Felsenfest

Die Tour zu den Felsen in den Northern Territories ist schon ganz ok. Wir besuchen was weitläufigerweise als Uluru bekannt ist, den der Herr Entdecker Ayer’s Rock getauft hat, als ob er noch keinen Namen hätte. Wir besuchen die drei Olgas, die Kata Tjuta geheißen haben, als ihnen der Name gegeben wurde und wir wandern durch den King’s Canyon. In den sich hunderte Aborigines zurückgezogen hatten, auf der Flucht vor den Briten, die sie letztlich auf den dortigen Felsen massakriert haben. Die Gegend wird von den Anangu verwaltet, die die traditionellen LandbesitzerInnen sind. Wenn man das jetzt vergleicht übrigens, mit der Karte von letztens, dann steht ist das die Region, in der Pitjantjatjara steht. Ich weiß auch nicht… wahrscheinlich ist das eine die Sprachgruppe und das andere die Bezeichnung, die sich die Gruppe dort selbst gegeben hat. Vielleicht erinnere ich mich richtig, wenn ich sag: Anangu heißt auf Pitjantjatjara etwas in die Richtung von Mensch oder Leute. Ich glaub, so war das. Aber man ist mit den drei, vier Begriffen, die man da auf so einer kleinen Einführung gesagt bekommt, eh schon überfordert.

Und es ist immer wieder das Alter, das mit imponiert. Das geologische Alter und die Geschichten von Superkontinenten, dem von Meeren überfluteten Australien, von Gebirgen, die niemals jemand gesehen hat, weil Erosion sie vor Millionen Jahren über das Land verteilt hat, Sandstein gebildet hat… Und die Geschichten vom kulturellen Überbau, von den Jahrtausenden, die diese Felsbrocken kulturell-historisch aufgeladen sind und richtungsweisend für die sind, die hier vor zehntausend Jahren vorbeigegangen sind.

Alter Baum vor altem Sandstein.

Das ist alles sehr schwierig zu verstehen für mich. Unser Fahrer erklärt uns das, aber sagen wir einmal, er erklärt das natürlich ein bisschen leger, weil im Bus sind wir BackpackerInnen, die ein Hakerl auf ihrer Welt-Sehen-Liste machen wollen. Und eine Geschichte über den Uluru bekommen wir auch erzählt – jetzt: prinzipiell würden Geschichten jeweils dort erzählt, wo sie spielen und es sei eigentlich nicht ok, die Geschichten woanders zu erzählen. Es gibt also ein mythisch-historisches Ereignis am Uluru, wo verschiedene TierrepräsentatInnen mit AboriginesrepräsentantInnen interagieren, wobei immer schön festgehalten ist, wer von wo kommt und wohin abwandert oder vertrieben wird. Der Raum spielt immer eine wichtige Rolle in diesen Erzählungen. Weil nicht zuletzt dienen die Geschichten der Orientierung und wer die Geschichten gut genug kennt, der kennt sich auch beim Queren der Wüste aus, der Wüste, aber des ganzen Kontinents letztendlich.

Das trifft sich etwa mit was ich bisher vom Bruce Chatwin gelesen hab: Dort kommt noch dazu, dass er die Geschichten immer in Form von Liedern beschreibt, über die die Landschaft erzählt und beschrieben wird. Sie erzählen, was sich am Anfang der Zeit, in der dreamtime, zugetragen hat. Da sind alle Tiere und Pflanzen unterwegs gewesen und haben sozusagen die Grundlagen festgelegt. Das sind einfache Sachen, wie die Geschichte vom Känguru und dem Delphin, die ich gestern in einem Kinderbuch gelesen habe. Wo das Känguru den Delphin bittet, auf ihr Kind aufzupassen, damit sie bush tucker sammeln gehen kann. Essen, das das Land hergibt. Und als es zurückkommt, bittet der Delphin das Känguru auf sein Kind aufzupassen. Als jetzt aber der Delphin vom Jagen und Sammeln zurückkommt, will das Känguru das Delphinkind nicht mehr hergeben und als es zu weinen anfängt beharrt das Känguru darauf, dass es nach ihm ruft. Es nimmt einen Stock und schlägt dem Delphin damit auf den Kopf. Daraufhin nimmt der Delphin einen Stock und schlägt dem Känguru quer über beide Arme. Der Streit eskaliert also und der Delphin geht ins Meer und sagt, er kommt nie wieder zurück. Und wenn man heute einen Delphin sieht, dann kann man auch das Loch in seinem Kopf sehen, durch das er Wasser bläst. Und das Känguru auf der anderen Seite kann bis heute mit seinen Händen nichts hochheben, sondern sie nur zum Abstützen verwenden.

Da ist es sogar, das Bilderbuch. Ja, hab ich einfach mal schnell gelesen im Buchgeschäft. Besser nichts in einem Buchgeschäft kaufen als irgendwas bei Amazon.

Solche Entstehungsfabeln halt. In all diesen Geschichten scheinen die Beziehungen zwischen den einzelnen Aboriginesgruppen, der Landschaft, der Tier- und Pflanzenwelt festgehalten zu sein. Und es gibt verschiedene Genauigkeitsgrade dieser Geschichten, die dann verstärkt Geheimwissen sind, das zu wissen aber notwendig ist, um sie tatsächlich zur Orientierung nutzen zu können, weil darin dann halt die Positionen von Wasserstellen etc. festgehalten sind.

