriffen.

Jedenfalls sitzen wir schnell wieder im Bus und sind schon am Heimweg. Die Heimfahrt vergeht wie im Flug, aber ich bin auch schon wirklich recht müde und schlaf sicher mal ein halbes Stündchen oder so. Auch die NiederländerInnen und Deutschen sind still, vielleicht besinnlich, vielleicht müde. Bisschen schnell vorbei war s, bisschen schnell sind wir wieder weg, aber ich verstehe auch, dass man sich das nicht antun will, zwanzig Mid-Zwanziger in dem nächtlichen Kirtag wieder einsammeln zu müssen.

Beim Aussteigen entschuldigt sich die eine der VeranstalterInnen bei mir für die Verspätung und das vermeintliche Chaos im Ablauf. Ich frag mich, ob sie das nur bei mir macht oder bei allen, aber auf jeden Fall versichere ich ihr, dass das nicht notwendig sei, ich fand s super, sag ich. Und das stimmt schon. Ich tu mir schwer mit diesen Touren, ich kann mich nie ganz mit der Rolle des Herumgeführten identifizieren und bin immer den LeiterInnen ein bisschen näher. Vielleicht ist das eine Arroganz oder die Erfahrung, die ich bei AFS als Organisator von so Unternehmungen gemacht habe, wo ich immer bisschen drauf schau, wie machen die das, was machen die und dementsprechend auch die Toleranz für, ja das Interesse an den Verzögerungen und Missgeschicken habe.

Bisschen foto opportunity ist sich aber schon ausgegangen: endlich eigene Kasuarbilder.

Main tree, dain tree

Cairns ist in vieler Hinsicht ein sympathischer Platz, auf jeden Fall krieg meine asiatischen Restaurants. Wenn es letztlich aber doch etwas aufdringlich touristisch ist, liegt das wohl daran, dass ich in Wahrheit nur das Zentrum zu Gesicht bekomme. Cairns ist einundfünfzig Kilometer lang und an der breitesten Stelle bloß vier Kilometer breit, es läuft quasi die Küste entlang. Strandmaximierung. Insofern sind die einzelnen Stadtteile zum Teil weit entfernt und wie der Regenwaldchauffeur sagt, lassen die CairnserInnen den Kern der Stadt gern den TouristInnen. Und die nehmen das gerne entgegen: randvoll mit TouristInnen, von den BackpackerInnen bis hin zu den Hiltons. Ich mein, Gilligan’s, gegen das ich mich nur knapp entschieden hab, als ich in Hervey Bay Hostelflyer durchgegangen bin, die bespielen quasi den ganzen Block mit Jugendherberge, Dancefloors, Reisebüro, Freizeitgestaltung. S’wie Cluburlaub – unheimlich. Dahingegen ist mein Dreamtime richtiggehend dreamy, auch wenn ich dafür hinter s Einkaufszentrum muss. Aber wenn ich über die Auffahrt das Parkdeck erklimme, kann ich auch einfach mitten durch das Einkaufszentrum gehen.

Vorschläge für s Wochenendprogramm.

Was es auf jeden Fall gibt, sind Flughunde. Ich muss gestehen, im Dunklen unter einem kreischenden, unter ständigem Flattern oszillierenden Baum durchgehen, ist schon etwas unheimlich. Aber es ist auch ungschickt, wie ich schnell begreife, als mir bei meiner Sammlung exotischer Erfahrungen (oder halt Mutprobe) eines der Tiere auf die Hand kackt. Und dabei hab ich noch Glück gehabt, weil halt auf die Hand und nicht die Haare vollgeschissen oder orange Flecken am T-Shirt. Schaut insgesamt nicht gesund aus und riecht auch… naja, es riecht nicht viel anders, als es sowieso unter dem Baum riecht. Dass der Geruch hier fehlt, nimmt wirklich einiges vom Erlebnis. Dennoch, wie, frag ich mich noch, machen die das, wenn sie kopfüber hängen?

So geht das jeden Abend. Und jeden Abend stehen wir Touris an den Straßenecken und filmen mit unseren Handyfonen in den Abendhimmel hinein.

