Fritz-San, I was wondering…

…what do you miss most, in Japan?

Du meinst jetzt insbesondere in Japan? Das ist nicht schwer: Ich hab die ersten zehn bis vierzehn Tage in Japan einfach kein Obst gegessen. Weil es gab irgendwie einfach keins. Wer sich erinnert, erinnert sich, dass ich auf Tahiti dauernd ein Obst gegessen hab, weil s da war. Das ist quasi das Plädoyer für den Obstkorb, für den Apfeltag. Stattdessen hab ich auffällig mehr Lust auf Wegwerfgetränke gehabt, sprich: Fanta Pflaume und gesüssten Tee. Und was auch immer Calpis Soda ist. Irgendwoher brauch ich meinen Zucker.
Das ist natürlich nicht ganz richtig, dass es kein Obst gibt, weil es gibt Obst. Was mich aber so sehr irritiert, dass es mich abgeschreckt hat, war, dass das Obst erstens anders ausschaut als bei uns und zweitens mehrfach verpackt ist. Und wenn ich sag „anders ausschaut“ dann mein ich, dass es größer ist. Ungelogen: die Weintrauben haben jede zirka die Größe von Golfbällen, die Pfirsiche haben den Durchmesser von einer Kaisersemmel. Und die Äpfel sind auch zehn bis zwanzig Prozent größer. Aber zehn bis zwanzig Prozent von den größten Äpfeln, die s bei uns gibt und bei denen bin ich ja oft schon skeptisch. Und wenn die jetzt in Orangengröße (Navelinas!) daherkommen, dann ist das unheimlich. Und das große Obst ist großteils in so weißen Kunststoffnetzen verpackt. Wie… wie Nashi-Birnen. Oder Weinflaschen manchmal. Wo die Kunststofffäden des Kunststoffnetzes so Udondicke haben. Ja! Irgendwie vergeht s einem da.
In Nagasaki hab ich mir dann einmal vier Feigen gekauft. Die waren nur in so einer Schale und in Plastik eingeschweißt. Wie Schweinefleisch oder vier Limetten beim Spar. Die Feigen waren dann ziemlich gut, aber ich hab mich ein bisschen sehr gierig über sie hergemacht, hab ich mich beobachtet. Bisschen wie die sprichwörtlichen Verdurstenden. Da hab ich gemerkt: das geht mir schon ab.

…what experience do you keep avoiding?

Auch auf das hab ich spontan eine relativ einfache Antwort: die Vielfalt der Getränkekarte, insbesondere Sour- und Highballgetränke. Es ist-a-so. In Japan trinke ich mehr Alkohol, als ich in den Monaten zuvor an Alkohol getrunken hab. Wiederum: weil er verfügbar ist. In jeder dieser Antworten ist eine kleine Public-Health-Message versteckt. Bier ist teuer, aber nichts besonderes. Wir finden Bier im Supermarkt, ich fand Bier in Nagasaki im Automaten. Restaurants werben mit Bier und überhaupt kriegt man oft einmal eine eigene Speisekarte für Getränke oder eben: Getränkekarte. Und auf der Getränkekarte gibt s oft zwei Bier zur Auswahl (mittel und klein) und dann eine Vielzahl von Sour-Getränken und vor allem Highballs. Es ist nämlich so, dass es vollkommen normal ist, zum Essen einen Whisky Soda zu trinken. (Nota bene: ich bin nicht sicher, ob der japanische Whisky nicht vielleicht ein Whiskey ist, aber nachdem er sich mehr nach dem schottischen orientiert, sagen wir mal, es handle sich eher um Whisky.) Und muss nicht unbedingt ein Whisky sein, darf auch was anderes Hochprozentiges sein, aber nachdem Japan ja durchaus auf seinen Whisky stolz sein kann ist es doch vor allem Whisky. Und das kriegt man dann auch zum Beispiel im Supermarkt fertig in der Dose.
Die Sour-Getränke wiederum sind nicht Zitrone und Zuckersirup geschwenktes Hochprozentiges, sondern in verschiedenen Geschmacksrichtungen gefärbter Shochu. Von Zitrone bis Kirsch, von Calpis bis Macha und noch viel, viel geheimnisvollerem finden sich auf den meisten Getränkekarten zumindest fünf solche Geschmäcker zur Auswahl.
Und das hab ich bisher einfach ein bisschen vermieden. Ich trink tatsächlich quasi unüberlegt ein Bier zum Abendessen, nachdem meine Augen die Vielfalt der jeweiligen Getränkekarte überflogen haben. Einmal hab ich ein derartiges Sour-Getränk bestellt, schlagmichtot, ich könnte dir nicht einmal sagen, was das für ein Geschmack war. So wie ich mich kenne irgendwas exotisches. Es war wahrscheinlich auch nicht schlecht, aber es hat mich nicht dazu bewegt, mich in die Untiefen des Regenbogenshochu zu stürzen.