Aber letztlich ist der kulturelle Aspekt, der interkulturelle Aspekt nur eine Anekdote, wir Außenstehenden finden das vielleicht ähnlich faszinierend wie die Landschaft und die Tier- und Pflanzenwelt. Und demensprechend plaudert unser Fahrer auch gern und lang darüber, wie er Uluru eigentlich weniger beeindruckend findet, als die Steine, die wir uns in den folgenden Tagen anschauen. Und es stimmt wohl sogar, dass die symbolische Bedeutung des Uluru vor allem eine westliche ist, etwas, wofür man in die Mitte des Kontinents fliegt, um sich dort ein Symbol anzusehen. Aber er ist wohl auch aus der Sicht der Aborigines nicht so viel bedeutsamer, als etwa Kata Tjula, das wir uns am zweiten Tag anschauen. Ich fand auch sehr interessant, wie diese Geschichte mit dem Nicht-Raufklettern tatsächlich abläuft. Es ist nicht verboten in dem Sinn. Es stehen Schilder, auf denen gebeten wird, nicht hinaufzuklettern, aber letztlich steht s den Leuten offen und auch unser Fahrer sagt mehr oder weniger, ja, bitte, schon, aber bitte nicht. Und es ist eine ganz komische Form von Anweisung. Interessant, jetzt wieder mehr von der geologischen Seite her ist, dass Uluru literally nur die Spitze des Eisbergs ist und fünf- bis neuntausend Meter unter die Oberfläche reichen soll. Das ist fast nicht vorstellbar. Und er drehe sich langsam, sodass die eine Seite noch nicht so lange an der Oberfläche sei, wie die andere. Aber alles erstaunlich schlecht untersucht, hier dann wahrscheinlich doch, weil die Aborigines nicht wollen, dass da diese wichtigen Plätze umgegraben werden. Als wir am Abend gemeinsam mit anderen TouristInnen aus dutzenden Reisebussen an einem Parkplatz stehen, Crackers mit Dip futtern und nach einem langen Tag von einem Glas Sekt schon ein bisschen ins Schwanken kommen, um das Farbspiel auf dem großen roten Sandsteinblock zu beobachten, stehen Wolken am Horizont und die Sonne enttäuscht, weil nichts mit Farbspiel. Ähnlich knapp an super vorbei ist es dann in der Nacht, wo wir unter offenem Himmel schlafen, aber erstens quasi Vollmond und zweitens Wolken. Und der Kompass auf meinem Telefon ist notorisch schlecht unterwegs und dementsprechend suche ich auch das Kreuz des Südens wo ich es nicht finden kann.

Also, wenn ich „Wüste“ sag, darf man sich natürlich einmal mehr nicht auf die Bilder verlassen, die einem dabei womöglich in den Kopf kommen. Es ist mehr halt trocken, aber es gibt viele Pflanzen, die sich da gut angepasst haben.

Am nächsten Tag stehen wir um vier auf, weil wir den Sonnenaufgang über dem Uluru erwischen wollen. Hier sind die Wolken jetzt von Vorteil, weil alles ein bisschen dramatischer machen. Das ganze mit anderen TouristInnen auf einer Plattform stehen und auf die Sonne warten ist mir gleich wieder nicht so sexy. Aber die Augen stehen gebannt am Horizont und das dauert ganz schön, bis sich dort was tut. Als erstes kommen die Fliegen zurück, die in der Nacht scheinbar auch schlafen gehen. Es gibt sehr viele Fliegen in der Wüste und sie lieben Gesichter und verschwitzte T-Shirts. Ich habe relativ bald einmal beschlossen, dass mir das jetzt egal sein wird, weil ich die Fliegen den Gelsen bevorzuge, aber sowas von bevorzuge und alle aufsetzbaren Fliegennetze verweigert bzw. hergeborgt hatte (weil die Alice’s Secret Leute haben mir eins ausgeborgt). Das hat mir kurzerhand den Spitznamen Flyboy eingebracht, nachdem Olly sich an den scheinbar aus meinen Augen kommenden Fliegen mit Teenagerfreude geekelt hat.

Fliegennetze und Sonnenaufgang (nicht im Bild).
Nach einer halben Stunde Warten habe ich leider die ersten erleichterten „there she is“ und „here we go“ verpasst, als das erste Stückchen Sonne über dem Horizont sichtbar wurde. Hier ein bisschen von der allgemeinen Geräuschkulisse.

Unser Fahrer hatte uns in der Früh noch mit Nachdruck daran erinnert, dass das beste am Sonnenaufgang natürlich die Phase vor dem Sonnenaufgang sei und wie wahre SonnenaufgangwertschätzerInnen das natürlich wüssten. Ich mein, der war schon okay unser Lochy, aber er hatte einen Zeitplan und wenn ihm der zu sehr durcheinander gekommen ist, dann ist er auch schon einmal bisschen grantig geworden. Und nachdem wir den ersten Tag eh vor allem Leute abholen rumgefahren sind, war er von Anfang ein bisschen im Minus, was die gute Laune betrifft – „We’re not in fucking Italy…“ Als jemand, der mit einer gewissen Sensibilität für Zu-spät-von-wo-Loskommen aufgewachsen ist, war der Umgang damit nicht ganz einfach. Aber es hat sich eingerenkt und am dritten Tag waren wir alle relativ entspannt und das Ende unseres Ausflugs durchaus etwas zu bedauern.