Was Cairns hingegen nicht hat, ist Strand. Also, natürlich hat Cairns Strand, wenn ich raten müsste, wohl achtundvierzig Kilometer davon. Aber halt grad nicht dort, wo der Hafen ist und nicht dort wo die Esplanade entlangläuft. Und das ist halt dort, was ich hier dauernd das Zentrum nenne. Aber, Cairns will nicht enttäuschen und hat um die üblichen öffentlichen Grillstationen herum einfach einen Pool gebaut. Da ist – quasi mitten in der Stadt – ein öffentlicher Pool. Kein Eintritt, keine Zäune, aber Duschen, Sandstrand und BademeisterIn. Und drei große Metallfische, die dafür sorgen, dass der Pool seinen Wasserstand erhält. Es ist schon schick, im ersten Moment erstaunlich surreal für meine Augen. Und natürlich, die Augen! Meine Reaktion, wenn ich über die Straße gehe und auf der anderen Seite liegen sie wieder, die Dudes und die Bikinimädchen. Ich weiß ja nicht, was ich mit meinen Augen machen soll, so viel Nacktheitspeinlichkeit erlebe ich sofort. Am zweiten, dritten, vierten Tag geht s dann schon etwas besser, aber ich hab s bis zuletzt nicht geschafft, mich bebadehost dazuzusetzen. Ich bin schon gesessen, Hemd, Hosen und He-reader, bisschen an eine Palme gelehnt, lieber auf der Wiese als im Sand. Und natürlich nicht in der Sonne, ich mein… nein. Zum Schnorcheln hab ich mir in der Früh den Rücken eingecremt, das ist weit mehr Arbeit als es es wert ist. Und wir haben ja dann eh Stingersuits bekommen. Weil eben, und das ist vielleicht auch ein Grund, warum Cairns ein Schwimmbad macht anstatt sich den Strand aufzuschütten: Das Wasser da oben ist voll mit Getier, von der Qualle bis zum Krokodüü. Und selbst die CairnserInnen baden an den schönen Stränden, an denen ich im Norden vorbeigefahren bin, nur von Netzen umgeben. Netze, die der Regenwaldtourguide als unangenehm großmaschig beschreibt. Und ja, die Quallen, die einen in drei Minuten dahinraffen, die passen da nicht durch. Aber die fingernagelgroßen sollen auch unangenehm sein und in Massen durchaus tödlich.

In meinem kleinen Phó Lokal scheint man dann doch fernab von allem zu sein, auch wenn die Musik sagt, dass jetzt dann schon langsam die Sperrstunde kommt, während im Hintergrund abgewaschen wird.

Für den Regenwald heißt s ebenfalls um sechs Uhr aufstehen. Und nachdem ich vom Schnorcheln müde eh um zehn im Bett war, ist das ja kein Problem. Außer mir sind schon zwei Mädels im Bus, die sich mit jeweils deutschem Akzent auf Englisch unterhalten. Stellt sich später heraus, dass die eine Niederländerin ist, aber eine Stunde lang denke ich, die hätten einander einfach nicht gefragt, woher sie sind. Währenddessen sammeln wir noch drei ChinesInnen, zwei Däninnen, zwei AustralierInnen, eine Schweizerin, eine Kanadierin und eine Deutsche ein, die ihre weltreisende Tochter besucht und meint, sie merke schon ein bisschen, irgendwie ständig nur arbeiten, das könnte es wohl auch nicht sein. Da kriegen wir halbwegs einen Bus voll, licensed to carry 21 passengers. Nachdem das wir erst einmal aus Cairns raus müssen und dann noch in den Urwald und schließlich wieder alles zurück, also wir verbringen insgesamt schon viel Zeit im Bus.