…what made you change your mind, like, generally about Japan, it seemed you were not having the best of times in the first couple of days?

Nu, das ist eine treffende Beobachtung. Ich hab mir am Anfang wirklich etwas schwer getan und ich bin jetzt an einem Punkt, wo s mir wirklich gut gefällt. Erzähl s nicht weiter, aber unter uns denk ich mir manchmal, dass Japan doch vielleicht ein bisschen das ist, wo mich meine Reisen hingeführt haben. Also nicht nur faktisch, dass ich jetzt da bin, sondern dass es so ein Ziel gewesen ist, das mir nicht bewusst war. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass Japan so eine Fantasie war, die ich in jungen Jahren gehabt hab und die ich irgendwann zwischendurch abgeschrieben hab, als zu weit, zu teuer, zu fremd und alles was ich über Japan denke, eh auch viel zu romantisch. So in einer Zeit wo mir vielleicht viele Träume ein bisschen entglitten sind, als mich das Hier-und-Jetzt vielleicht ein bisschen erschlagen hat. Und dann ist Japan irgendwie Anime und Mangas geworden und damit hab ich ja auch nicht wirklich angefangen beziehungsweise was anfangen können. Grad so die erste Staffel Sailor Moon, das geht noch. Aber das zählt ja gar nicht wirklich, bin ich sicher. Ich mein, wie oft hab ich Cowboy Bebop empfohlen bekommen von Leuten, die ich schätze. Wie oft hab ich mir gedacht, dass ich mich nochmal vor Prinzessin Mononoke setzen soll. Aber selbst Ghibli ist für mich Nausicaä und der Nachbar Totoro geblieben. Und dann noch eine kurze Go-Phase, in der eine Begeisterung Platz gehabt hätte, aber nein, hab ich Japan Japan sein lassen. Und vielleicht ist es das ein bisschen, dass ich an was anschließen kann, das ich aufgegeben habe. Oder es ist etwas, wo ich auf eine Gesellschaft treffe, die in vieler Hinsicht so ähnlich funktioniert, wie meine, die aber dann doch wieder ganz fremd ist. Vielleicht ist es aber auch ganz was anderes, dass ich mich jetzt langsam doch beim Reisen souverän empfinde, dass ich, aus Tokio heraußen, mit meinen HostelvermieterInnen Kontakt schließe und auch mit der einen oder dem anderen JapanerIn eine kurze Unterhaltung habe. Dass ich entdecke, dass sich Leute auf der Straße in die Augen schauen. Dass JapanerInnen überraschend herzlich, hilfsbereit und… naja, die Aliteration stößt mich hier auf „heteronormativ“. Aber das biegt mein Argument ein bisschen in die falsche Richtung. Ja, es gibt auch Sachen, die ich gerade weil mir die Modernität, die Westlichkeit und mehr noch der Touch einer skandinavischen Fortschrittlichkeit so im Fokus sind, die mir deshalb besonders gegen den Strich gehen. Zugegeben, ich hab mittlerweile auch junge Männer in ihre Hand lachen sehen, aber ich hab auch von JapanerInnen bestätigt bekommen, wie konservativ die Geschlechterrollen vielerorts gehandhabt werden. Und ja, das sind meine größten Probleme und ich beschwer mich am ehesten über Geschlechterverhältnisse im von mir zu beobachtbaren Alltag und von mir als rücksichtslos empfundene Plastiksackerlverwendung und scheinbar mangelnde Mülltrennung, ausgerechnet. Dann wiederum hat mir die wahlkabine.at letztens empfohlen die Grünen zu wählen, also vielleicht doch nicht so überraschend, dass das meine Themen sind. (Zum ersten Mal seit Beginn der Aufzeichnungen nämlich, ich bin bisher immer etwas mehr mit bekennender linken Formationen assoziiert worden.)
Ja, nein. Ich bin ein bisschen mehr angekommen in Japan, als ich gedacht habe, dass es sich ausgehen wird. Und das hat mit mir zu tun und das hat mit Japan zu tun, das anders ist, als ich es nach den ersten Tagen in Tokio befürchtet hab.

so, I know that technically, following the rules laid out by Alex Horne, this game is played only for three questions, but the Fritz-San, literally the first words on this page, is that strictly necessary, seems a bit weird.

