Don’t know why she’s leaving…

Und von Cairns dann mit dem Flugzeug nach Alice Springs. Und man sagt, man sagt nur Alice, wenn man cool ist, aber ich bin nicht cool und schon gar nicht cool genug. Ich bin versucht Ms Springs zu sagen. (Eine Fußnote in die Gegenwart: meinen aktuellen Dorm mitbewohnt ein Mann aus Texas, der am Frühstückstisch den Mädchen mit seinem verschriebenen Cannabis imponiert, mir hingegen damit, dass er zur Engländerin, die ebenfalls mit uns das Zimmer teilt mit yes, m’am antwortet. Da leuchten alle Südstaatenromantiklichterln auf, dafür bin ich ein bisschen anfällig.)

Im Anflug.

Als erstes gleich einmal Probleme: meine Kreditkarte ist ausgereizt und ich wusste natürlich nicht einmal, dass ich da ein Limit hab. Check ich mein Konto und ruf bei den Visaleuten an. Das dauert ein bisschen, weil ich da einen PIN hab und den weiß ich nicht, zumindest nicht, als das Telefon von mir eine fünfte und sechste Stelle haben will. Worauf ich ersteinmal den PIN ändern muss und dabei zwei Sicherheitswarnungen von Google ignoriere. Ich telefoniere dann mit einem Deutschen, nicht weil die Deutschen bei der österreichischen Visahotline arbeiten (was sie sicher tun), sondern weil die ÖsterreicherInnen über Nacht die lokale Visahotline zusperren und nach Deutschland verlinken. Da könne er mir leider nicht helfen, ich müsse bei den ÖsterreicherInnen anrufen. So schaut strukturelle Benachteiligung aus. Aber er ist hilfreich und gut und klärt mich über die Grenzen auf, die mir in meinem finanziellen Leben gesetzt sind. About time.

Ich geh dann nach in die Stadt, auf der Suche nach einem Bankomaten, weil auf dem kleinen Handgerät, auf dem ich versuche im Hostel meinen Code einzugeben, erinnern sich meine Finger nicht und mich braucht man gar nicht erst fragen. Auf der Todd Street klappt s beim ersten Mal und ich hab wieder 400$ in der Hand und die geb ich dann auch gleich dem Hostel weiter. Weil ich bin schon wieder am Toureneinkaufen: einmal Uluru und zurück. Ich muss den Namen (glücklicherweise) gar nicht aussprechen, ich sage nur, ich hätte vielleicht die eine oder andere Tour noch nicht gebucht und bekomme gleich die richtigen Kataloge vorgelegt. Uluru ist es übrigens, die Betonung auf der hinteren Silbe. Das war jetzt gar nicht so sehr der Grund – also, dass ich das falsch betont hätte – dafür, dass ich s nicht ausgesprochen hab, ich wollte einfach nicht so wirklich schon wieder in den Tourtourismus einsteigen. Tu ich aber natürlich doch, weil in Alice Springs weiß man, warum die TouristInnen vorbeikommen. Und dementsprechend liegen die Broschüren schon da. Und am nächsten Morgen geht s schon los! Aber nachdem ich so früh geflogen bin und noch eine halbe Stunde Zeitverschiebung (eine halbe Stunde!) bekommen habe, ist das nicht wirklich ein Problem. Und ich hab den ganzen Tag Zeit, mich zu orientieren und ein bisschen Alice Springs zu sehen. Und so viel gibt s da ja gar nicht.

Durch Alice Springs fließt der Todd River. Aber meistens gibt s kein Wasser an der Oberfläche. Die lustigen AlicerInnen machen ein jährliches Bootsrennen, wo sie Löcher in den Bootsboden schneiden und die Füße durchstecken. Es hat, so heißt s, zuletzt zweimal abgesagt werden müssen, weil zu viel Wasser im Todd gewesen ist.