Auch die zweite Nacht haben wir unter freiem Himmel geschlafen, um ein Lagerfeuer herum. So schaut s nämlich aus. Ich nehm an, es war einfach so, dass die anderen da geschickter waren, aber ich bin natürlich voll im Wind gelegen und hab am nächsten Tag gerochen wie eine Selcherei. Plus, der Mond immer noch recht voll und wenig Sterne. Aber immerhin das Kreuz des Südens gefunden. Und ich glaub, ich hab einen Dingo gesehen, aber das war nur ein Schatten und ich glaub, den werte ich ein bisschen auf, nachdem einige von uns am nächsten Morgen von Dingos erzählt haben, die sich in der Nacht zwischen uns Schlafenden einen Weg gesucht haben. Dingos übrigens stammen nicht von europäischen Hunden ab sondern sind vor achttausend Jahren nach Australien gekommen und haben wohl chinesische Vorfahren.

Fliegen.

Der King’s Canyon ist dann vielleicht wirklich der schönste Spaziergang. Da ist so eine Schlucht, ein Canyon eben, der ganz gut Wasser für sich behält und dementsprechend dann auch Flora und Fauna. Es ist schon etwas anderes, einen Schwarm kreischende Wellensittiche zu sehen, als einen auf einer Stange sitzen zu sehen, das ist vielleicht die eindrucksvollste Erfahrung. Eindrücklich waren sonst die Warnungen, dass wir nicht zu nahe an die Abgründe gehen sollen, weil da ist vor nicht allzulanger Zeit eine runtergefallen und – da wird von Lochy wild ausgeschmückt – die sei auch nicht gleich tot gewesen sondern noch lange leidend dagelegen, er habe den Befund zuhause. Das ist irgendwie ein komische Situation, in der gleichzeitig diese drohenden Warnungen ausgesprochen werden und nebenbei dann noch ein Spiel initiiert wird, in dem, wer von anderen dabei ertappt würde, zu nahe an die Kante gestiegen zu sein, werde mit einem Löffel Vegemite bestraft. Es sind verschiedene Szenarien, die hier gleichzeitig aufgemacht werden. Und es gibt dann auch nur einen kurzen Vorfall, aber auf die Vegemitedenunziation verzichten zu meiner Erleichterung alle. Gute Gruppe.

King’s Canyon. Und da gibt s auch den relativ vollen Mond. Aber dass der gut rüberkommt, braucht man, glaub ich, einen optischen Zoom.
Eh zurückhaltend, die Wellensittiche aus dem King’s Canyon.

Ja, die gute Gruppe, das sind Sabrina, Olly, Sophia, GP, June, Joy, Yuko, Hikaru und die dritte Japanerin, Jack, Vanessa und ich. Wir sind gut ausgekommen, selbst wenn ich den Namen der dritten Japanerin nicht griffbereit hab. Wir waren ein bisschen weniger als erwartet, hieß es, weil da waren noch drei – möglicherweise FranzösInnen – die sich beim Buchen vielleicht ein bisschen beim Monat vertan hatte und in Sidney waren, anstatt am Flughafen des Uluru Kreisverkehrs. Weil nachdem das Flugfeld direkt neben dem Uluru angefangen hat, Spuren am Felsen zu hinterlassen, haben sie eine Siedlung aus dem Boden gestampft, inklusive Flughafen, in der vom Campingplatz bis zum Fünfsternhotel alle Gäste nebeneinander untergebracht werden. Und keines der Gebäude ist höher als die Dünen, die drumrum sind, sodass man s von ein paar hundert Metern entfernt schon nicht mehr sieht.

Hier warten wir am Flughafen von Yulara, ob nicht noch jemand von unserer Gruppe zu finden ist. Ich hab das lustig gefunden, dass da ein Schild steht, das die Leute dazu auffordert, hier nicht zu stehen. (Wahrscheinlich richtet sich das Schild in Wahrheit an FahrerInnen.) Die anderen haben das nicht so witzig gefunden. Und dann hatten wir noch eine kurze Diskussion über die Persönlichkeitsrechte der Leute auf dem Bild.

Auf jeden Fall sind immer wieder ein paar neue Leute in den Bus eingestiegen, nachdem wir aus Alice Springs zunächst nur zu dritt losgefahren und dann nach und nach immer ein paar dazugekommen sind. Dann haben wir natürlich auch unser Essen selbst gemacht, weil die Mulgas günstig sind und da lernen wir dann, wie man in Korea, Australien und England eine Gurke schneidet oder einen Salatkopf aufbereitet. Das verbindet natürlich. Und beim UNO Spielen hab ich dann noch vier Farben auf Japanisch gelernt: hiiro, mídori, und aka. Wobei ich bei mídori mit dem Akzent eine Betonung kennzeichnen möchte und bei vielmehr, dass es da mit der Stimme nach unten geht. Nicht wie ein jaulender Hund, weil mit dem hat sie mich zuerst verglichen.