Gefahren werden wir heute von Wylie, der auf den Feedbackbögen, die am Ende rumgehen, von keinen zwei Leute gleich geschrieben wird – weil ich wollte nachschauen, wie man ihn schreibt, eh klar. Er arbeitet zum ersten Mal seit Jahren an einem Samstag und niemand fragt in wieso. Aber er hat (trotzdem?) einen guten Humor oder auch ganz gute Perspektive, sag ich jetzt einmal: was er sagt interessiert mich, wie er seine Prioritäten auf unserer Tour setzt, find ich gut. Und natürlich ist es das erste Mal seit Wochen, dass ich so wirklich einen Tag lang mit Leuten im Kontakt bin, das ist schon auch recht aufregend.

Erste Station ist eine kleine gemütliche Bootsfahrt über den Daintree. Heißt alles nach dem Herrn Daintree, der hier in der Gegend früher mal Geologie und Photos gemacht hat. (Früher, als man Fotos noch mit Ph geschrieben hat.) Obwohl wir selbst eine durchaus junge Partie sind, aus der ich altersmäßig schon deutlich nach oben raussteh, nivellieren mich die RivercruisebesucherInnen bis ich unterm Durchschnitt wieder rauskomme. Es ist ein bisschen eine PensionistInnenfahrt. Vielleicht dementsprechend werden wir mit Tee und Biscuits begrüßt, wer will kriegt auch einen Kaffee eingeschenkt. Aber der Tee wird hier in der Gegend angebaut und später seh ich meine erste echte Teeplantage. Natürlich nix mit Handarbeit hier. Sicher, man könnte die BackpackerInnen durchschicken, das würde auch nicht mehr kosten, aber man hat sich dafür entschieden, den Tee mehr oder weniger mit dem Mähdrescher zu ernten. Aber natürlich ist Tee trotzdem gut, wenn man das Gefühl hat, der ist… frisch. Oder halt von nebenan.

Rivercruisebootsaussicht mit kanadischem Ellenbogen.

Auf der Rivercruise sind wir vor allem auf der Suche nach Krokodilen. Natürlich. Wir kriegen dann in erster Linie Mangroven zu sehen, weil die verstecken sich nicht so gut. Und wenn das alles stimmt, was der Bootschauffeur erzählt, ist mitunter beeindruckender als Krokodile, weil der Daintree Rainforest eben so viele Millionen Jahre alt und irgendwie 80% (Hausnummer!) der weltweiten Mangrovenspezies kommen hier vor und manche natürlich überhaupt nur hier vor. Weil wir schon so nah beim Meer sind, dass bei der Flut das Salzwasser den Fluss hochspühlt. Und er sagt irgendwas mit Prozenten und Verdünnungsfaktoren und so, aber das sind so Zahlen… Und letztlich sagt er, alles grad ein bisschen in der Krise, weil die Unwetter der vergangenen Wochen so viel Sand über den Mangrovenschlamm geschüttet haben, dass da die Luft nicht mehr zu kann und ob die jetzt nicht ersticken oder verfaulen oder zumindest die kleinen Krebschen verrecken, die da sonst das Mangrovenlaub aufbereiten. Schnipp-schnapp. Ein kleines Fakterl, das mir außerdem gut gefallen hat: Mangroven hätten üblicherweise ein sog. Opferblatt an ihren Ästen: In das jeweils älteste Blatt wird das Salz, das sie nicht aus dem Wasser rauskriegen, abgelagert. Weil eigentlich machen die irgendwelche Special-Osmose oder was, damit das Brack im Fluss bleibt und nur feines Süßwasser in die Wurzeln kommt. Aber ganz sauber geht das halt nicht und deshalb ins Opferblatt. Und tatsächlich sieht man an einigen Spezies ganz gut, dass an jedem Ast ein gelbes Blatt hängt.

„That’s the cannonball mangrove…“

Noch eins, weil das auch aufregend ist: Die eine Mangrove ist quasi lebendgebärend. Whaaaa!? Ja, weil die macht nicht Samen, die sie fallen lässt, sondern da keimt es noch am Stengel und dann wächst richtig schon ein Setzling, vielleicht 30cm lang und fingerdick. Und wenn der fertig ist, fällt er vom Baum, rammt sich in den Mangrovenschlick und kann von dort weiterwachsen. Ich nehm an, im Salzwasser keimen ist einfach nicht besonders einfach.