Aber wirklich schön, fand ich. Der blaue Himmel, die roten Felsen, die weite Weite und die allgemeine Gelassenheit. Gleichzeitig, ich mein, ich red jetzt immer wieder schon ein bisschen von Aborigines und es ist schwierig, nach wie vor, wenn nicht schwieriger, hier ein entsprechendes Bild zu entwickeln. Zuletzt hab ich den Bruce Chatwin hergenommen, den ich vor achtzehn Jahren für meine anstehende und niemals durchgeführte Australienreise geschenkt bekommen habe. Und da ist ein Satz drin…

What could be done for Aboriginals was to preserve their most essential
liberty: the liberty to remain poor, or, as he phrased it more
tactfully, the space in which to be poor if they wished to be poor.

Hilft das? Es ist so, dass wo ich hinkomme, mir Aborigines in erster Linie als scheinbar obdachlose Bevölkerung auffallen. Sie sitzen auf den Wiesen im Schatten der Bäume – was nur vernünftig ist. Und ich könnte jetzt gar nicht sagen, dass mir bettelnde Aborigines aufgefallen sind, in dem Sinne, in dem ich hier Weiße durchaus sehe: die auf der Straße sitzen mit einem Hut, einem Becher, einem Schild einem Schlafsack und mitunter verhaltensauffällig. (In Melbourne wird mir eine Woche später einer auffallen, der, den Kopf auf seinem Schlafsack an der Hauskante liegt und ein Buch liest. Das werde ich ganz amüsant finden und verstärkt die Heterogenität unter Obdachlosen wahrnehmen.) Aber es gibt jene, die schnorren, also aktiv um ein Bier bitten oder vielleicht auch um ein Geld und jene, die einem Kunst verkaufen wollen. Und viele machen keinen besonders gesunden Eindruck, schon allein wegen häufigem Übergewicht, aber da ist auch die Kleidung, die die TrägerInnen oft verwahrlost aussehen lässt. Angesichts jener fünfunddreißig Jahre alten Beobachtung vom Bruce Chatwin, die eigentlich auf seinen russischen Kontakt in Alice Springs zurückgeht, muss man das vielleicht aus einem anderen Blickwinkel sehen. Und ich hab mir schon immer wieder gedacht, dass man sich das nicht zu einfach machen und mit meinem europäischen Auge nicht zu unsinnigen Schlüssen kommen darf. Das wäre ja noch schöner, wenn das die einzige Sichtweise wäre.

Man kann jetzt sagen: Gut so, kritisch und mit offenem Ohr, offenem Dingsda, Herzen. Da muss man doch nur auf einen zugehen und sagen: „…“. Ja, nein. Natürlich, so stell ich mir das vor. Aber das ist wieder etwas, was sich nicht ausgeht für mich. Fast einmal. Aber dann war keine Zeit. Weil man direkt dazu aufgefordert wurde, in dem kulturellen Zentrum, das dem Uluru zu Fuße eingerichtet ist. Weil man da reinkommt und das wie Beschäftigungstherapie wirkt, wenn zwei Frauen verloren in einer Galerie sitzen und malen. Mit einem leicht widerwilligen Ausdruck, aber das mögen auch wieder nur meine Augen sein. Und dann steht an der Tür: Jedes Bild erzählt eine Geschichte, sprechen Sie mit den KünstlerInnen über ihre Arbeit. Und da hab ich mir gedacht, ja, das wär schon möglich, das wäre ein Schritt um aus dieser seltsamen, menageriehaften Situation rauszukommen. Aber da sollten wir schon los, da musste ich schon weg, da bin ich grad nochmal ausgekommen.

Auf jeden Fall ist Alice’s Secret Traveller’s Inn ein Schatzkistchen. Und das ist insofern erstaunlich, als dass mir schon von einer Alicespringerschen Jugendherberge geschwärmt worden ist, die aber dahin ist, wohl der Konkurrenz mit ASTI zum Opfer gefallen. In Alice Springs entstehen offenbar ganz einfach die schönsten Jugendherbergen. Ist vielleicht der Umgebung zu verdanken.

Ich mein, wenn das am Klo hängt. Bei der Gründung dürfte auch ein Deutscher seine Hände im Spiel gehabt haben.