Altersmäßig stoße ich mit dem Kopf mal wieder deutlich aus dem Durchschnitt hervor, aber darüber lässt sich eigentlich weitgehend hinwegsehen. Jetzt ist das gegenseitige Alter interkontinental eh oft schwierig festzustellen und außerdem sind wir ja alle unter fremden Himmel und mit ähnlichen Eindrücken konfrontiert, die uns allen neu sind. Am zweiten Abend diskutieren wir mal ein bisschen die Alter – an unterschiedlichen Tischen, weshalb ich bis zum Schluss nur von der Hälfte weiß, wie alt sie tatsächlich sind. Und das war vielleicht gar nicht ideal, weil uns das ein bisschen eine Unschuld genommen im Umgang miteinander.

Zu sechst geht es am dritten Tag nach Alice Springs zurück, die anderen haben sich großzügige vier Tage gebucht. Und nach unserer Rückkehr nach Alice Springs, nehmen sie mich trotzdem zum Feiern mit. Also, zum Trinken. Und dann haben wir eine interessante Variante von Pflicht, Wahl, Wahrheit gespielt und eine Runde Never-Have-I-Ever, wobei eine in der Runde eine Behauptung aufstellt, dieses oder jenes noch nie getan zu haben und alle, die dem nicht zustimmen können, nehmen einen Schluck von ihrem Getränk. Oder: Man flüstert seiner NachbarIn eine Frage ins Ohr, wer wohl in der Runde am ehesten oder häufigsten dieser oder jener Tätigkeit nachginge und die muss dann auf jemanden deuten und dann kann man Trinken, um die Frage zu hören. Ich möchte glauben, dass diese Spiele letztlich dann doch alle spüren haben lassen, dass ich doppelt so alt bin wie andere in der Runde. Es ist da aber eh schon stärker auf das Trinken fokussiert worden und dann braucht man glücklicherweise auch keine Trinkspiele und intimen Geständnissen mehr.

Mei, was die Shots wegstecken… nicht nur können sondern auch wollen! Und natürlich diese Kultur des Rundenkaufens, die möglicherweise zweimal etwas gestockt hat, als sie bei mir angekommen ist. Aber auch weil ich ab einem gewissen Punkt festgestellt hab, ich pass hier grad ein bisschen mehr auf eine Gruppe von mehr und mehr betrunkenen Teenagern auf. Und dann bin ich ein paar mal Wasserholen gewesen und irgendwelche Leute einfangen, während die anderen schon in die Bar daneben gewandert sind. Lustig ist es trotzdem gewesen und dementsprechend kaputt bin ich auch am nächsten Tag, nachdem alle gut nachhausegebracht worden sind. Aber ich hab auch nichts anderes zu tun als in der Hängematte zu liegen.

Und als ich am letzten Tag in Alice Springs meine Wäsche zum Trocknen aufgehängt hatte, hat s echt noch zum Regnen angefangen…

Main tree, dain tree

Cairns ist in vieler Hinsicht ein sympathischer Platz, auf jeden Fall krieg meine asiatischen Restaurants. Wenn es letztlich aber doch etwas aufdringlich touristisch ist, liegt das wohl daran, dass ich in Wahrheit nur das Zentrum zu Gesicht bekomme. Cairns ist einundfünfzig Kilometer lang und an der breitesten Stelle bloß vier Kilometer breit, es läuft quasi die Küste entlang. Strandmaximierung. Insofern sind die einzelnen Stadtteile zum Teil weit entfernt und wie der Regenwaldchauffeur sagt, lassen die CairnserInnen den Kern der Stadt gern den TouristInnen. Und die nehmen das gerne entgegen: randvoll mit TouristInnen, von den BackpackerInnen bis hin zu den Hiltons. Ich mein, Gilligan’s, gegen das ich mich nur knapp entschieden hab, als ich in Hervey Bay Hostelflyer durchgegangen bin, die bespielen quasi den ganzen Block mit Jugendherberge, Dancefloors, Reisebüro, Freizeitgestaltung. S’wie Cluburlaub – unheimlich. Dahingegen ist mein Dreamtime richtiggehend dreamy, auch wenn ich dafür hinter s Einkaufszentrum muss. Aber wenn ich über die Auffahrt das Parkdeck erklimme, kann ich auch einfach mitten durch das Einkaufszentrum gehen.

Vorschläge für s Wochenendprogramm.

Was es auf jeden Fall gibt, sind Flughunde. Ich muss gestehen, im Dunklen unter einem kreischenden, unter ständigem Flattern oszillierenden Baum durchgehen, ist schon etwas unheimlich. Aber es ist auch ungschickt, wie ich schnell begreife, als mir bei meiner Sammlung exotischer Erfahrungen (oder halt Mutprobe) eines der Tiere auf die Hand kackt. Und dabei hab ich noch Glück gehabt, weil halt auf die Hand und nicht die Haare vollgeschissen oder orange Flecken am T-Shirt. Schaut insgesamt nicht gesund aus und riecht auch… naja, es riecht nicht viel anders, als es sowieso unter dem Baum riecht. Dass der Geruch hier fehlt, nimmt wirklich einiges vom Erlebnis. Dennoch, wie, frag ich mich noch, machen die das, wenn sie kopfüber hängen?