Ja. Eh. Aber erstens, wenn du weißt, dass es technically three questions sein sollen, dann solltest du auch wissen, dass es über meine Antworten eigentlich leichte Musikuntermalung geben sollte und dass das Spiel halt so geht, dass man den Namen vorher sagt. Und weißt du was, ich bin so genannt worden und das war nett. Und dann hab ich gemerkt, wie sehr ich mich freu darüber, so genannt zu werden. Und dass mir das auch ein bisschen bedeutet hat, wie gut ich hier angekommen bin. Ich mein, das soll eigentlich in den Hiroshimaaufsatz, weil der ist finster genug. Aber ich war in Hiroshima am ersten Abend in einem sehr netten Lokal, wirklich mehr zufällig. Und dann war das so nett, dass ich am zweiten Abend wieder hin bin und dann haben sie mich gefragt wie ich heiß und ich hab s ihnen gesagt und ein paar Minuten später hat sie irgendwas zu ihm gesagt, was wahrscheinlich geheißen hat, dass sie mir jetzt diesen Teller bringt, auf jeden Fall hat sie dabei Fritz-San gesagt und das hab ich nett gefunden und ich muss wohl ein bisschen viel gegrinst haben darüber, dass es ihr aufgefallen ist, dass sie das gesagt hat und ich das verstanden hab und zurückgelächelt hat. Und das ist irgendwie auch die ganze Freude über Japan zusammengefasst, dass ich eine wechselseitige Beziehung mit JapanerInnen wahrnehme.

Airportsecurity

Bei der Ausreise hat Australien einfach mehr Personal hingesetzt als bei den Einreiseschaltern. Ich erinnere mich, dass ich dort angestanden bin. Das ist jetzt… sechs Wochen her. Gar nicht schlecht. Und jetzt hab ich zum zweiten Mal mein Visum hergezeigt, weil das haben sie gecheckt. Neuseeland ist, zumindest was Immigration betrifft, kein besonders entspanntes Land. Um einreisen zu können, muss ich beweisen, dass ich wieder ausreise, eben vor der Einreise. Und dafür muss ich für die Ausreise aus Australien ebenfalls ein Visum vorweisen können, nämlich für Australien. Für Neuseeland brauch ich kein Visum, zumindest nicht im Vorhinein, das kann ich mir dann einfach am Flughafen besorgen. Das heißt, dass ich um fünf in der Früh in der Lage sein muss, meinen Namen zu schreiben und wahrscheinlich wieder mein Ausreisedatum anzugeben.

Mein letzter Tag in Melbourne war sehr entspannt. Ich bin zwar um halb neun auf, damit ich mein Bett räumen, meinen Küchenschrank ausräumen und meine übriggebliebenen Lebensmitteln unter den Anwesenden zu verteilen. Natürlich, die Anwesenden waren nur wenige um neun in der Früh. Insbesondere weil Australien heute den ersten Mai feiert, bzw. zumindest Tag der Arbeit, Labour Day. Und deswegen ist heute frei gewesen. Von Australia Day bis Labour Day. Und dann sind um zehn oder so wirklich erst die letzten von ihren Parties zurückgekommen. Da dürfte ganz schön die Post abgegangen sein. Ich mein, ich hab gestern zum Verabschieden auch einen Schluck getrunken. Aber die haben heute in der Früh nochmal richtig angefangen. Weil wenn man in der Früh nachhause kommt und vielleicht die ganze Nacht auf seiner Chemie geschwommen ist, dann bekommt man am Morgen ein wenig Durst und schlafen ist offenbar noch nicht drin gewesen. Dann haben die Burschen bis um drei am Nachmittag tatsächlich noch sechs Bier oder was getrunken. Und der F. hat von Stunde zu Stunde müder dreingeschaut, während der andere F. sich schon einmal aufs Ohr gelegt hat, aber so wirklich scheint ihn die Chemie nicht gelassen zu haben und da stand er dann wieder mit der Kaiserschmarrnidee, die gestern zu Ehren – oder zumindest aus Anlass – des Österreichers entworfen wurde. Aber letztlich hat sich niemand in die Küche gestellt, wahrscheinlich hätten wir auch keinen Schneebesen oder vergleichbares gefunden. Aber über die Grundpfeiler wurde lange diskutiert: keine Rosinen. Und einig waren wir uns darüber, dass eher Zwetschkenröster daneben stehen sollte als Apfelmus und ich war dann noch ein bisschen beeindruckt, dass das Wort „Zwetschkenröster“ überhaupt ein Konzept war. Zumindest dem Koch.