Jedenfalls kriegen wir nicht so wirklich Krokodile zu Gesicht. Und natürlich ist das eine Lüge, weil da sind zwei, aber das eine seh ich einfach nicht, weil er irgendwo am Land liegt und die Unwetter alles mit Ästen und Baumstämmen zugeschüttet haben und das zweite kreuzt unseren Weg für einen Moment und geht dann auf Tauchstation. Was mir aber wirklich gut gefällt, ist unser Skipper (im obigen Audiofile zu hören), der die einzelnen Tiere namentlich erkennt und in seinem Funkgerät den anderen RivercruiserInnen durchgibt, wo er wen gesehen hat bzw. wo heute gar nichts zu sehen war. Da war dann auch so ein Moment, wo er, mehr zu sich selbst, gesagt hat: „It’s very quiet this morning…“ Aber in meinem Kopf hat er ergänzt, „…maybe too quiet.“ Und daraufhin wären Massen von Krokodilen neben uns aus dem Wald gebrochen und wären auf unser Schinakl zu gelaufen, hätten uns umgeworfen und aufgefressen. Und in diesem Moment, als unser Schicksal besiegelt wäre, hätte er vielleicht noch gesagt clever girl, und damit den Hinterhalt des Oberkrokodils anerkannt.

Normalerweise ist das hier angeblich ordentlicher und man erkennt ein bisschen was vom Ufer.

Also bisschen zu wenig Krokodil, um wirklich davon sprechen zu können, dass wir Krokodile gesehen hätten. Dabei, sagt man uns, gäbe es von Daintree (dem Dorf) bis zur Mündung des Daintree (dem Fluss) etwa ein Krokodil alle hundert Meter. Wirkt wie ein gesunder Bestand. Und ich denke da immer wieder dran, wenn mir danach ist, meine Hand neben mir ins Wasser schlenkern zu lassen, was ich letzten Endes nie tu.

Wylie holt uns mit dem Bus an der Anlegestelle ab. Insgesamt stehen sie dort zu viert, vier BusfahrerInnen in etwa den gleichen Outfits, alles in klassischem Khaki, Hut mit breiter Krempe, aber ohne die baumelnden Korkstoppeln. Rein in die Busse und schnell weg, damit wir zur Illusion zurückfinden, wir wären hier unabhängige RucksacktouristInnen, die sich den unberührten Urwald zeigen lassen und ganz anders als jene geriatrische Reisegruppe im Bus daneben, die das beste aus der wachsenden Diskrepanz zwischen stagnierendem Pensionierungsalter und steigender Lebenswartung machen. Ab in den Regenwald, der seinen Fortbestand wohl der Welle der 80er-Jahre-Ökos zu verdanken hat, als der Wald nicht zubetoniert und verhäuselt sondern im Gegenteil vernaturschutzgebietet wurde. Was an Siedlungen bestand wurde weitgehend aufgelöst. Da werden schon einige Leute geschrien haben, die sich heute daran nicht mehr erinnern wollen würden. Aber das scheinen immer so halb-zufällige Initiativen zu sein, wo dann mal jemand gesagt hat, na gut, dann machen wir unsere Millionen halt nicht oder woanders, wenn ihr euren… ah ja, schau an, ältester Regenwald der Welt und vielleicht nicht alles zubauen, was noch atmet.

Es ist vor allem still, hier im Regenwald.