So geht das jeden Abend. Und jeden Abend stehen wir Touris an den Straßenecken und filmen mit unseren Handyfonen in den Abendhimmel hinein.

Was Cairns hingegen nicht hat, ist Strand. Also, natürlich hat Cairns Strand, wenn ich raten müsste, wohl achtundvierzig Kilometer davon. Aber halt grad nicht dort, wo der Hafen ist und nicht dort wo die Esplanade entlangläuft. Und das ist halt dort, was ich hier dauernd das Zentrum nenne. Aber, Cairns will nicht enttäuschen und hat um die üblichen öffentlichen Grillstationen herum einfach einen Pool gebaut. Da ist – quasi mitten in der Stadt – ein öffentlicher Pool. Kein Eintritt, keine Zäune, aber Duschen, Sandstrand und BademeisterIn. Und drei große Metallfische, die dafür sorgen, dass der Pool seinen Wasserstand erhält. Es ist schon schick, im ersten Moment erstaunlich surreal für meine Augen. Und natürlich, die Augen! Meine Reaktion, wenn ich über die Straße gehe und auf der anderen Seite liegen sie wieder, die Dudes und die Bikinimädchen. Ich weiß ja nicht, was ich mit meinen Augen machen soll, so viel Nacktheitspeinlichkeit erlebe ich sofort. Am zweiten, dritten, vierten Tag geht s dann schon etwas besser, aber ich hab s bis zuletzt nicht geschafft, mich bebadehost dazuzusetzen. Ich bin schon gesessen, Hemd, Hosen und He-reader, bisschen an eine Palme gelehnt, lieber auf der Wiese als im Sand. Und natürlich nicht in der Sonne, ich mein… nein. Zum Schnorcheln hab ich mir in der Früh den Rücken eingecremt, das ist weit mehr Arbeit als es es wert ist. Und wir haben ja dann eh Stingersuits bekommen. Weil eben, und das ist vielleicht auch ein Grund, warum Cairns ein Schwimmbad macht anstatt sich den Strand aufzuschütten: Das Wasser da oben ist voll mit Getier, von der Qualle bis zum Krokodüü. Und selbst die CairnserInnen baden an den schönen Stränden, an denen ich im Norden vorbeigefahren bin, nur von Netzen umgeben. Netze, die der Regenwaldtourguide als unangenehm großmaschig beschreibt. Und ja, die Quallen, die einen in drei Minuten dahinraffen, die passen da nicht durch. Aber die fingernagelgroßen sollen auch unangenehm sein und in Massen durchaus tödlich.

In meinem kleinen Phó Lokal scheint man dann doch fernab von allem zu sein, auch wenn die Musik sagt, dass jetzt dann schon langsam die Sperrstunde kommt, während im Hintergrund abgewaschen wird.

Für den Regenwald heißt s ebenfalls um sechs Uhr aufstehen. Und nachdem ich vom Schnorcheln müde eh um zehn im Bett war, ist das ja kein Problem. Außer mir sind schon zwei Mädels im Bus, die sich mit jeweils deutschem Akzent auf Englisch unterhalten. Stellt sich später heraus, dass die eine Niederländerin ist, aber eine Stunde lang denke ich, die hätten einander einfach nicht gefragt, woher sie sind. Währenddessen sammeln wir noch drei ChinesInnen, zwei Däninnen, zwei AustralierInnen, eine Schweizerin, eine Kanadierin und eine Deutsche ein, die ihre weltreisende Tochter besucht und meint, sie merke schon ein bisschen, irgendwie ständig nur arbeiten, das könnte es wohl auch nicht sein. Da kriegen wir halbwegs einen Bus voll, licensed to carry 21 passengers. Nachdem das wir erst einmal aus Cairns raus müssen und dann noch in den Urwald und schließlich wieder alles zurück, also wir verbringen insgesamt schon viel Zeit im Bus.

Gefahren werden wir heute von Wylie, der auf den Feedbackbögen, die am Ende rumgehen, von keinen zwei Leute gleich geschrieben wird – weil ich wollte nachschauen, wie man ihn schreibt, eh klar. Er arbeitet zum ersten Mal seit Jahren an einem Samstag und niemand fragt in wieso. Aber er hat (trotzdem?) einen guten Humor oder auch ganz gute Perspektive, sag ich jetzt einmal: was er sagt interessiert mich, wie er seine Prioritäten auf unserer Tour setzt, find ich gut. Und natürlich ist es das erste Mal seit Wochen, dass ich so wirklich einen Tag lang mit Leuten im Kontakt bin, das ist schon auch recht aufregend.