Und so saß ich heute den ganzen Tag in der Sonne und hab als es notwendig erschien, die Bier nicht nur den torkelnden Feierleichen zu überlassen, ebenfalls zur Dose gegriffen. Den Gehsteig haben wir damit ein bisschen blockiert, nicht immer waren alle in der Lage, ihre Beine einzuziehen, wenn jemand Passage gesucht hat, dafür sind zwei-, dreimal Obdachlose mit der Bitte um eine Zigarette durchgeschlichen, mit denen wir – das heißt auf jeden Fall immer noch mehr die anderen – sehr kollegiale Gespräche hatten. Aber es waren nicht nur die Obdachlosen, die sich mit einem enjoy the day verabschiedet haben, sondern durchaus auch Familien, Jugendliche, RestaurantarbeiterInnen und die Rollatorfahrerin. Und nachdem E. angefangen hat, ihre Pfeiffähigkeiten unter Beweis zu stellen und den vorbeigehenden Männern ausnahmslos nachzupfeifen, hatten wir sogar kurz einen Neuseeländer zu Gast, der auf die Aufforderung bzw. Einladung sit down, have a beer mit einem why not antwortete und sich niederlassend aus seinem Einkaufssackerl eine Dose Bier zog.

Es war übrigens keine Überraschung festzustellen, dass die Deutschen, mit denen ich da heute und die letzten Tage einen guten Schmäh laufen hatte, mehrheitlich Sachsen waren. Es war ja durchaus herzig, wie oft ich gehört habe, wie antiquiert meine Sprache klingt, aber auch wie elegant und diplomatisch. Ich hab mich dabei zurückgehalten, ihnen dass mehr als eine meiner Eigenheiten denn eine allgemein österreichische zu erklären. So hat insbesondere E. viel Spaß gehabt, die immer wieder unterstrichen hat, wie sehr sie sich darüber freue, sich so auf Deutsch unterhalten zu können. Sie ist offenbar gerade drei Monate in Port Hedland arbeiten gewesen, was nicht immer so großartig gewesen zu sein scheint. Gleichzeitig hat sie es sich auch nicht nehmen lassen, den Franzosen ständig mit Phrasen ihres etwas eingerosteten Schulfranzösisch zu kommen. Wobei Phrase vielleicht ein bisschen zu hochgegriffen ist, oft waren es bloß einige in verschiedenen Tonlagen und auf jeden Fall mit Hingabe gehauchte frommage. Aber ich bin der letzte, der jemandem die Freude an Französisch nehmen würde, wenn es noch so schlecht ist. Und die Franzosen waren ja selber auch eher auf Chemie und sind dann um zwei sogar wieder zurück auf ihre Afterparty geschlichen, die haben ihr das wohl nicht übel genommen. Abgesehen von sehr viel Blödelei und Stumpfsinn, hat sich gerade E. außerdem increasingly über ihre eigenen Verhaspelungen meinen Berufs betreffend amüsiert: Aus dem „Soziologen“ ist oft einmal (und wenig überraschend, das passiert schnell) ein „Sozialarbeiter“ geworden, letztlich ist sie zur wiederholten Erheiterung jedoch auf „Sachbearbeiter“ hängengeblieben. Was ich zugegebenermaßen auch sehr witzig gefunden hab.

PS: Ich hab endlich die Videos im Fischbeitrag hochgeladen. Flughafeninternet ist mehr als befriedigend schnell.