Ab jetzt heißt es übrigens, Ausschau halten. Weil wir möchten alle gerne einen Kasuar sehen. Der Kasuar, der Kasuar… kommt in der Vogelhochzeit gar nicht vor. Großer, flugunfähiger Vogel mit blauem Kopf und einem Helm von dem man schon wieder nicht weiß, wozu der dient. Vor fast hundert Jahren hat ein Kasuar mal einem jungen Mann auf einer australischen Schaffarm mit seinen Klauen die Halsschlagader aufgemacht und spätestens seit dem nimmt man sich in acht vor ihnen. Zwei interessante Sachen: Erstens hab ich irgendwo gelesen, dass dem Kasuar sein Evolutionsast schon recht früh von den anderen Vögeln abbiegt. Das hab ich seit dem nie wieder gelesen und ich glaub, das stimmt auch gar nicht. Ist halt mit den anderen flugunfähigen Vögeln verwandt, wie s ausschaut. Ich mein, ja. Er schaut schon urig drein – aber das heißt im Grunde gar nichts, wirklich nicht. Wenn man mehr andere Vögel kennt, schaut er schon auch fremd drein und das heißt vielleicht eher was. Und zweitens: mal wieder eher so Einzelgängertiere, paaren sich dann und wann, wenn sie einander zwischendurch über den Weg laufen und dann übernimmt das Männchen die Aufzucht. Ob die Boyz auch die Eier ausbrüten oder ob s nicht eh dauernd warm genug ist, dass man sich das sparen kann oder ob sie nicht sogar geduldig warten, bis das Weibchen die Eier ausgebrütet hat und erst dann zum Pfeffer schicken… Auf jeden Fall verbringt das Männchen dann bis zu eineinhalb Jahre mit dem Jungen, bevor er es „brutalst verjagt“. (So wie in Wolfsblut stell ich mir das vor.)

Oh yeah! Kasuar leibt und lebt.

Wir gehen eine Runde über einen Regenwaldpfad und bekommen von den Wundern der Australischen Namensgebung erzählt. Dieser Baum heißt Peanuttree, weil er Früchte hat, die aussehen wie Erdnüsse. Diese Pflanze heißt Wait-a-While, weil sie so Haken hat, an denen man hängenbleibt und sich die Haut aufreißt, wenn man nicht einen Moment wartet um sie zu entfernen. Man merkt, dass zu dem Zeitpunkt, wo die WissenschaftlerInnen gekommen sind, die SiedlerInnen bzw. Exilierten schon eine Zeit lang die Nomenklatur übernommen hatten. Und ganz offenbar haben die sich auch untereinander nicht abgesprochen und es gibt dementsprechend viele Wait-a-Whiles. Fauna kriegen wir zwei Golden Orb Spiders zu sehen, die relativ groß und eigentlich sehr hübsch sind. Später lauf ich zwei-, dreimal nur knapp nicht durch ein Netz durch. Nicht unglücklich darüber, hätte ich sie doch trotz ihrer Nicht-Tödlichkeit nur ungern im Gesicht gehabt. Und natürlich Hände voll Papageien und Honigfressern und der ganzen Volierespartie. Aber fast weniger los als mitten in der Stadt, muss man sagen. Kasuar n’est pas la, aber auch keine Reptilien. Gerade in deren Richtung hat man für uns ganz schön in der Möglichkeitenkiste gekramt: Schlangen, Leguane, Eidechsen, Skinks – die ganze Palette. Aber jetzt alle mit Abwesenheit glänzen. Ist vielleicht auch ein bisschen darauf zurückzuführen, dass die Straße nebenan gerade erneuert wird, die das Unwetter weggerissen hat. Und vielleicht auch, weil wir einem abgesicherten Dschungellehrpfad folgen, der sich durch ein parklplatznahes Randstück jener Grüne Hölle schlingt. Möglicherweise nicht ganz das Urwalderlebnis, das man sich vorstellt.

Rein in den Bus, nächste Station: Cape Tribulation, quasi das Kummer Kap. Dazu gibt s eine Geschichte, aber im Wesentlichen machen wir hier ein eine Mittagspause (ja!, grad eins ist es oder was) auf einem schönen weißen Sandstrand, der direkt in den Urwald übergeht. Allerdings lieber nicht ins Wasser gehen, weil niemand will hier jetzt Krokodile sehen, die wir zuvor nicht zu Gesicht bekommen haben. Sehr charmant finde ich, dass uns Wylie erst während der Weiterfahrt die Krokodilwarnungen durchgibt. Weil auch hier gilt: die letzte Person, die in Queensland einem Krokodil zum Opfer gefallen ist, das ist schon wieder lange her und im Wesentlichen ist nächtenes Nacktbaden in den Gewässern da oben halt einfach nicht zu empfehlen und wenn man nicht ein bisschen mit der Vernunft an die Sache geht, dann… na ja. Ein wenig gesunde Vorsicht, aber man solle es nicht übertreiben mit der Tödlichkeit der Australischen Fauna. Oder Flora, weil zum Beispiel die Kasuarzwetschke ist nicht besonders gesund. Und man soll sich nicht an die Schleimhäute fassen, wenn man die gehandelt hat oder man schaut möglicherweise eine Woche so aus, als ob man sich geprügelt hätte. Also bisschen Strand, bisschen Urwald, bisschen Warnschilder, bisschen Mittagessen.