Erste Station ist eine kleine gemütliche Bootsfahrt über den Daintree. Heißt alles nach dem Herrn Daintree, der hier in der Gegend früher mal Geologie und Photos gemacht hat. (Früher, als man Fotos noch mit Ph geschrieben hat.) Obwohl wir selbst eine durchaus junge Partie sind, aus der ich altersmäßig schon deutlich nach oben raussteh, nivellieren mich die RivercruisebesucherInnen bis ich unterm Durchschnitt wieder rauskomme. Es ist ein bisschen eine PensionistInnenfahrt. Vielleicht dementsprechend werden wir mit Tee und Biscuits begrüßt, wer will kriegt auch einen Kaffee eingeschenkt. Aber der Tee wird hier in der Gegend angebaut und später seh ich meine erste echte Teeplantage. Natürlich nix mit Handarbeit hier. Sicher, man könnte die BackpackerInnen durchschicken, das würde auch nicht mehr kosten, aber man hat sich dafür entschieden, den Tee mehr oder weniger mit dem Mähdrescher zu ernten. Aber natürlich ist Tee trotzdem gut, wenn man das Gefühl hat, der ist… frisch. Oder halt von nebenan.

Rivercruisebootsaussicht mit kanadischem Ellenbogen.

Auf der Rivercruise sind wir vor allem auf der Suche nach Krokodilen. Natürlich. Wir kriegen dann in erster Linie Mangroven zu sehen, weil die verstecken sich nicht so gut. Und wenn das alles stimmt, was der Bootschauffeur erzählt, ist mitunter beeindruckender als Krokodile, weil der Daintree Rainforest eben so viele Millionen Jahre alt und irgendwie 80% (Hausnummer!) der weltweiten Mangrovenspezies kommen hier vor und manche natürlich überhaupt nur hier vor. Weil wir schon so nah beim Meer sind, dass bei der Flut das Salzwasser den Fluss hochspühlt. Und er sagt irgendwas mit Prozenten und Verdünnungsfaktoren und so, aber das sind so Zahlen… Und letztlich sagt er, alles grad ein bisschen in der Krise, weil die Unwetter der vergangenen Wochen so viel Sand über den Mangrovenschlamm geschüttet haben, dass da die Luft nicht mehr zu kann und ob die jetzt nicht ersticken oder verfaulen oder zumindest die kleinen Krebschen verrecken, die da sonst das Mangrovenlaub aufbereiten. Schnipp-schnapp. Ein kleines Fakterl, das mir außerdem gut gefallen hat: Mangroven hätten üblicherweise ein sog. Opferblatt an ihren Ästen: In das jeweils älteste Blatt wird das Salz, das sie nicht aus dem Wasser rauskriegen, abgelagert. Weil eigentlich machen die irgendwelche Special-Osmose oder was, damit das Brack im Fluss bleibt und nur feines Süßwasser in die Wurzeln kommt. Aber ganz sauber geht das halt nicht und deshalb ins Opferblatt. Und tatsächlich sieht man an einigen Spezies ganz gut, dass an jedem Ast ein gelbes Blatt hängt.

„That’s the cannonball mangrove…“

Noch eins, weil das auch aufregend ist: Die eine Mangrove ist quasi lebendgebärend. Whaaaa!? Ja, weil die macht nicht Samen, die sie fallen lässt, sondern da keimt es noch am Stengel und dann wächst richtig schon ein Setzling, vielleicht 30cm lang und fingerdick. Und wenn der fertig ist, fällt er vom Baum, rammt sich in den Mangrovenschlick und kann von dort weiterwachsen. Ich nehm an, im Salzwasser keimen ist einfach nicht besonders einfach.

Jedenfalls kriegen wir nicht so wirklich Krokodile zu Gesicht. Und natürlich ist das eine Lüge, weil da sind zwei, aber das eine seh ich einfach nicht, weil er irgendwo am Land liegt und die Unwetter alles mit Ästen und Baumstämmen zugeschüttet haben und das zweite kreuzt unseren Weg für einen Moment und geht dann auf Tauchstation. Was mir aber wirklich gut gefällt, ist unser Skipper (im obigen Audiofile zu hören), der die einzelnen Tiere namentlich erkennt und in seinem Funkgerät den anderen RivercruiserInnen durchgibt, wo er wen gesehen hat bzw. wo heute gar nichts zu sehen war. Da war dann auch so ein Moment, wo er, mehr zu sich selbst, gesagt hat: „It’s very quiet this morning…“ Aber in meinem Kopf hat er ergänzt, „…maybe too quiet.“ Und daraufhin wären Massen von Krokodilen neben uns aus dem Wald gebrochen und wären auf unser Schinakl zu gelaufen, hätten uns umgeworfen und aufgefressen. Und in diesem Moment, als unser Schicksal besiegelt wäre, hätte er vielleicht noch gesagt clever girl, und damit den Hinterhalt des Oberkrokodils anerkannt.

Normalerweise ist das hier angeblich ordentlicher und man erkennt ein bisschen was vom Ufer.

Also bisschen zu wenig Krokodil, um wirklich davon sprechen zu können, dass wir Krokodile gesehen hätten. Dabei, sagt man uns, gäbe es von Daintree (dem Dorf) bis zur Mündung des Daintree (dem Fluss) etwa ein Krokodil alle hundert Meter. Wirkt wie ein gesunder Bestand. Und ich denke da immer wieder dran, wenn mir danach ist, meine Hand neben mir ins Wasser schlenkern zu lassen, was ich letzten Endes nie tu.

Wylie holt uns mit dem Bus an der Anlegestelle ab. Insgesamt stehen sie dort zu viert, vier BusfahrerInnen in etwa den gleichen Outfits, alles in klassischem Khaki, Hut mit breiter Krempe, aber ohne die baumelnden Korkstoppeln. Rein in die Busse und schnell weg, damit wir zur Illusion zurückfinden, wir wären hier unabhängige RucksacktouristInnen, die sich den unberührten Urwald zeigen lassen und ganz anders als jene geriatrische Reisegruppe im Bus daneben, die das beste aus der wachsenden Diskrepanz zwischen stagnierendem Pensionierungsalter und steigender Lebenswartung machen. Ab in den Regenwald, der seinen Fortbestand wohl der Welle der 80er-Jahre-Ökos zu verdanken hat, als der Wald nicht zubetoniert und verhäuselt sondern im Gegenteil vernaturschutzgebietet wurde. Was an Siedlungen bestand wurde weitgehend aufgelöst. Da werden schon einige Leute geschrien haben, die sich heute daran nicht mehr erinnern wollen würden. Aber das scheinen immer so halb-zufällige Initiativen zu sein, wo dann mal jemand gesagt hat, na gut, dann machen wir unsere Millionen halt nicht oder woanders, wenn ihr euren… ah ja, schau an, ältester Regenwald der Welt und vielleicht nicht alles zubauen, was noch atmet.

Es ist vor allem still, hier im Regenwald.

Ab jetzt heißt es übrigens, Ausschau halten. Weil wir möchten alle gerne einen Kasuar sehen. Der Kasuar, der Kasuar… kommt in der Vogelhochzeit gar nicht vor. Großer, flugunfähiger Vogel mit blauem Kopf und einem Helm von dem man schon wieder nicht weiß, wozu der dient. Vor fast hundert Jahren hat ein Kasuar mal einem jungen Mann auf einer australischen Schaffarm mit seinen Klauen die Halsschlagader aufgemacht und spätestens seit dem nimmt man sich in acht vor ihnen. Zwei interessante Sachen: Erstens hab ich irgendwo gelesen, dass dem Kasuar sein Evolutionsast schon recht früh von den anderen Vögeln abbiegt. Das hab ich seit dem nie wieder gelesen und ich glaub, das stimmt auch gar nicht. Ist halt mit den anderen flugunfähigen Vögeln verwandt, wie s ausschaut. Ich mein, ja. Er schaut schon urig drein – aber das heißt im Grunde gar nichts, wirklich nicht. Wenn man mehr andere Vögel kennt, schaut er schon auch fremd drein und das heißt vielleicht eher was. Und zweitens: mal wieder eher so Einzelgängertiere, paaren sich dann und wann, wenn sie einander zwischendurch über den Weg laufen und dann übernimmt das Männchen die Aufzucht. Ob die Boyz auch die Eier ausbrüten oder ob s nicht eh dauernd warm genug ist, dass man sich das sparen kann oder ob sie nicht sogar geduldig warten, bis das Weibchen die Eier ausgebrütet hat und erst dann zum Pfeffer schicken… Auf jeden Fall verbringt das Männchen dann bis zu eineinhalb Jahre mit dem Jungen, bevor er es „brutalst verjagt“. (So wie in Wolfsblut stell ich mir das vor.)

Oh yeah! Kasuar leibt und lebt.

Wir gehen eine Runde über einen Regenwaldpfad und bekommen von den Wundern der Australischen Namensgebung erzählt. Dieser Baum heißt Peanuttree, weil er Früchte hat, die aussehen wie Erdnüsse. Diese Pflanze heißt Wait-a-While, weil sie so Haken hat, an denen man hängenbleibt und sich die Haut aufreißt, wenn man nicht einen Moment wartet um sie zu entfernen. Man merkt, dass zu dem Zeitpunkt, wo die WissenschaftlerInnen gekommen sind, die SiedlerInnen bzw. Exilierten schon eine Zeit lang die Nomenklatur übernommen hatten. Und ganz offenbar haben die sich auch untereinander nicht abgesprochen und es gibt dementsprechend viele Wait-a-Whiles. Fauna kriegen wir zwei Golden Orb Spiders zu sehen, die relativ groß und eigentlich sehr hübsch sind. Später lauf ich zwei-, dreimal nur knapp nicht durch ein Netz durch. Nicht unglücklich darüber, hätte ich sie doch trotz ihrer Nicht-Tödlichkeit nur ungern im Gesicht gehabt. Und natürlich Hände voll Papageien und Honigfressern und der ganzen Volierespartie. Aber fast weniger los als mitten in der Stadt, muss man sagen. Kasuar n’est pas la, aber auch keine Reptilien. Gerade in deren Richtung hat man für uns ganz schön in der Möglichkeitenkiste gekramt: Schlangen, Leguane, Eidechsen, Skinks – die ganze Palette. Aber jetzt alle mit Abwesenheit glänzen. Ist vielleicht auch ein bisschen darauf zurückzuführen, dass die Straße nebenan gerade erneuert wird, die das Unwetter weggerissen hat. Und vielleicht auch, weil wir einem abgesicherten Dschungellehrpfad folgen, der sich durch ein parklplatznahes Randstück jener Grüne Hölle schlingt. Möglicherweise nicht ganz das Urwalderlebnis, das man sich vorstellt.