Schon schön.

Und am Heimweg besuchen wir noch schnell traditionelle LandeigentümerInnen, quasi Aboriginessiedlung. Hier wurden einst Häuser gebaut, in die die Aborigines einquartiert wurden. Da hat man damals ein bisschen Infrastruktur zur Verfügung stellt oder verpflichtet, mit einem Auge auf die Idee, dass man sie dadurch auch in die weiße Gesellschaft integrieren würde. Ich glaube, dass das so ein Fall war, wo die Kuku Yalanji, die dort traditionell gelebt haben, Anspruch auf das Gebiet gestellt haben. Der Australische Staat hat irgendwann in den späten 70ern nämlich Aboriginesvölkern, ihre Gebiete wieder zuerkannt, wenn sie nachweisen konnten, dass sie eben die traditional landownders seien und halt die Landschaften nicht verbaut waren. Auf jeden Fall ist die ganze Mossman Gorge Gegend heute als ein Zentrum kulturellen Austauschs eingerichtet. Wir sind allerdings vor allem da, um – hunderten Warn- und Verbotsschildern zum Trotz – eine Runde im Fluss zu planschen. Nachdem ich ohne Badehosen dastand, hab ich die Hälfte der Zeit überlegt, ob es sich jetzt eher schickt, bis auf die Unterhosen oder in der ganzen Unterhosen-Shorts-Kombo in den Fluss zu steigen. Weil ich hatte sowohl ein Handtuch, als auch eine zweite Hose einstecken. Ich bin ja vorbereitet, wenn ich einen Urwaldausflug mach, nur nicht für s Baden gehen.

In den nassen Unterhosen im Bus sitzend, geht mir ständig warnend das Wort Blasenkatarrh durch den Kopf. Hat sich aber ausgezahlt. Nachdem ich am Morgen schwer mit meinen riffausflugsbedingten Salzwasserhaaren zu kämpfen hatte, hab ich dort festgestellt, dass ich hundertmal lieber in einem kalten Fluss bade als im Meer. Vom Kulturzentrum kriegen wir nur zehn Minuten Shop mit.

Wiedereinmal nicht mein Foto, aber so schaut s dort aus, selbe Stelle, andere Leute.

Wir haben dann übrigens noch einen Kasuar erwischt. Nachdem Wylie schon einführend gesagt hat, wir sollen schreien, wenn wir einen sehen und dann noch warnende Geschichten erzählt hat, über TouristInnen, die im entscheidenden Moment nicht wussten, was sie denn schreien sollen, kam auf der Fahrt zum Gorge der ausgemachte Ruf: Bird! Und tatsächlich: als wir stehengeblieben sind, sehen wir durch die Rückscheibe einen Kasuar mit Anhang die Straße überqueren. Der kleine sei wohl so sechs Monate alt. Wir reversieren und wir folgen den Kasuar ein bisschen in eine Abzweigung in den Wald hinein. Der Vater schaut skeptisch, aber wir halten uns eh auf Distanz und sehen ihnen noch ein bisschen beim Rumstaksen zu. Natürlich letztlich vollkommene Überforderung: Kamera, Fernglas, Moment genießen. Aber das hat das ganze Meh vom Vormittag deutlich relativiert. Auch Wylie ist zufrieden, Kasuarzeigen ist sein Lieblingsteil der Tour und kann nicht garantiert werden.

Heißt Wylie und sucht einen blauen Vogel mit komischem Kopfschmuck – ist nicht irre überraschend.