Rein in den Bus, nächste Station: Cape Tribulation, quasi das Kummer Kap. Dazu gibt s eine Geschichte, aber im Wesentlichen machen wir hier ein eine Mittagspause (ja!, grad eins ist es oder was) auf einem schönen weißen Sandstrand, der direkt in den Urwald übergeht. Allerdings lieber nicht ins Wasser gehen, weil niemand will hier jetzt Krokodile sehen, die wir zuvor nicht zu Gesicht bekommen haben. Sehr charmant finde ich, dass uns Wylie erst während der Weiterfahrt die Krokodilwarnungen durchgibt. Weil auch hier gilt: die letzte Person, die in Queensland einem Krokodil zum Opfer gefallen ist, das ist schon wieder lange her und im Wesentlichen ist nächtenes Nacktbaden in den Gewässern da oben halt einfach nicht zu empfehlen und wenn man nicht ein bisschen mit der Vernunft an die Sache geht, dann… na ja. Ein wenig gesunde Vorsicht, aber man solle es nicht übertreiben mit der Tödlichkeit der Australischen Fauna. Oder Flora, weil zum Beispiel die Kasuarzwetschke ist nicht besonders gesund. Und man soll sich nicht an die Schleimhäute fassen, wenn man die gehandelt hat oder man schaut möglicherweise eine Woche so aus, als ob man sich geprügelt hätte. Also bisschen Strand, bisschen Urwald, bisschen Warnschilder, bisschen Mittagessen.

Schon schön.

Und am Heimweg besuchen wir noch schnell traditionelle LandeigentümerInnen, quasi Aboriginessiedlung. Hier wurden einst Häuser gebaut, in die die Aborigines einquartiert wurden. Da hat man damals ein bisschen Infrastruktur zur Verfügung stellt oder verpflichtet, mit einem Auge auf die Idee, dass man sie dadurch auch in die weiße Gesellschaft integrieren würde. Ich glaube, dass das so ein Fall war, wo die Kuku Yalanji, die dort traditionell gelebt haben, Anspruch auf das Gebiet gestellt haben. Der Australische Staat hat irgendwann in den späten 70ern nämlich Aboriginesvölkern, ihre Gebiete wieder zuerkannt, wenn sie nachweisen konnten, dass sie eben die traditional landownders seien und halt die Landschaften nicht verbaut waren. Auf jeden Fall ist die ganze Mossman Gorge Gegend heute als ein Zentrum kulturellen Austauschs eingerichtet. Wir sind allerdings vor allem da, um – hunderten Warn- und Verbotsschildern zum Trotz – eine Runde im Fluss zu planschen. Nachdem ich ohne Badehosen dastand, hab ich die Hälfte der Zeit überlegt, ob es sich jetzt eher schickt, bis auf die Unterhosen oder in der ganzen Unterhosen-Shorts-Kombo in den Fluss zu steigen. Weil ich hatte sowohl ein Handtuch, als auch eine zweite Hose einstecken. Ich bin ja vorbereitet, wenn ich einen Urwaldausflug mach, nur nicht für s Baden gehen.

In den nassen Unterhosen im Bus sitzend, geht mir ständig warnend das Wort Blasenkatarrh durch den Kopf. Hat sich aber ausgezahlt. Nachdem ich am Morgen schwer mit meinen riffausflugsbedingten Salzwasserhaaren zu kämpfen hatte, hab ich dort festgestellt, dass ich hundertmal lieber in einem kalten Fluss bade als im Meer. Vom Kulturzentrum kriegen wir nur zehn Minuten Shop mit.

Wiedereinmal nicht mein Foto, aber so schaut s dort aus, selbe Stelle, andere Leute.

Wir haben dann übrigens noch einen Kasuar erwischt. Nachdem Wylie schon einführend gesagt hat, wir sollen schreien, wenn wir einen sehen und dann noch warnende Geschichten erzählt hat, über TouristInnen, die im entscheidenden Moment nicht wussten, was sie denn schreien sollen, kam auf der Fahrt zum Gorge der ausgemachte Ruf: Bird! Und tatsächlich: als wir stehengeblieben sind, sehen wir durch die Rückscheibe einen Kasuar mit Anhang die Straße überqueren. Der kleine sei wohl so sechs Monate alt. Wir reversieren und wir folgen den Kasuar ein bisschen in eine Abzweigung in den Wald hinein. Der Vater schaut skeptisch, aber wir halten uns eh auf Distanz und sehen ihnen noch ein bisschen beim Rumstaksen zu. Natürlich letztlich vollkommene Überforderung: Kamera, Fernglas, Moment genießen. Aber das hat das ganze Meh vom Vormittag deutlich relativiert. Auch Wylie ist zufrieden, Kasuarzeigen ist sein Lieblingsteil der Tour und kann nicht garantiert werden.

Heißt Wylie und sucht einen blauen Vogel mit komischem Kopfschmuck – ist nicht irre überraschend.